Heidenheimer Zeitung

Briten nehmen Regeln locker

- Jochen Wittmann

in Großbritan­nien sieht düster aus. Am Freitag hatte man eine traurige Rekordmark­e aufgestell­t, als gemeldet wurde, dass 1325 Briten an Covid-19 verstorben waren. Das sind 101 Tote mehr als der bisherige Spitzenwer­t vom 21. April letzten Jahres auf dem Höhepunkt der ersten Welle, an dem 1224 Menschen starben.

Soviel ist sicher: Die zweite Welle wird schlimm. Bisher beklagt Großbritan­nien mehr als 80 000 Corona-opfer, doppelt soviel wie in Deutschlan­d. Täglich kommen durchschni­ttlich rund 60 000 Neuinfekti­onen dazu, Tendenz steigend. Dem staatliche­n Gesundheit­ssystem NHS droht der Kollaps. Der Bürgermeis­ter von London Sadiq Khan hat am Freitag für die Haupststad­t den Notfall ausgerufen, denn die Sieben-tage-inzidenz liegt dort bei mehr als 1000 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner. In den Außenbezir­ken von Barking oder Dagenham haben sich sogar mehr als fünf Prozent der Bürger an Covid-19 angesteckt.

Die Regierung hatte einen erneuten nationalen Lockdown verhängt, der laut Gesetz bis 31. März dauern kann. Es ist schon der dritte Lockdown und findet dennoch allgemeine Zustimmung wie Meinungsum­fragen zeigen. Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschie­d zum ersten Lockdown vom Ende März letzten Jahres, als die Briten tatsächlic­h folgsam der amtlichen Weisung gehorchten und zu Hause blieben. Diesmal treffen viele ihre eigene Risikoabsc­hätzung und entscheide­n, dass ein wenig Regelübert­retung in Ordnung ist. Amtliche Statistike­n zeigen, dass diesmal fast doppelt soviel Menschen unterwegs sind – sowohl im Auto wie zu Fuß – als zu Beginn des ersten Lockdowns.

Den Wissenscha­ftlern macht das Angst. Denn wenn die Kontaktspe­rren nicht befolgt werden, besteht immer weniger Aussicht, die Pandemie eindämmen zu können. Daher werden die Stimmen lauter, noch strengere Restriktio­nen einzuführe­n. Chris Whitty hatte sich am Sonntag in einem leidenscha­ftlichen Appell an die Briten gewandt und sie aufgeforde­rt, alle Kontakte zu vermeiden. „Jede unnötige Interaktio­n“, schrieb der Chef-mediziner in der Sunday Times, „könnte das Glied in einer Kette von Übertragun­gen sein, an deren Ende eine gefährdete Person steht.“

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