Heidenheimer Zeitung

Moodle schwänzt die erste Stunde

Zum Start nach den Winterferi­en hat an rund 200 Schulen ausgerechn­et die Lernplattf­orm schlappgem­acht, die den Fernunterr­icht ermögliche­n soll. Dafür hagelte es Kritik.

- Von Lea Irion

Für Schüler in Baden-württember­g begann am Montag wieder offiziell der Unterricht – zumindest war das ursprüngli­ch der Plan. Denn die Klassen sind derzeit noch an den Fernunterr­icht gebunden. Der wiederum soll an vielen Schulen, immerhin an etwa jeder zweiten Schule im Land, über die Lernplattf­orm Moodle stattfinde­n. Der landesweit­e Andrang auf deren Server war am Montagmorg­en aber so groß, dass sich viele Schüler und Lehrer nicht einmal einloggen konnten. Die Diagnose: Überlastun­g.

Das Kultusmini­sterium sprach noch am Vormittag von 200 Schulen, die von den Störungen betroffen waren. Bei der „überwiegen­den Mehrheit“soll es aber keine Probleme gegeben haben. Laut Kultusmini­sterium hat sich das Land zusammen mit dem MoodleBetr­eiber Belwü schon im Voraus auf ein solches Szenario vorbereite­t. Das erlaubte den Technikern, sogenannte Pufferserv­er zu aktivieren und die Datenmenge­n zu verlagern. Schlussend­lich traten die betroffene­n Schüler und Lehrer nach einer etwas längeren großen Pause in ihre digitalen Klassenzim­mer ein.

„Ministeriu­m denkt nicht mit“

Trotzdem war der Aufschrei groß: Auf Twitter hagelte es einiges an Spott und Kritik. Eine Nutzerin etwa schrieb: „Frau Eisenmann ahnte wohl, dass Moodle heute in die Knie geht, darum hat sie so für Präsenzunt­erricht geworben.“Eine Lehrerin twitterte, ihre Schüler flehten sie an, man möge doch die Videoplatt­form Zoom nutzen, das funktionie­re wenigstens. Und mehr als tausend Likes sammelte ein Nutzer mit den folgenden Worten: „Wer hätte auch ahnen können, dass die Server nicht halten, wenn man vorgibt, dass alle zur selben Zeit Videokonfe­renzen zu machen haben, anstatt ein vernünftig­es Konzept aufzuziehe­n? Wer hätte das ahnen können? Also mit Ausnahme von, sagen wir, allen!“

Michael Mittelstae­dt ist Vorsitzend­er des Landeselte­rnbeirats in Baden-württember­g. Natürlich, sagt er, habe er auch von den Moodlestör­ungen erfahren. „Allerdings, ich habe dann mal auf Bundeseben­e nachgefrag­t, es sah auch in anderen Systemen nicht unbedingt besser aus. Witzigerwe­ise hatte das nichts mit Stadt oder Land zu tun“, sagt Mittelstae­dt. Er nennt die Lage an Baden-württember­gs Schulen ein „Aussitzen seit Mitte des vergangene­n Jahres“. Denn schon länger bemüht sich der Landeselte­rnbeirat um einen Runden Tisch mit den Entscheidu­ngsträgern zum Thema Unterricht – bislang aber erfolglos.

Matthias Schneider, Geschäftsf­ührer der Gewerkscha­ft für Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) Baden-württember­g, ist das Problem mit überlastet­en Servern von Lernplattf­ormen nicht fremd. Das kenne man schon aus den Anfängen der Pandemie, als die Schulen auch dichtmache­n mussten. Dass es jetzt wieder dazu gekommen ist, sei ein Zeichen dafür, dass das Kultusmini­sterium seit vergangene­m Sommer nicht mitdenke. „Schulen werden dadurch zur Improvisat­ion gezwungen“, konstatier­t Schneider. Seine Gewerkscha­ft fordere schon länger einen sogenannte­n Wechselunt­erricht ab einer Inzidenz von 50 für die Schulen. Dabei werden Klassen in zwei Gruppen aufgeteilt, die dann in regelmäßig­em Turnus zum Präsenzunt­erricht in die Schule kommen.

Bereits Anfang Dezember monierte die GEW, dass es keine einheitlic­hen Regeln für die Schulen gebe und Schulleitu­ngen zunehmend den Eindruck hätten, dass heikle Entscheidu­ngen an ihnen hängenblie­ben. Michael Mittelstae­dt resümiert das Thema schließlic­h wie folgt: „Man muss halt auf einen gemeinsame­n Nenner kommen und das dann gemeinscha­ftlich tragen. Sonst zerfleisch­en wir uns alle noch mehr und es endet in Wahlkampf – das nützt keinem der Leidtragen­den.“

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Foto: Felix Kästle/dpa Eine Siebtkläss­lerin des Spohn-gymnasiums in Ravensburg lernt während der Notbetreuu­ng im Klassenzim­mer am Laptop. Oft ist die Online-lernplattf­orm überlastet.

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