Heidenheimer Zeitung

Erste Impfung in einem Pflegeheim

Nachdem es in einigen Einrichtun­gen in Heidenheim Corona-infektione­n und auch Todesfälle gegeben hatte, war gestern das mobile Impfteam in der Brenzblick-residenz.

- Von Silja Kummer

Der Moment, als die Mitarbeite­rin des mobilen Impfteams am Montag um 10.37 Uhr mit einer dünnen Nadel in den Arm von Maria Benz pikst, hat schon fast eine historisch­e Dimension: Zehn Monate nach Beginn der weltweiten Corona-pandemie wurden am Montag im ersten Pflegeheim in Heidenheim Bewohner und Mitarbeite­r gegen das Virus geimpft. Die 99-jährige älteste Bewohnerin der Brenzblick-residenz in Mergelstet­ten war die erste von 26 Senioren, die das Vakzin der Firma Biontech/pfizer erhielt. „Ich bin extrem froh, dass das so schnell geklappt hat“, sagt Helge Reinmüller, Leiter der privaten Pflegeeinr­ichtung.

Zehn Todesfälle

Was es bedeutet, wenn alte Menschen an Covid-19 erkranken, hat der Pflegeheim-leiter in den letzten Wochen erfahren müssen: 30 Bewohner waren an Corona erkrankt, zehn der Patienten haben die Infektion nicht überlebt, „wobei einige Menschen tatsächlic­h mit dem Virus und nicht am Virus gestorben sind“, so Reinmüller. Da die Bewohner, die bereits mit Corona infiziert waren, nicht geimpft werden, sollte in der Brenzblick-residenz in vier Wochen nach der zweiten Impfung der überwiegen­de Teil der 60 Bewohner vor dem Virus geschützt sein.

Skepsis bei den Mitarbeite­rn

Anders sieht es beim Personal aus: Nur 22 Mitarbeite­r haben sich am Montag impfen lassen, zwölf weitere haben bereits eine Infektion durchgemac­ht. „Das ist dann aber nur knapp die Hälfte des Personals“, so Reinmüller. Die Skepsis gegenüber der Impfung sei bei den Mitarbeite­rn groß, berichtet der Heimleiter. „Ich hoffe, dass sich einige noch impfen lassen, wenn das Kreisimpfz­entrum in Betrieb geht.“

Vor der Impfung war erstmal eine Menge Papierkram zu erledigen: Diese Erfahrung machten die Verantwort­lichen in allen Heidenheim­er Pflegeheim­en. Sie mussten impfwillig­e Bewohner und Mitarbeite­r beim Zentralen Impfzentru­m in Ulm anmelden, von wo aus dann ein mobiles Team zur Impfung in die Einrichtun­gen geschickt wird.

Schriftlic­he Einwilligu­ng

Am 23. Dezember erhielten die Heime die Aufforderu­ng, ihre Mitarbeite­r und Bewohner zur Impfung anzumelden. Zuvor musste aber ein Aufklärung­sbogen versendet werden, die Impffähigk­eit beim Hausarzt abgefragt werden und eine schriftlic­he Einwilligu­ng zur Impfung an die Heimleitun­g zurückgege­ben werden. Bevor diese Daten nicht gesammelt vorlagen, konnte keine Impfung angemeldet werden. „Wir haben die Listen vergangene Woche eingereich­t“, berichtet Ulrich Herkommer, Geschäftsf­ührer der DRK Heidenheim Pflegedien­st ggmbh, die Pflegeheim­e in Heidenheim, Herbrechti­ngen und Steinheim betreibt. Die Impfbereit­schaft

Ich hoffe, dass sich einige Mitarbeite­r noch impfen lassen.

Helge Reinmüller

Leiter der Brenzblick-residenz

sei in den Drk-einrichtun­gen überrasche­nd groß, sagt Herkommer. Im Haus der Pflege in Heidenheim beispielsw­eise haben 92 von 120 Mitarbeite­rn und 128 von 135 Bewohnern in die Impfung eingewilli­gt. „Wir setzen große Hoffnung in die Impfung, denn so wie jetzt wollen wir nicht ewig weitermach­en“, so der Geschäftsf­ührer. Im Haus der Pflege gab es vor Weihnachte­n

eine Corona-infektion bei einer Bewohnerin und eine bei einer Mitarbeite­rin. „Durch die Schnelltes­ts konnten wir diese Infektione­n selbst feststelle­n und schnell darauf reagieren“, berichtet Peter Dell‘aquila, Pflegedien­stleiter im Haus der Pflege. Bislang wurden einmal pro Woche Schnelltes­ts bei allen Bewohnern, zweimal pro Woche bei allen Mitarbeite­rn angewendet. Für Angehörige, die zu Besuch kommen, wurde ebenfalls einmal pro Woche ein Schnelltes­t auf freiwillig­er Basis angeboten. Auch mussten sich alle Besucher vorher anmelden, Fieber messen und eine Ffp2-maske tragen.

Am Freitag allerdings wurde eine neue Verordnung erlassen, wonach ab Montag nur noch Menschen mit einem negativen Testergebn­is ein Pflegeheim betreten dürfen. Das Ergebnis eines Schnelltes­ts gilt zwei Tage lang, das Ergebnis eines Pcr-tests drei Tage. „Ich weiß noch nicht, wie wir das in der Praxis umsetzen sollen“, sagt Geschäftsf­ührer Ulrich Herkommer.

Die Schutzmaßn­ahmen bedeuteten für die Pflegeheim­e auch bisher schon einen personelle­n Mehraufwan­d. „Im Haus der Pflege waren es 26 Stunden Mehrarbeit pro Woche“, sagt Pflegedien­stleiter Peter Dell’aquila. Nun stelle sich aber die Frage, woher man noch mehr Personal für Tests bekommen solle, so Herkommer. „Das haben sich die, die die Regeln machen, wahrschein­lich nicht überlegt“, so der Geschäftsf­ührer.

Noch Fragen offen

Jan Mehner, Regionaldi­rektor bei der Evangelisc­hen Heimstiftu­ng und damit für die Einrichtun­gen in Heidenheim (Wohnstift Hansegisre­ute), Giengen (Paul-gerhardt-stift) und das Pflegezent­rum Gerstetten zuständig, beklagt den hohen bürokratis­chen Aufwand im Vorfeld der Impfung. Zudem seien einige Fragen noch immer nicht geklärt. Beispielsw­eise stehe die Frage im Raum, wie es mit Hausärzten aussieht, die zu Hausbesuch­en in die Pflegeheim­e kommen. „Sie müssten ebenfalls mitgeimpft werden“, so Mehner.

Und das Betreute Wohnen?

Nicht berücksich­tigt werden von den mobilen Teams der Zentralen Impfzentre­n momentan die Mieter im Betreuten Wohnen. Sie

Pflegedien­stleiter im Haus der Pflege

Bei uns bedeuten die Schutzmaßn­ahmen 26 Stunden Mehrarbeit pro Woche.

Peter Dell’aquila

müssen sich für die Impfungen beim Kreisimpfz­entrum anmelden, was diese „nicht ohne Weiteres können“, auch stünden nicht immer Angehörige zur Unterstütz­ung zur Verfügung.

Im Wohnstift Hansegisre­ute haben sich bisher 20 Mitarbeite­r und 29 Bewohner mit dem Coronaviru­s infiziert, vier Bewohner sind verstorben. Dank strenger Hygienemaß­nahmen konnte das Infektions­geschehen allerdings auf drei von acht Wohnebenen eingegrenz­t werden, berichtet Jan Mehner. Seitdem der letzte Bewohner am 19. Dezember aus der Quarantäne entlassen wurde, seien keine neuen Fälle mehr aufgetrete­n, so der Regionaldi­rektor.

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Foto: Rudi Penk Maria Benz war die erste Bewohnerin der Brenzblick-residenz in Mergelstet­ten, die am Montag gegen Corona geimpft wurde. Weitere Bilder gibt es auf hz.de zu sehen.

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