Mit vereinten Kräften
Notenbank und Politik versuchen alles, um die Wirtschaft auf Wachstumskurs zu Bringen. Europäischen Aktien stehen gute Zeiten ins Haus.
Ein „Trio mit vier Fäusten“bestimmte die (geld)politischen Schlagzeilen im Jahr 2020: Während sich der britische Premier Boris Johnson und die Eu-präsidentin Ursula von der Leyen über Monate hinweg einen harten Schlagabtausch lieferten, bewies Ezboberhaupt Christine Lagarde im Trubel des Krisenjahres eine ruhige Hand. Die drei Protagonisten werden auch 2021 im Rampenlicht stehen.
Ezb-präsidentin Christine Lagarde wird bei ihrer Währungspolitik aber nicht nur die Unsicherheiten bei dem Eu-austritt von Großbritannien im Auge behalten müssen, sondern sie hat in erster Linie auch alle Hände voll zu tun mit der Corona-krise. Die Französin, die am 1. Januar ihren 65. Geburtstag feierte, muss die Konjunktur in Europa wieder in Gang bringen. Schnellschüsse sind bei ihr im Jahr 2021 — wie auch in der Vergangenheit — nicht zu erwarten. Auf ihren Sitzungen wird die Präsidentin nicht müde zu betonen, dass der Fokus längerfristig auf der Sicherstellung sehr günstiger Finanzierungsbedingungen für die gesamte Wirtschaft liegt. „Die EZB handelt, um ihren Teil zur Krisenbewältigung beizusteuern“, sagt Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, und fügt hinzu: „Christine Lagarde wird auch in diesem Jahr geldpolitischen Beistand leisten.“
Europa-aktien mit Potenzial
In Kombination mit der Umsetzung des von der Eu-kommission initiierten 750 Milliarden Euro schweren Aufbaufonds dürfte das Maßnahmenbündel den europäischen Unternehmen und damit auch deren Aktien unter die Arme greifen. Anders als die Indizes in den USA, Japan oder auch Deutschland schaffte es der Euro Stoxx 50 im Dezember noch nicht in die positive Zone. Zum Jahresende belief sich das Minus auf knapp sechs Prozent.
Aber natürlich weisen nicht alle Großkonzerne der Eurozone rote Vorzeichen auf. Der Zahlungsdienstleister Adyen führt das Leitbarometer mit einem Anstieg um mehr als 150 Prozent an. Getreu dem Motto „The trend is your friend“dürfte das niederländische Unternehmen, das sein Geld mit der Abwicklung von Bezahlvorgängen etwa mit Kreditkarten und dem dazugehörigen Service verdient, seinen Aufwärtstrend 2021 fortsetzen. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung beschleunigt Adyen auch sein Tempo auf dem Weg zum führenden Zahlungsunternehmen im Onlinehandel. Eine mögliche Erholung des Geschäfts mit Zahlungen in der Tourismusbranche birgt für Börsianer zusätzliche Fantasie.
Ebenfalls ins Laufen kommen dürfte die Bauindustrie. Dafür sollten allein schon die europäischen Corona-wiederaufbauhilfen sorgen. Aber auch die milliardenschwere „Green Deal“-initiative der EU spielt Wienerberger, dem weltgrössten Hersteller von Ziegeln, in die Karten. Die Österreicher konzentrieren sich bereits seit Längerem auf ökologische Produkte und möchten in Zukunft nur noch zu 100 Prozent recycelbare Baustoffe entwickeln. Auf dem Weg zur grünen Transformation spielen zudem viele weitere europäische Unternehmen mit. Dazu zählt der weltgrößte Windkraftanlagenhersteller Vestas. Allein die EU möchte die Windenergie auf hoher See in den kommenden Jahren massiv ausbauen. Bis 2050 sollen sich vor den Küsten der Mitgliedsstaaten Windräder mit einer Leistung von 300 Gigawatt drehen. „Vestas ist in der Branche am besten aufgestellt, um von einer steigenden Nachfrage zu profitieren“, konstatiert Goldman-sachs-analyst Ajay Patel.
Der sich beschleunigende Trend der Investitionsgüterbranche zur Nachhaltigkeit kommt auch den beiden Skandinaviern Ericsson und Nel entgegen. Während der Netzwerkausrüster beim 5G-aufbau eine wichtige Rolle spielen wird, gilt das im Wasserstoffbereich für Nel. Die Firma ist führend in Sachen Elektrolyse und setzt alles daran, dass sich brennstoffzellenbetriebene Fahrzeuge etablieren. Dazu baut der Konzern sukzessive ein H2-tankstellennetz auf. Allerdings weist der Titel inzwischen eine hohe Bewertung auf.
Ein konservativeres Chancerisiko-profil besitzt der britisch-schwedische Pharmakonzern Astrazeneca. Der Arzneimittelhersteller hat einen Coronaimpfstoff in der Pipeline, der inzwischen in Großbritannien zugelassen ist und weniger logistische Schwierigkeiten bereitet als das in Deutschland hauptsächlich verwendete Mittel von Biontech. Mit der Übernahme des Uskonkurrenten Alexion verstärkt Astrazeneca den Immunologiebereich. „Der Deal bringt einen starken Ergebnisbeitrag und bedeutet weiter branchenbestes Wachstum bis 2025“, urteilt Kepler-analyst David Evans.
Frau Lagarde wird auch 2021 geldpolitischen Beistand leisten. Thomas Gitzel
Chefanalyst Vp-bank