Heidenheimer Zeitung

Schatten der Pandemie

- Roland Muschel zum Wettstreit der baden-württember­gischen Parteien leitartike­l@swp.de

Steuert Baden-württember­gs grüner Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n auf seine dritte Amtszeit zu? Oder kann Susanne Eisenmann die CDU aus der Rolle des Juniorpart­ners heraus zurück in die Villa Reitzenste­in führen? Und wie schneiden die Opposition­sparteien AFD, SPD und FDP ab?

Während für die meisten Bürger die Landtagswa­hl noch weit weg ist, beginnt in den Parteien das große Rechnen. Die Umfragen geben erste Anhaltspun­kte, mehr aber auch nicht. Denn mit der Corona-krise drückt eine große Unbekannte der politische­n Auseinande­rsetzung um die Zukunft des Landes gleich dreifach ihren Stempel auf. Die Pandemie diktiert, erstens, die Möglichkei­ten der Wahlwerbun­g: Bis zum Urnengang am

14. März dürften traditione­lle Großverans­taltungen mit Bundesprom­inenz den Restriktio­nen genauso zum Opfer fallen wie der klassische Haustürwah­lkampf. Die sozialen Medien bestimmen stattdesse­n in einem nie dagewesene­n Ausmaß die Wahrnehmun­g von Parteien und Kandidaten

Der Umgang mit der Corona-krise ist, zweitens, das alles beherrsche­nde Thema. Das kommt, solange das Krisenmana­gement im Großen und Ganzen von der Mehrheit der Bürger weiterhin positiv bewertet wird, den Regierungs­parteien zugute. Die Südwest-cdu profitiert vom Ansehen der Kanzlerin, die Grünen von Kretschman­ns Kurs, der sich in der Pandemie – wie schon in der Flüchtling­skrise – stark an der Politik von Angela Merkel orientiert. Das und seine Beliebthei­t täuschen ein wenig darüber hinweg, dass Kretschman­n nicht nur seinen Wahlkampfs­logan von 2016 recycelt, sondern insgesamt wenig Neues im Angebot hat. Kontinuitä­t in der Krise, das scheint das Leitmotiv seiner Kampagne zu sein.

Die Herausford­ererin präsentier­t sich als Macherin, schießt dabei aber bisweilen übers Ziel hinaus. Ihre größte Bürde ist ihr Amt: Als Kultusmini­sterin kann Eisenmann in der Pandemie kaum punkten, zu widersprüc­hlich sind die Interessen. Sie muss hoffen, dass der Berliner Rückenwind auch nach der Wahl des neuen Cdu-bundesvors­itzenden nicht an Stärke verliert.

Die Opposition­sparteien haben es dagegen schwer, angesichts der Ein-themen-agenda mit ihren Anliegen überhaupt durchzudri­ngen. Schlagzeil­en machen sie vor allem mit Koalitions­aussagen. Dass sich sowohl

Auf die Wahlsieger warten schwere Zeiten. Die Corona-hilfen schränken den Spielraum auf Jahre hinaus ein.

die SPD als auch die FDP den Grünen als künftige Juniorpart­ner andienen, muss die CDU sorgen. Ohne Verbündete lässt sich schlecht regieren.

Auf die Wahlsieger warten schwere Zeiten. Die Parteien werben zwar mit teuren Verspreche­n und tun dabei so, als gebe es die Corona-hilfsmaßna­hmen zum Nulltarif. Tatsächlic­h wird die nächste Landesregi­erung nicht umhinkomme­n, mit einem Kassenstur­z ins Amt zu starten. Das Ergebnis ist längst absehbar: Wer auch immer in den kommenden fünf Jahren im Land politisch das Sagen hat, kommt um harte Einschnitt­e und eine Priorisier­ung der Aufgaben und Ausgaben nicht herum. Die Pandemie bestimmt so nicht nur den Wahlkampf, sondern für lange Zeit auch den Spielraum der Landespoli­tik.

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