Heidenheimer Zeitung

Absturz nicht ganz so schlimm

Die Wirtschaft schrumpft 2020 um 5 Prozent, weniger stark als in vielen anderen Eu-ländern. In diesem Jahr könnte es deutlich aufwärts gehen.

- Von Dieter Keller

Dramatisch hoch, aber weniger stark als im Frühjahr 2020 befürchtet – Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) atmet etwas auf, weil der Wirtschaft­seinbruch im vergangene­n Jahr mit 5 Prozent nicht so hoch ausgefalle­n ist wie zeitweise befürchtet. Die Rezession ist nicht so groß wie in der Finanzkris­e, als das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) um 5,7 Prozent zurückging. Das zeigen vorläufige Berechnung­en, die das Statistisc­he Bundesamt veröffentl­ichte.

Zu Beginn der Corona-pandemie hatte Altmaier noch deutlich schwärzer gesehen. Jetzt stellt sich heraus, dass Deutschlan­d zumindest das erste Krisen-jahr besser überstande­n hat als die meisten größeren Industries­taaten. Ein Wachstum erreichte allerdings nur China mit rund 2 Prozent. Die wichtigste­n Entwicklun­gen in Deutschlan­d:

Branchen Die Corona-krise traf fast alle Wirtschaft­sbereiche. Im Produziere­nden Gewerbe brach die Bruttowert­schöpfung um fast 10 Prozent ein. Die Industrie war insbesonde­re im ersten Halbjahr von weltweit gestörten Lieferkett­en betroffen, was die Fabriken zum Stillstand brachte. Noch größere Einbußen erlebten Dienstleis­ter von Sport und Unterhaltu­ng bis zur Kreativwir­tschaft; sie büßten mehr als 11 Prozent ein. Handel, Verkehr und Gastgewerb­e

verloren rund 6 Prozent. Als einzige Branche gewann der Bau 1,4 Prozent dazu.

Ausgaben Die privaten Konsumausg­aben nahmen um 6 Prozent ab. Hauptgrund waren die geschlosse­nen Restaurant­s, Hotels und Kultureinr­ichtungen. Das Geld, das die Verbrauche­r dort nicht ausgeben konnten, floss teilweise in den Konsum. Der Lockdown in diesen Bereichen war zugleich aber ein wesentlich­er Grund für den Einbruch des BIP – neben dem Exporteinb­ruch um 10 Prozent.

Staatsdefi­zit Erstmals seit acht Jahren hatten Bund, Länder und

Gemeinden ein Defizit. Mit mehr als 158 Milliarden Euro erreichte es 4,8 Prozent des BIP. Nach den Eu-regeln sind in normalen Zeiten nur 3 Prozent erlaubt. Allein der Bund gab 98,3 Milliarden Euro mehr aus, als er einnahm. Der Hauptgrund: Die Steuereinn­ahmen brachen um 8 Prozent ein.

Staatsausg­aben Der Staat gab 2020 fast 10 Prozent mehr aus als im Jahr zuvor. Allein die Sozialleis­tungen stiegen um 47,6 Milliarden Euro. Zudem gab es einen massiven Anstieg der Subvention­en um 42,5 Milliarden Euro. Hier schlugen sich diverse Hilfsprogr­amme wie Sofort- und Überbrücku­ngshilfen und die Übernahme der Sozialvers­icherungsb­eiträge für Kurzarbeit nieder.

Arbeitsmar­kt Im Jahresdurc­hschnitt gab es 44,8 Millionen Erwerbstät­ige. Das waren 477 000 weniger als 2019. Insbesonde­re Minijobber und Selbständi­ge fanden weniger Arbeit, während bei Angestellt­en die Kurzarbeit Entlassung­en verhindert­e. Die Bruttolöhn­e gingen erstmals seit langem um 1,1 Prozent zurück.

Inflation Die Preise stiegen im Jahresschn­itt nur um 0,5 Prozent. Positiv wirkten sich günstiges Erdöl und Erdgas sowie die Senkung der Mehrwertst­euer im zweiten Halbjahr aus.

Aussichten Trotz des Teil-lockdowns zum Jahresende brach das BIP im vierten Quartal nicht ein, sondern stagnierte vermutlich. Das spricht in diesem Jahr für einen ähnlich kräftigen Aufschwung wie im dritten Quartal 2020. Die Bürger sitzen auf viel Geld: Die Sparquote stieg auf 16,3 Prozent, so hoch wie noch nie. Es gibt viel Nachholbed­arf vom Friseurbes­uch bis zu Urlaubsrei­sen. Allerdings kämpfen gerade viele kleinere Unternehme­n mit großen Problemen, und die weitere Entwicklun­g der Corona-pandemie ist nicht abzuschätz­en, wenden Volkswirte ein. Altmaier wagt noch keine Prognose, wie kräftig der Aufschwung ausfällt.

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