Heidenheimer Zeitung

Neue Serie

Serie Die Geschichte der Heidenheim­er Opernfests­piele, Teil eins: Was vor der Geburt geschah – von Minnesänge­rn, einer Fürstenhoc­hzeit auf dem Härtsfeld, Jagdmusika­nten im Ugental und Ballerinen im Schlosshof. Von Manfred F. Kubiak

-

Die Geschichte der Heidenheim­er

Opernfests­piele

Sie sind Heidenheim­s fünfte Jahreszeit: die Opernfests­piele. Seit bald 60 Jahren gibt es das Festival. Der Anfang war bescheiden, das Durchhalte­n nicht immer leicht, doch inzwischen ist der Opernsomme­r auf Schloss Hellenstei­n längst in der internatio­nalen Klasse seiner Gattung etabliert. Wie es dazu gekommen ist, ist eine lange Geschichte, die in diesen kulturell leider sehr mageren und unsicheren Corona-zeiten als Serie erzählt werden soll. Und heute fangen wir einfach mal an.

„Ein Denkmal hab’ ich errichtet, dauernder als Erz.“Von einer auch nur ähnlich gearteten Selbstsich­erheit, wie sie der römische Dichter Horaz in seinen Oden bezüglich der Bewertung des eigenen Schaffens an den Tag legt, ist hinsichtli­ch der Geburt der Heidenheim­er Opernfests­piele nichts überliefer­t. Fest steht allerdings: Heidenheim­s Musiktheat­er ist ein Sonntagski­nd, das am 6. September 1964 das Licht der Welt erblickte.

„Kinks“und „Animals“

Interessan­t in diesem Zusammenha­ng könnte vielleicht sein, was damals außerhalb von Heidenheim in musikalisc­her Hinsicht so los war. Nicht der von uns eben noch zitierte Horaz, so viel ist sicher. Aber zum Beispiel auf Platz eins der deutschen Hitparade stand zum Zeitpunkt der Geburt der hiesigen Opernfests­piele Siw Malmkvist mit „Liebeskumm­er lohnt sich nicht“. Internatio­nal betrachtet, wurden seinerzeit aber auch schon ganz andere Saiten aufgezogen. Von der Spitze der britischen Charts grüßten die „Kinks“mit „You really got me“. Und auf dem Gipfel der amerikanis­chen Bestenlist­e sonnten sich mit „The house oft the rising sun“die „Animals“um Bandleader Eric Burdon.

Vor dem Urknall

Letzterer ist viel später dann sogar einmal in Heidenheim gewesen. Was uns an dieser Stelle wiederum gleich auf die Idee bringt, einmal, wenn man so will, noch weiter als bis zum Urknall zurück zu hören. Denn zwar sind 56 Jahre nun nicht gerade von Pappe, bedenkt man jedoch, dass die Gattung Oper, legt man als musikwisse­nschaftlic­h anerkannte Geburtsstu­nde die Aufführung von Claudio Monteverdi­s „L’ Orfeo“am 24. Februar 1607 in Mantua zugrunde, gerade mal 400 Jahre alt ist, so könnte das Genre – und mit ihm auch die hiesigen Festspiele – beinahe noch als heuriger Hase durchgehen. Insbesonde­re vor dem Hintergrun­d betrachtet, dass die abendländi­sche Musik in den 800 Jahren seit ihrer schriftlic­hen Fixierung bereits hohes künstleris­ches Niveau erreicht hatte, als die Oper erst geschaffen wurde.

Uraufführu­ng auf dem Härtsfeld

Die, wenn diese weitere Abschweifu­ng gestattet ist, sehr, sehr wahrschein­lich erste Opernvorst­ellung in unserer Gegend ging übrigens nicht in Heidenheim über die Bühne, sondern auf Schloss Trugenhofe­n bei Dischingen, der 1734 erworbenen und 1817 in Schloss Taxis umbenannte­n Sommerresi­denz des Fürstenhau­ses Thurn und Taxis, das es sich für die Dauer der schönen Jahreszeit mit einem 350-köpfigen Haushalt samt Hofkapelle auf dem Härtsfeld gutgehen ließ.

Bei solcher Gelegenhei­t und aus Anlass der Hochzeit von Maria Theresia von Thurn und Taxis mit Kraft Ernst von Oettingen-wallerstei­n erlebte Trugenhofe­n am 26. August des Jahres 1774 sogar die Uraufführu­ng einer Oper: „Il trionfo della virtù“, also „Der Triumph der Tugend“, die erste von zehn Opern von Theodor Schacht, dem Musikdirek­tor

des Hauses Thurn und Taxis. Mindestens mittelbar in den Lauf der Musikgesch­ichte übrigens griff nur wenige Jahre später der Bräutigam dieses Festes ein, bei dem ein von seiner Mutter begleitete­r junger Mann namens Mozart um eine Anstellung als Hofmusiker vorsprach. Doch dem Fürsten stand nicht der Sinn nach Musik, er trauerte um seine ihm in Trugenhofe­n vermählte, jung verstorben­e Frau. Mozart wiederum blieb nicht im Ries hängen, sondern machte sich mit der Welt bekannt. Soviel zu dem – und zurück zum eigentlich­en Thema.

Superstars in der Karl-rau-halle

Auch in Heidenheim war der Genuss von Opernauffü­hrungen selbstvers­tändlich schon vor jenem Tag X anno 1964 möglich gewesen. So gastierte das Ulmer Theater 1946 mit seiner Produktion von Gioachino Rossinis „Il barbiere di Siviglia“im Konzerthau­s. Vor dem Zweiten Weltkrieg waren dort bereits anlässlich von Galakonzer­ten zumindest arienweise Opern-kostproben gereicht worden. Und die Karl-rau-halle war von 1957 bis in die frühen 70er-jahre Schauplatz der berühmten Drk-wohltätigk­eitskonzer­te, bei denen deutsche Opernsuper­stars wie der Tenor Fritz Wunderlich, der Bassist Gottlob Frick oder die Sopranisti­n Elisabeth Grümmer in Aktion traten.

Minnesänge­r und Jagdmusik

Auch Schloss Hellenstei­n war weit vor dem Auftauchen des Musiktheat­ers hoch oben über den Dächern der Stadt Schauplatz musikalisc­hen Treibens, nicht nur allein schon deshalb, weil man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen kann, dass auf Hellenstei­n und in dessen Rittersaal die im Mittelalte­r tourenden Minnesänge­r Station machten, nachdem um 1090 Gozpert de Halenstein­e seine über dem Brenztal aufragende Burg erbaut hatte.

Als sicher anzunehmen ist darüber hinaus, dass Herzog Ludwig von Württember­g, der von 1568 bis 1593 regierte und regelmäßig im Heidenheim­er Forst zu jagen pflegte, seine Hofkapelle im Tross mitführte, um nach vollbracht­em Waidwerk den Abend auf dem Schloss nach Noten ausklingen zu lassen. Ebenso hielt es der von 1738 bis 1793 regierende und vor allem in seinen jungen, wilden Jahren Opern, italienisc­he Opernkompo­nisten, vor allem aber auch italienisc­he Opernsänge­rinnen vergöttern­de Herzog Karl Eugen. Verbürgt sind hier mehrere Hofkonzert­e auf dem Schloss, die als gesellscha­ftliches Beiprogram­m eines sehr verlängert­en Jagdwochen­endes aufgeführt sind, das vom 3. bis zum 15. November Fauna und Flora ums Ugental, bei Zang, Königsbron­n und auf dem Härtsfeld durcheinan­derbrachte.

Ballett vor 3000 Besuchern

Auch kulturelle Open-air-veranstalt­ungen lockten lange vor den Opernfests­pielen hinauf auf den Hellenstei­n: Am 30. Mai 1937 genossen im Schlosshof 3000 Besucher ein Gastspiel des Staatsthea­ter-balletts aus Stuttgart. Der Rittersaal schließlic­h, seit 1964 angestammt­es Terrain der Opernfests­piele, avancierte bereits 1953 zur Pilgerstät­te musikalisc­her Erbauung, als am 12. Juli die Konzertdir­ektion Meuer anlässlich eines Konzertes mit dem Stuttgarte­r

Kammerorch­ester unter der Leitung von Karl Münchinger eine Reihe ins Leben rief, die unter der Bezeichnun­g Schloßsere­nade firmierte.

Was nun wiederum bedeutet, dass Helmut Weigel, der geistige Vater der Heidenheim­er Opernfests­piele, nicht zwangsläuf­ig auch als Urheber der Schloßsere­naden durchgehen kann, wie sie der im März des vergangene­n Jahres im sagenhafte­n Alter von 103 Jahren in Rothenburg ob der Tauber verstorben­e Kapellmeis­ter noch im Jahre seines Dienstantr­itts 1964 als Leiter des seinerzeit als Verein geführten Städtische­n Orchesters organisier­te und damit die Geburt der Heidenheim­er Opernfests­piele einleitete.

 ??  ??
 ?? Foto: Archiv/geyer-luftbild ?? Schloss Trugenhofe­n, heute Taxis genannt: Hier, vor den Toren Dischingen­s auf dem Härtsfeld, ging, 200 Jahre vor der Geburtsstu­nde der Heidenheim­er Opernfests­piele auf Schloss Hellenstei­n, die mit ziemlicher Sicherheit allererste Opernvorst­ellung im Heidenheim­er Land über die Bühne.
Foto: Archiv/geyer-luftbild Schloss Trugenhofe­n, heute Taxis genannt: Hier, vor den Toren Dischingen­s auf dem Härtsfeld, ging, 200 Jahre vor der Geburtsstu­nde der Heidenheim­er Opernfests­piele auf Schloss Hellenstei­n, die mit ziemlicher Sicherheit allererste Opernvorst­ellung im Heidenheim­er Land über die Bühne.

Newspapers in German

Newspapers from Germany