Hitzlspergers Entschuldigung
Der Vorstandschef bedauert seine Attacken gegenüber Präsident Claus Vogt, bleibt aber bei seiner Kritik.
Pünktlich um 15 Uhr hat Thomas Hitzlsperger am Freitag seinen Gang nach Canossa angetreten. Jenen Bitt- und Bußgang, den zwischen Dezember 1076 und Januar 1077 der römisch-deutsche König Heinrich IV. absolvierte, als er vor Papst Gregor VII. Reue zeigte, um seine Macht zu sichern. Was letztlich gelang. Ob der Vorstandsvorsitzende des VFB Stuttgart mit seiner Erklärung nun auf halbem Wege stecken geblieben ist oder ob die Entschuldigung zum Ziel führt, den VFB im Führungsstreit zu befrieden, bleibt abzuwarten.
Hitzlsperger hat jedenfalls Claus Vogt gegenüber sein Bedauern erklärt. Öffentlich, so wie es der Vereinspräsident hinter verschlossenen Türen gefordert hatte. Schließlich hatte der Ex-nationalspieler Vogt öffentlich attackiert. „Es tut mir aufrichtig leid, dass ich in meinem offenen Brief gegenüber Claus Vogt Worte gewählt habe, die nicht angemessen waren und ihn persönlich getroffen haben“, schreibt Hitzlsperger auf den Vereinskanälen.
Mehr als zwei Wochen hat es gedauert, ehe Hitzlsperger diesen Schritt vollzogen hat. Eine lange Zeit, wenn man bedenkt, dass das Echo auf sein Bestreben, jetzt auch Präsident werden zu wollen, bei weiten Teilen der Mitglieder des Fußball-bundesligisten unmittelbar missbilligend ausfiel. Vor allem die Art und Weise, wie Hitzlsperger vorging und in welcher Schärfe er Vogt angriff, wurde kritisiert. In Hitzlspergers knapper Stellungnahme heißt es weiter: „Dabei habe ich unterschätzt, welche Wucht dieser offene Brief besitzt und wie stark ich Claus Vogt damit persönlich angehe. Es liegt mir fern, ihn als Person zu verletzen. Ich habe mich im Ton vergriffen.“
Von seiner inhaltlichen Kritik rückt Hitzlsperger nicht ab. Auch äußert er kein Wort zu seiner Kandidatur. Vonseiten des Vorstandsvorsitzenden scheint es nicht mehr vorstellbar, dass er und Vogt in den nächsten Jahren zusammenarbeiten. Weshalb der Verein im Dilemma steckt. Das liegt auch daran, dass monatelange Spannungen den Boss der VFB AG zu seinem Angriff getrieben haben. Vogt ist ja auch Aufsichtsratschef, die Gremienarbeit soll nicht zu seinen Stärken zählen. In der letzten Zusammenkunft des Kontrollgremiums am Montagabend hatte Hitzlsperger bereits angekündigt, sich entschuldigen zu wollen. Persönlich soll er zudem auf Vogt zugegangen sein doch das genügte dem Unternehmer, der ehrenamtlich beim VFB tätig ist, nicht.
Nun muss weiter geklärt werden, wer am 18. März auf der Mitgliederversammlung für vier Jahre zum Präsidenten gewählt wird. Drei Bewerber gibt es: Vogt als Amtsinhaber, Hitzlsperger als Herausforderer und den Unternehmer Volker Zeh als Außenseiter. Mit allen dreien hat der Vereinsbeirat Gespräche geführt, um sich möglichst für zwei Kandidaten zu entscheiden, die zur Wahl gestellt werden.
Angeblich soll niemand Hitzlsperger zu einer Entschuldigung gedrängt haben. Sie kommt aus freien Stücken, dient aber auch dazu, dem Vereinsbeirat eine Brücke zu bauen. Über diese können die acht Mitglieder mit Wolf-dietrich Erhard an der Spitze gehen, um Hitzlsperger überhaupt zu nominieren. Denn die von den Vereinsmitgliedern gewählten Königsmacher gelten in Sachen Vogt/hitzlsperger als gespalten.
Der Machtkampf wirft weiter viele Fragen auf, die stellvertretend für eine große Gruppe der Mitglieder Susanne Schosser, Martin Bizer und Christian Riethmüller in einem Brief an die Vfb-gremien gestellt haben. Im Herbst 2019 waren die drei noch Rivalen um den Präsidentenposten beim VFB gewesen, seit Kurzem
bilden sie aus „Sorge um die Zukunft unseres Herzensvereins“eine Allianz und fordern rasche Aufklärung durch die Führungskräfte. Es sei „nicht unser Ziel, für eine der beiden Fraktionen Partei zu ergreifen“, schreibt das Trio, „es muss aber unser Ziel sein, die Vorgänge zu hinterfragen und in ihrer Wirkung auf den Verein zu analysieren. Was genau ist passiert in den letzten Tagen und Wochen?“Auf Antworten warten Schosser, Bizer und Riethmüller wie viele andere Mitglieder des VFB Stuttgart noch.