Roman Fabio Andina: Tage mit Felice (Folge 81)
Mag sein, aber trotzdem, die Hengste, wenn die scharf sind und keine Stute finden, sagt Pep und lässt den Satz in der Luft hängen.
Dann machen sies wie der Marietto, ergänzt Kevin, worauf wir grinsen und Marietto mit seinem Tranfunzelgesicht wegsieht, als hätte er etwas Interessantes entdeckt, das vorher nicht da war.
Ach was, Quatsch. Das hier hat sich was geholt und basta, zischt Emilio zwischen den Zähnen hervor.
Ja, aber was hat es denn, das Muli, dass es herumrennt wie besessen und den Bobi durch die Luft geschleudert hat, dass er mir fast krepiert ist, mischt sich die Lehrerin Sabina ein. Es wird sich doch nicht den Rinderwahnsinn geholt haben, oder?
Quatsch, Rinderwahnsinn, ist doch ein Maultier, Sabina. Ja, aber vielleicht… Nix vielleicht, hör auf. Also mir ists passiert, dass mein Hund eines schönen Tages verrückt geworden ist wie dieses Muli, und da hab ich den Brenno gerufen und Friede und amen, sagt Celso.
Moment, Moment. Wo ist denn das Muli jetzt?, fragt Felice.
Also, antwortet Natalina, zuerst war es hinten in meinem Garten und hat mir fast den ganzen Wirsing gefressen, dann kam die Beta und hat es angebellt und beinahe auch einen Tritt abbekommen wie der Bobi.
Und dann ist der Brenno gekommen, fährt Richetto fort, und hat einen Schuss in die Luft abgefeuert, sodass es weggelaufen ist, da runter hinter die
Kirche.
Alle Köpfe drehen sich zur Kirche um, und in dem Augenblick taucht der Mann auf, der die Wilderei zu seiner Religion gemacht hat und immer mit umgehängtem Gewehr herumläuft. Eine endlose Abfolge von Flüchen ausstoßend, bahnt sich Brenno mit seinem Mauser einen Weg durch die Schar und baut sich vor Vittorina auf, die ihm gerade mal bis eine Handbreit über dem Bauchnabel reicht. Verdammt noch mal, Vittorina, jetzt werd ich aber auf diesen verfluchten Bastard schießen. Vittorina, ich knall es ab, dieses Muli, weil anders halten wir es nicht mehr auf.
Vittorina bekreuzigt sich und steht dann da wie ein ausgestopfter Buchfink.
Ach komm, Wilderer, das arme Tier, meldet sich die Wirtin Candida zu Wort. Darauf schießen, ist doch nur ein Muli …
Brenno zieht heftig an seiner Zigarette und kommt nicht mehr zu einer Erwiderung, weil plötzlich ein markerschütterndes Wiehern erschallt und das Muli bedrohlich hinter der Friedhofsmauer hervorprescht und wiehernd auf uns zugaloppiert, dabei mit seinen harten Hufen ausschlägt, die auf dem Pflaster der Piazza klappern, gefolgt von den Kindern, die Stöcke schwenken und aus voller Kehle unanständige Wörter schreien. Die erschrockene Versammlung stiebt auseinander, um das Tier durchzulassen, das wild geworden ist wie ein verwundeter Hirsch. Nur
Brenno bleibt breitbeinig stehen, unerschütterlich und kaltblütig, entsichert ohne Zögern mit seinem Wildererinstinkt das Gewehr und zielt. Vittorina und Natalina schreien auf, doch Felice streckt den Arm aus und drückt den Gewehrlauf in letzter Sekunde herunter. Ein Schuss löst sich, der aber vom Pflaster abprallt und einen Müllcontainer rechts von dem Maultier trifft.
Der Knall und das Dröhnen des wie ein Gong widerhallenden Containers bringen das Tier abrupt zum Stehen, es stemmt die Beine in den Boden, als wäre es von einem Zauber gebannt. Die Hinterläufe gespreizt und zitternd, die Nüstern vor Schreck gebläht und mit dem Blick eines geprügelten Heiligen. Sosto geht langsam auf es zu, wirft ihm eine Schlinge um den Hals und spricht dann beruhigend auf es ein, streichelt seinen langen Hals.
Nun, da das Muli bei ihm in sicheren Händen ist, atmen wir alle auf und gratulieren uns gegenseitig zu dem guten Ausgang dieses Abenteuers, das böse hätte enden können. Schulterklopfen und Händeschütteln.
Das ganze Dorf geleitet das Maultier zu seinem Pferch, wie die Prozession, wenn die Garde die Statue des heiligen Johannes des Täufers herumträgt.
Dort, wo die Straße ansteigt, verabschiedet sich Paolina, die nach Hause will, um ihren Rücken auszuruhen, wie sie sagt, und geht mit ihrem Entengang davon, begleitet von Nonna Gelsomina.
Fortsetzung folgt
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