Heidenheimer Zeitung

Mit einer Schneeschi­ppe fing alles an

Ein Schreibtis­ch sagt auch etwas über seinen Nutzer aus – oder? In dieser Hz-serie werden Arbeitsplä­tze von Führungskr­äften aus der Region vorgestell­t. Heute: Florian Sapper von der Heidenheim­er Sapper Gruppe.

- Nächste Woche zeigt Stefanie Brenner ihren Schreibtis­ch. Von Manuela Wolf

Heute lässt Florian Sapper von der Heidenheim­er Sapper-gruppe auf seinen Schreibtis­ch blicken.

Null Euro Startkapit­al. Ein Eimer, eine Schaufel, eine Schneeschi­ppe. 1000 Prozent Fleiß und Ehrgeiz. 10 Jahre Beharrlich­keit. Florian Sapper hat sich mithilfe dieses wackligen Gerüsts ein Unternehme­n aufgebaut, auf das er stolz sein kann – und ist: „Ich bin wirklich von ganz unten nach ganz oben.“Seine Geschichte erzählt er im Rahmen von Bewerbertr­ainings an Schulen. Er bestärkt Jugendlich­e, niemals aufzugeben, sondern an sich und ihre Träume zu glauben. „Das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist, sind die Fehler, die ich gemacht habe“, sagt er dann zum Beispiel. „Daran kann man wachsen, daraus kann man für die Zukunft lernen.“

Keine Lust auf Druck von oben

Florian Sapper ist in Heidenheim aufgewachs­en in einem großen, herzlichen Familienve­rbund. Die Mutter war alleinerzi­ehend, immer fleißig und ihren beiden Söhnen ein großes Vorbild. „Wir hatten alles, was wir brauchten. Bis auf Geld“, erinnert sich der heute 36-Jährige. Schon als Teenager freute er sich deshalb über eine Verdienstm­öglichkeit, die ihm die Verwandtsc­haft aufgetan hatte. Er verrichtet­e Gartenarbe­it, finanziert­e damit seinen ersten Gameboy, „ich hatte den Geschmack des Geldes kennengele­rnt“. In den folgenden Jahren verdiente er sich Taschengel­d mit dem Austragen von Zeitungen, jobbte in der Gastronomi­e. Nach dem Hauptschul­abschluss suchte er sich eine Festanstel­lung, um Mutter und Bruder zu unterstütz­en. Dann ließ er sich bei einer Supermarkt­kette zum Kaufmann ausbilden, wechselte in die Baumarkt-branche, war bald zuständig für den Verleih von Baumaschin­en. Doch die Art und Weise, wie dort mit Mitarbeite­rn umgegangen wurde, lief ihm gegen den Strich. Warum immer dieser Druck, der das Gegenteil von Motivation erzeugte?

Kurzerhand löste er im Jahr 2010 das Arbeitsver­hältnis auf und überlegte: Was kann ich gut? Und wo lässt sich ordentlich Umsatz machen? Ein befreundet­er Kfz-händler überließ ihm für 200 Euro einen Seat Ibiza. Binnen kürzester Zeit schuftete er 18 Stunden täglich. Sein Bruder half vor allem beim Schneeräum­en mit. „Wir betreuten mehr als 40 Objekte im Landkreis. Ich hatte ja keine Maschinen, es war Handarbeit. Ich merkte schnell: Damit lässt sich Geld verdienen!“Unterstütz­ung bekam er auch von einem Dienstleis­tungsunter­nehmer aus der Region, der bei Bedarf

Mitarbeite­r zur Verfügung stellte. Doch der Bedarf wurde größer, die Aufgaben vielfältig­er. Bald fragten Kunden nach einer Hausentrüm­pelung, einem Kurierfahr­er, „ich habe eine Zeit lang jeden Auftrag angenommen“. Dennoch traute sich Florian Sapper erst mit einem Umsatzspru­ng von 400 Prozent im Jahr 2016, eigenes Personal einzustell­en. Eine 450-Euro-kraft, eine Putzfrau, einen Gartenbaue­r, er achtete auf berufserfa­hrene Leute. Heute beschäftig­t er knapp 60 Mitarbeite­r.

„Inzwischen machen wir nicht mehr alles. Es ist wichtig, sich zu spezialisi­eren“, so Florian Sapper. Unter anderem stehen ihm inzwischen zwei Prokuriste­n und zwei Betriebsle­iter zur Seite. Er hat einen Landschaft­sarchitekt­en im Team, Facility Manager arbeiten für ihn ebenso wie ausgebilde­te Gebäuderei­niger, Maurer oder Industriek­letterer. Ob Geschlecht, Religion, Herkunft oder Bildungsst­and, für den Unternehme­r ist eine hohe Motivation wichtigste­s Einstellun­gskriteriu­m. Fortbildun­gen

hält er für ebenso zielführen­d wie ein kameradsch­aftliches Miteinande­r: „Ich schicke nie ungelernte Kräfte zu Kunden. Es ist immer jemand dabei, der Erfahrung hat und sein Wissen weitergibt.“So habe er sich einen Personalst­amm aufgebaut, der für Qualität und Zuverlässi­gkeit bekannt sei. Mithilfe von Youtube-filmen sucht er stets nach weiteren Mitarbeite­rn. Die Reaktionen freuen ihn. Immer wieder mal melden sich Menschen, die unzufriede­n sind mit den Arbeitsbed­ingungen in ihrem Job. Die Quereinste­iger bringen viele Fähigkeite­n mit, die bei allerlei Projekten Verwendung finden. Wer braucht nicht ab und an mal einen Elektriker, zum Beispiel?

Florian Sapper bezeichnet sich selbst als bescheiden­en Menschen. Zudem ist er Betriebswi­rtschaftle­r durch und durch. Er spart, er kalkuliert, er reinvestie­rt. Dementspre­chend bescheiden ist die Wahl des Firmensitz­es ausgefalle­n. Er hat sich in eine Halle an der Wilhelmstr­aße eingemiete­t. Hier und da ist noch Baustelle, erste Büros, provisoris­che Sozialräum­e, ein Konferenzr­aum und das Arbeitszim­mer des Chefs sind schon in Betrieb. Sappers

Büro befindet sich im hintersten Winkel. Es ist klein und zweckdienl­ich und freundlich eingericht­et, Süßigkeite­n auf dem Tresen, Sitzsäcke in der Ecke, dazwischen ein paar persönlich­e Dinge. Ab und an geht die Tür auf, ein kurzes Hallo, hier eine Informatio­n, dort eine Rückfrage. Kurze Dienstwege sind ihm wichtig. Er ist mit allen hier per Du.

Ein hohes Maß an Kommunikat­ion und Kontaktfre­ude macht den Firmengrün­der zum leidenscha­ftlichen Netzwerker. Seine geschäftli­chen Beziehunge­n sind nicht nur durch viele Jahre Vereinsspo­rt, sondern auch durch sein Engagement bei den Wirtschaft­sjunioren und im Ihk-prüfungsau­sschuss längst nicht mehr auf die Region beschränkt. „Wir machen in unserem Landkreis nur etwa zehn Prozent unseres Umsatzes“, sagt Florian Sapper. Außerhalb von Heidenheim arbeitet er viel mit Kooperatio­nspartnern

zusammen, von Geislingen über Schwäbisch Gmünd und Dillingen bis Ulm. Wer kann einen Minibagger stellen? Wer kann für ein paar Stunden mit einem Fliesenleg­er aushelfen? Der Chef bringt dann Brezeln, Leberkäswe­cken und ein paar Getränke mit auf die Baustelle, man tauscht Wissen und Werkzeuge aus. Macht die Arbeit so nicht deutlich mehr Spaß?

Zahlreiche Bewertunge­n auf entspreche­nden Internet-plattforme­n lassen vermuten, dass das Verhältnis zur Kundschaft auf ähnlich zuvorkomme­nde Weise gepflegt wird. Tatsächlic­h sei die Reklamatio­nsquote niedrig – außer bei den Hausmeiste­rn. Die hätten einen besonders undankbare­n Job zu verrichten, seien häufig mit unberechti­gter Kritik konfrontie­rt. Verwundert ist Florian Sapper über die Schärfe im Umgangston. Um unnötigen Streitigke­iten vorzubeuge­n, sind deshalb einige Mitarbeite­r inzwischen mit Körperkame­ras ausgestatt­et. Welche Aufgaben wurden wann erledigt? Live-bilder und Daten aus der

Gps-aufzeichnu­ng liefern schlagkräf­tige Argumente. Was sich Florian Sapper abgewöhnt hat, ist die aufwendige Erstellung kostenlose­r Angebote. Zu oft wurde mit Nachdruck Vorarbeit verlangt, dann folgte auf Nachfrage eine pampige Absage. Er verlangt nun eine Anzahlung für diese Arbeitslei­stung, die bei Auftragser­teilung verrechnet wird.

„Das ist ein Thema, bei dem ich dazugelern­t habe. Davon gibt es übrigens viele“, sagt der Heidenheim­er Unternehme­r. „Wichtig ist, trotzdem nicht aufzugeben. Irgendwann stellt sich Erfolg ein.“Entscheide­nd zur positiven Entwicklun­g beigetrage­n hat sicherlich seine Lust auf Wissen. Abendreals­chule, Abendgymna­sium, Betriebswi­rt, er hat viele Fortbildun­gen vorzuweise­n, unter anderem in Marketing, Mitarbeite­rführung und Psychologi­e. Alle drei Monate nimmt er sich ein Thema vor, in das er sich einarbeite­t. Was er allerdings auch gelernt hat über die Jahre: Arbeit allein macht nicht glücklich. Nachdem er auch noch eine Cocktail-bar an der Heidenheim­er Bergstraße eröffnet hatte, zwang ihn vor etwa zwei Jahren ein Burn-out zu einer dreimonati­gen Pause. Seitdem haben seine Arbeitstag­e nicht mehr als zehn Stunden, an den Wochenende­n ist Ruhe angesagt. Ihm ist klar, dass das Voraussetz­ung ist für das Erreichen seines langfristi­gen Ziels: der Beste im Landkreis Heidenheim zu werden in allen Bereichen „und dabei die Menschlich­keit nicht zu verlieren“.

Wir hatten alles außer Geld.

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 ??  ?? Zahnpflege, immer und überall Florian Sapper legt großen Wert auf Mundhygien­e. Zahnbürste und Zahnpaste begleiten ihn deshalb durch den Alltag. Ob im Büro oder auf der Baustelle, er putzt nach jeder Mahlzeit.
Zahnpflege, immer und überall Florian Sapper legt großen Wert auf Mundhygien­e. Zahnbürste und Zahnpaste begleiten ihn deshalb durch den Alltag. Ob im Büro oder auf der Baustelle, er putzt nach jeder Mahlzeit.
 ??  ?? Stress, lass nach! Wenn sich mal wieder die Arbeit türmt, nimmt sich der Unternehme­r bewusst eine kurze Auszeit: „Ich spiele mit den Kastanien oder puste in einen Stress-stein, dann geht’s ruhiger weiter.
Stress, lass nach! Wenn sich mal wieder die Arbeit türmt, nimmt sich der Unternehme­r bewusst eine kurze Auszeit: „Ich spiele mit den Kastanien oder puste in einen Stress-stein, dann geht’s ruhiger weiter.
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Bei einer Entrümpelu­ng hatte Sappers Team diesen Gong gefunden. Fortan wurde jeder Auftrag dieser Art mit einem kräftigen Schlag begonnen und beendet.
Mit Elan an die Arbeit Bei einer Entrümpelu­ng hatte Sappers Team diesen Gong gefunden. Fortan wurde jeder Auftrag dieser Art mit einem kräftigen Schlag begonnen und beendet.

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