Mit einer Schneeschippe fing alles an
Ein Schreibtisch sagt auch etwas über seinen Nutzer aus – oder? In dieser Hz-serie werden Arbeitsplätze von Führungskräften aus der Region vorgestellt. Heute: Florian Sapper von der Heidenheimer Sapper Gruppe.
Heute lässt Florian Sapper von der Heidenheimer Sapper-gruppe auf seinen Schreibtisch blicken.
Null Euro Startkapital. Ein Eimer, eine Schaufel, eine Schneeschippe. 1000 Prozent Fleiß und Ehrgeiz. 10 Jahre Beharrlichkeit. Florian Sapper hat sich mithilfe dieses wackligen Gerüsts ein Unternehmen aufgebaut, auf das er stolz sein kann – und ist: „Ich bin wirklich von ganz unten nach ganz oben.“Seine Geschichte erzählt er im Rahmen von Bewerbertrainings an Schulen. Er bestärkt Jugendliche, niemals aufzugeben, sondern an sich und ihre Träume zu glauben. „Das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist, sind die Fehler, die ich gemacht habe“, sagt er dann zum Beispiel. „Daran kann man wachsen, daraus kann man für die Zukunft lernen.“
Keine Lust auf Druck von oben
Florian Sapper ist in Heidenheim aufgewachsen in einem großen, herzlichen Familienverbund. Die Mutter war alleinerziehend, immer fleißig und ihren beiden Söhnen ein großes Vorbild. „Wir hatten alles, was wir brauchten. Bis auf Geld“, erinnert sich der heute 36-Jährige. Schon als Teenager freute er sich deshalb über eine Verdienstmöglichkeit, die ihm die Verwandtschaft aufgetan hatte. Er verrichtete Gartenarbeit, finanzierte damit seinen ersten Gameboy, „ich hatte den Geschmack des Geldes kennengelernt“. In den folgenden Jahren verdiente er sich Taschengeld mit dem Austragen von Zeitungen, jobbte in der Gastronomie. Nach dem Hauptschulabschluss suchte er sich eine Festanstellung, um Mutter und Bruder zu unterstützen. Dann ließ er sich bei einer Supermarktkette zum Kaufmann ausbilden, wechselte in die Baumarkt-branche, war bald zuständig für den Verleih von Baumaschinen. Doch die Art und Weise, wie dort mit Mitarbeitern umgegangen wurde, lief ihm gegen den Strich. Warum immer dieser Druck, der das Gegenteil von Motivation erzeugte?
Kurzerhand löste er im Jahr 2010 das Arbeitsverhältnis auf und überlegte: Was kann ich gut? Und wo lässt sich ordentlich Umsatz machen? Ein befreundeter Kfz-händler überließ ihm für 200 Euro einen Seat Ibiza. Binnen kürzester Zeit schuftete er 18 Stunden täglich. Sein Bruder half vor allem beim Schneeräumen mit. „Wir betreuten mehr als 40 Objekte im Landkreis. Ich hatte ja keine Maschinen, es war Handarbeit. Ich merkte schnell: Damit lässt sich Geld verdienen!“Unterstützung bekam er auch von einem Dienstleistungsunternehmer aus der Region, der bei Bedarf
Mitarbeiter zur Verfügung stellte. Doch der Bedarf wurde größer, die Aufgaben vielfältiger. Bald fragten Kunden nach einer Hausentrümpelung, einem Kurierfahrer, „ich habe eine Zeit lang jeden Auftrag angenommen“. Dennoch traute sich Florian Sapper erst mit einem Umsatzsprung von 400 Prozent im Jahr 2016, eigenes Personal einzustellen. Eine 450-Euro-kraft, eine Putzfrau, einen Gartenbauer, er achtete auf berufserfahrene Leute. Heute beschäftigt er knapp 60 Mitarbeiter.
„Inzwischen machen wir nicht mehr alles. Es ist wichtig, sich zu spezialisieren“, so Florian Sapper. Unter anderem stehen ihm inzwischen zwei Prokuristen und zwei Betriebsleiter zur Seite. Er hat einen Landschaftsarchitekten im Team, Facility Manager arbeiten für ihn ebenso wie ausgebildete Gebäudereiniger, Maurer oder Industriekletterer. Ob Geschlecht, Religion, Herkunft oder Bildungsstand, für den Unternehmer ist eine hohe Motivation wichtigstes Einstellungskriterium. Fortbildungen
hält er für ebenso zielführend wie ein kameradschaftliches Miteinander: „Ich schicke nie ungelernte Kräfte zu Kunden. Es ist immer jemand dabei, der Erfahrung hat und sein Wissen weitergibt.“So habe er sich einen Personalstamm aufgebaut, der für Qualität und Zuverlässigkeit bekannt sei. Mithilfe von Youtube-filmen sucht er stets nach weiteren Mitarbeitern. Die Reaktionen freuen ihn. Immer wieder mal melden sich Menschen, die unzufrieden sind mit den Arbeitsbedingungen in ihrem Job. Die Quereinsteiger bringen viele Fähigkeiten mit, die bei allerlei Projekten Verwendung finden. Wer braucht nicht ab und an mal einen Elektriker, zum Beispiel?
Florian Sapper bezeichnet sich selbst als bescheidenen Menschen. Zudem ist er Betriebswirtschaftler durch und durch. Er spart, er kalkuliert, er reinvestiert. Dementsprechend bescheiden ist die Wahl des Firmensitzes ausgefallen. Er hat sich in eine Halle an der Wilhelmstraße eingemietet. Hier und da ist noch Baustelle, erste Büros, provisorische Sozialräume, ein Konferenzraum und das Arbeitszimmer des Chefs sind schon in Betrieb. Sappers
Büro befindet sich im hintersten Winkel. Es ist klein und zweckdienlich und freundlich eingerichtet, Süßigkeiten auf dem Tresen, Sitzsäcke in der Ecke, dazwischen ein paar persönliche Dinge. Ab und an geht die Tür auf, ein kurzes Hallo, hier eine Information, dort eine Rückfrage. Kurze Dienstwege sind ihm wichtig. Er ist mit allen hier per Du.
Ein hohes Maß an Kommunikation und Kontaktfreude macht den Firmengründer zum leidenschaftlichen Netzwerker. Seine geschäftlichen Beziehungen sind nicht nur durch viele Jahre Vereinssport, sondern auch durch sein Engagement bei den Wirtschaftsjunioren und im Ihk-prüfungsausschuss längst nicht mehr auf die Region beschränkt. „Wir machen in unserem Landkreis nur etwa zehn Prozent unseres Umsatzes“, sagt Florian Sapper. Außerhalb von Heidenheim arbeitet er viel mit Kooperationspartnern
zusammen, von Geislingen über Schwäbisch Gmünd und Dillingen bis Ulm. Wer kann einen Minibagger stellen? Wer kann für ein paar Stunden mit einem Fliesenleger aushelfen? Der Chef bringt dann Brezeln, Leberkäswecken und ein paar Getränke mit auf die Baustelle, man tauscht Wissen und Werkzeuge aus. Macht die Arbeit so nicht deutlich mehr Spaß?
Zahlreiche Bewertungen auf entsprechenden Internet-plattformen lassen vermuten, dass das Verhältnis zur Kundschaft auf ähnlich zuvorkommende Weise gepflegt wird. Tatsächlich sei die Reklamationsquote niedrig – außer bei den Hausmeistern. Die hätten einen besonders undankbaren Job zu verrichten, seien häufig mit unberechtigter Kritik konfrontiert. Verwundert ist Florian Sapper über die Schärfe im Umgangston. Um unnötigen Streitigkeiten vorzubeugen, sind deshalb einige Mitarbeiter inzwischen mit Körperkameras ausgestattet. Welche Aufgaben wurden wann erledigt? Live-bilder und Daten aus der
Gps-aufzeichnung liefern schlagkräftige Argumente. Was sich Florian Sapper abgewöhnt hat, ist die aufwendige Erstellung kostenloser Angebote. Zu oft wurde mit Nachdruck Vorarbeit verlangt, dann folgte auf Nachfrage eine pampige Absage. Er verlangt nun eine Anzahlung für diese Arbeitsleistung, die bei Auftragserteilung verrechnet wird.
„Das ist ein Thema, bei dem ich dazugelernt habe. Davon gibt es übrigens viele“, sagt der Heidenheimer Unternehmer. „Wichtig ist, trotzdem nicht aufzugeben. Irgendwann stellt sich Erfolg ein.“Entscheidend zur positiven Entwicklung beigetragen hat sicherlich seine Lust auf Wissen. Abendrealschule, Abendgymnasium, Betriebswirt, er hat viele Fortbildungen vorzuweisen, unter anderem in Marketing, Mitarbeiterführung und Psychologie. Alle drei Monate nimmt er sich ein Thema vor, in das er sich einarbeitet. Was er allerdings auch gelernt hat über die Jahre: Arbeit allein macht nicht glücklich. Nachdem er auch noch eine Cocktail-bar an der Heidenheimer Bergstraße eröffnet hatte, zwang ihn vor etwa zwei Jahren ein Burn-out zu einer dreimonatigen Pause. Seitdem haben seine Arbeitstage nicht mehr als zehn Stunden, an den Wochenenden ist Ruhe angesagt. Ihm ist klar, dass das Voraussetzung ist für das Erreichen seines langfristigen Ziels: der Beste im Landkreis Heidenheim zu werden in allen Bereichen „und dabei die Menschlichkeit nicht zu verlieren“.
Wir hatten alles außer Geld.