Heidenheimer Zeitung

Radeln statt um die Welt jetten

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Werden wir nach Corona anders verreisen als davor? Mark Hoplamazia­n, Chef der Hotelkette Hyatt, ist davon überzeugt. „Die Menschen werden bewusster durch die Welt reisen“, sagte er während eines Videogespr­ächs zur Internatio­nalen Tourismusb­örse ITB in Berlin. Sein Kollege Patrick Mendes von Accor ergänzte: „Sicherheit, Gesundheit und Hygiene“würden in Zukunft maßgeblich­e Kriterien sein, nach denen Urlauber ihre Hotels aussuchten. „Ein Hotel muss künftig mehr sein als ein Hotel. Es muss ein Platz zum Leben sein.“

Beim ADAC hält man nicht viel von Managerspr­ech wie diesem. Er glaube nicht, dass die Menschen ihr Reiseverha­lten sehr stark umstellen werden, sagt Carsten Cossmann, Leiter der Abteilung Tourismus. „Die meisten möchten ihr altes Reiseleben wieder zurück.“Ähnlich sieht es der Tourismuse­xperte Martin Lohmann. Eine Abkehr von früheren Gewohnheit­en sei bei der großen Masse wenig wahrschein­lich, so der Leiter des Instituts für Tourismusu­nd Bäderforsc­hung in Kiel.

Nischenanb­ieter wie „Anderswo“sind dennoch überzeugt, dass sie im Nachgang der Pandemie Kunden dazugewinn­en können.

Megatrend Caravaning: Die Nachfrage nach Wohnmobile­n hat stark angezogen.

Wünsche nach „zukunftsfä­higem und nachhaltig­em Reisen“gingen verstärkt ein, teilt das Bonner Unternehme­n mit. Man rate zu Individual­statt Pauschalre­isen, zum Übernachte­n im familienge­führten Hotel statt in der Bettenburg und zum Buchen beim eher kleinen Veranstalt­er. „Reisen statt durch die Welt zu jetten“, sei vermehrt das Ziel.

Thomas Bieger, Professor für Tourismusw­irtschaft an der Hochschule Sankt Gallen, teilt diese Einschätzu­ng. Massentour­ismus werde es zwar weiter geben, aber er werde sich ändern, glaubt er. Nach der Corona-erfahrung „werden die Leute in Zukunft wohl nicht mehr stundenlan­g anstehen wollen, um zum Beispiel das Kolosseum in Rom anschauen zu können“. Sein optimistis­cher Ausblick: Warteschla­ngen könnten dank der digitalen Möglichkei­ten bald der Vergangenh­eit angehören.

Zwei Arten des Reisens dürften in der Nach-coronazeit zu den Gewinnern zählen: Radreisen und Caravaning. Die Nachfrage nach Urlaub mit dem Fahrrad habe deutlich angezogen, teilt der Online-radreiseve­rmarkter Cyclelo mit. Die Zahl verkaufter Wohnmobile wiederum hat 2020 gegenüber 2019 um knapp die Hälfte zugenommen. Dass die neuen Besitzer und Besitzerin­nen ihre Gefährte in den kommenden Sommern zu Hause stehen lassen werden, ist kaum anzunehmen. Michael Gabel

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