Heidenheim droht Millionen-verlust bei Geldanlagen
Greensill Bank Die Stadt hat drei Millionen Euro bei einem Kreditinstitut investiert, gegen das die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung ermittelt, und das seinen Geschäftsbetrieb einstellen musste. Jetzt bangt das Rathaus um diese Festgelder.
Gut geschlafen haben dürfte der Heidenheimer Kämmerer Guido Ochs in den vergangenen Tagen wohl eher nicht. Denn der Planer und Verwalter des städtischen Haushalts sorgt sich um einen hohen Geldbetrag, genauer gesagt um drei Millionen Euro, den die Stadt bei der gerade geschlossenen Bremer Greensill Bank angelegt hat. Dabei geht es um etwas mehr als vier Prozent der städtischen Geldbestände. Entsprechende Hz-informationen bestätigte Oberbürgermeister (OB) Bernhard Ilg. „Diese Summe teilt sich in zwei Festgeldanlagen auf, eine über zwei Millionen Euro und eine über eine Million Euro.“
Ob die Stadt das Geld jemals wiedersehen wird, ist zurzeit noch unklar. Denn das Mutterunternehmen der Bank, das britisch-australische Unternehmen Greensill Capital, hat inzwischen einen Antrag auf Insolvenz gestellt. Diesem Schritt war eine Aktion der Finanzaufsicht Bafin vorausgegangen. Sie hatte am 3. März nicht nur die deutsche Tochter wegen drohender Überschuldung geschlossen, sondern auch noch Strafanzeige wegen Betrugs erstattet. Mittlerweile ermitteln die Staatsanwälte. Dabei geht es um den Verdacht auf Bilanzfälschung.
Verlockendes Angebot
Die Greensill Bank bot vor allem kurzfristige Finanzierungslösungen. Zudem warb sie auf Vermittlungsplattformen mit ungewöhnlich hohen Zinsen auf Festgeldkonten. Das lockte auch die Heidenheimer Verwaltung. „Wie die meisten Kommunen will die Stadt in Zeiten von Niedrigzinsen das ihr anvertraute Geld sicher anlegen und zugleich vermeiden, dass wegen der Negativzinsen (minus 0,5 Prozent) Geld der Bürger verloren geht“, beschreibt Kämmerer Ochs die Anlagestrategie der Kommune. „Bei den Termingeldern lag der Zinssatz bei 0,25 Prozent (zwei Millionen Euro) und 0,4 Prozent (eine Million Euro).“Die Entscheidung, das Geld der Greensill anzuvertrauen, sei im Wissen geschehen, dass das Institut in Deutschland seinen Sitz und seine Zulassung habe.
Ähnliche Überlegungen haben bundesweit mindestens 50 andere Kommunen angestellt, die nun ebenfalls um ihre Einlagen bangen. Bei einigen geht es um gewaltige Summen. So muss sich das nordrhein-westfälische Monheim im schlimmsten Fall auf einen Verlust von 38 Millionen Euro einstellen. Und die Kommunen sind nicht allein – unter den Kunden der Bank finden sich auch Messen, Theater, öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und Zehntausende Privatanleger.
Doch während die Letztgenannten schon innerhalb der nächsten Monate auf eine schnelle Entschädigung aus der Einlagensicherung der privaten Banken hoffen können, erwartet die Kommunen eine langwierige Zitterpartie. Denn seit dem 1. Oktober 2017 sind die Spareinlagen der Kommunen nach einem Beschluss
der Bundesregierung bei Bankpleiten nicht mehr geschützt. „Dieser Schritt wurde damals damit begründet, dass das System beim Eintreten eines Sicherungsfalls überfordert gewesen wäre. Kommunen und die kommunalen Landesverbände haben diese Entscheidung kritisiert“, sagt Ochs.
Kritik an der Finanzaufsicht
Auch das Vorgehen der deutschen Bankenaufsicht sorgt bei den betroffenen Kommunen für Ärger. So wirft die Gießener Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-bolz der Bafin in einem Interview vor, dass all ihre Kontrollund Schutzmechanismen versagt hätten. „Die Bafin hat uns im Stich gelassen. Ihre Warnung hätte uns anders handeln lassen.“Glücklich ist man auch im Heidenheimer Rathaus nicht mit dem Vorgehen der Behörde. Doch die Kritik ist deutlich verhaltener. „Das Moratorium der Bafin kam für uns völlig überraschend. Für eine Beurteilung der Vorgehensweise der Aufsicht liegen uns derzeit zu wenig Informationen vor, sodass wir hierüber im Augenblick keine Aussage treffen können“, so Ilg. Mit dieser zurückhaltenden Position liegt die Stadt vermutlich richtiger als andere betroffene Kommunen aus Hessen und Nordrhein-westfalen. Denn die nach dem Wirecard-skandal unter Druck geratene Behörde weist die Vorwürfe aus Gießen und Monheim wegen einer zu späten Information strikt zurück. „Die Bafin darf aufgrund ihrer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht Kommunen und andere Anleger nicht über eine Sonderprüfung oder aufsichtliche Maßnahmen informieren“, sagt Bafin-sprecher Oliver Struck.
Doch die Kommunen bekommen Beistand aus dem Bundestag. Die Finanzexpertin der Grünen-bundestagsfraktion sagte im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Den Kämmerern ist nicht wirklich ein Vorwurf zu machen. Allerdings sollte das Anlegen von Geldern bei einer in Deutschland ansässigen und regulierten Bank kein riskantes Investment sein. Dafür brauchen wir eine funktionierende Finanzaufsicht.“
Stadt sucht Verbündete
Die Suche nach einem Schuldigen hat also bereits begonnen, abgeschlossen ist sie noch lange nicht. Kampflos will die Stadt der Greensill Bank ihre Gelder nicht überlassen. „Wir tauschen uns mit anderen betroffenen Kommunen sowie dem Städte- und Gemeindetag aus und erwägen den Beitritt zu solch einem Bündnis“, sagt OB Ilg. Außerdem werde man den Ausgang des Moratoriums der Bafin abwarten. Sollten dabei kriminelle Handlungen oder ein Versagen der Aufsichtsbehörde festgestellt werden, wären Reaktionen der Kommunen zwingend.
Eine Lektion habe die Stadt aus der Situation bereits gelernt. „Bei künftigen Geldanlagen wird die Verwaltung noch stärker als bisher auf die Sicherheit, zu Lasten der Wirtschaftlichkeit, achten.“
Das Moratorium der Bafin kam für uns völlig überraschend.
Oberbürgermeister Bernhard Ilg