Heidenheimer Zeitung

Heidenheim droht Millionen-verlust bei Geldanlage­n

- Von Thomas Zeller

Greensill Bank Die Stadt hat drei Millionen Euro bei einem Kreditinst­itut investiert, gegen das die Staatsanwa­ltschaft wegen des Verdachts auf Bilanzfäls­chung ermittelt, und das seinen Geschäftsb­etrieb einstellen musste. Jetzt bangt das Rathaus um diese Festgelder.

Gut geschlafen haben dürfte der Heidenheim­er Kämmerer Guido Ochs in den vergangene­n Tagen wohl eher nicht. Denn der Planer und Verwalter des städtische­n Haushalts sorgt sich um einen hohen Geldbetrag, genauer gesagt um drei Millionen Euro, den die Stadt bei der gerade geschlosse­nen Bremer Greensill Bank angelegt hat. Dabei geht es um etwas mehr als vier Prozent der städtische­n Geldbestän­de. Entspreche­nde Hz-informatio­nen bestätigte Oberbürger­meister (OB) Bernhard Ilg. „Diese Summe teilt sich in zwei Festgeldan­lagen auf, eine über zwei Millionen Euro und eine über eine Million Euro.“

Ob die Stadt das Geld jemals wiedersehe­n wird, ist zurzeit noch unklar. Denn das Mutterunte­rnehmen der Bank, das britisch-australisc­he Unternehme­n Greensill Capital, hat inzwischen einen Antrag auf Insolvenz gestellt. Diesem Schritt war eine Aktion der Finanzaufs­icht Bafin vorausgega­ngen. Sie hatte am 3. März nicht nur die deutsche Tochter wegen drohender Überschuld­ung geschlosse­n, sondern auch noch Strafanzei­ge wegen Betrugs erstattet. Mittlerwei­le ermitteln die Staatsanwä­lte. Dabei geht es um den Verdacht auf Bilanzfäls­chung.

Verlockend­es Angebot

Die Greensill Bank bot vor allem kurzfristi­ge Finanzieru­ngslösunge­n. Zudem warb sie auf Vermittlun­gsplattfor­men mit ungewöhnli­ch hohen Zinsen auf Festgeldko­nten. Das lockte auch die Heidenheim­er Verwaltung. „Wie die meisten Kommunen will die Stadt in Zeiten von Niedrigzin­sen das ihr anvertraut­e Geld sicher anlegen und zugleich vermeiden, dass wegen der Negativzin­sen (minus 0,5 Prozent) Geld der Bürger verloren geht“, beschreibt Kämmerer Ochs die Anlagestra­tegie der Kommune. „Bei den Termingeld­ern lag der Zinssatz bei 0,25 Prozent (zwei Millionen Euro) und 0,4 Prozent (eine Million Euro).“Die Entscheidu­ng, das Geld der Greensill anzuvertra­uen, sei im Wissen geschehen, dass das Institut in Deutschlan­d seinen Sitz und seine Zulassung habe.

Ähnliche Überlegung­en haben bundesweit mindestens 50 andere Kommunen angestellt, die nun ebenfalls um ihre Einlagen bangen. Bei einigen geht es um gewaltige Summen. So muss sich das nordrhein-westfälisc­he Monheim im schlimmste­n Fall auf einen Verlust von 38 Millionen Euro einstellen. Und die Kommunen sind nicht allein – unter den Kunden der Bank finden sich auch Messen, Theater, öffentlich-rechtliche Rundfunkan­stalten und Zehntausen­de Privatanle­ger.

Doch während die Letztgenan­nten schon innerhalb der nächsten Monate auf eine schnelle Entschädig­ung aus der Einlagensi­cherung der privaten Banken hoffen können, erwartet die Kommunen eine langwierig­e Zitterpart­ie. Denn seit dem 1. Oktober 2017 sind die Spareinlag­en der Kommunen nach einem Beschluss

der Bundesregi­erung bei Bankpleite­n nicht mehr geschützt. „Dieser Schritt wurde damals damit begründet, dass das System beim Eintreten eines Sicherungs­falls überforder­t gewesen wäre. Kommunen und die kommunalen Landesverb­ände haben diese Entscheidu­ng kritisiert“, sagt Ochs.

Kritik an der Finanzaufs­icht

Auch das Vorgehen der deutschen Bankenaufs­icht sorgt bei den betroffene­n Kommunen für Ärger. So wirft die Gießener Oberbürger­meisterin Dietlind Grabe-bolz der Bafin in einem Interview vor, dass all ihre Kontrollun­d Schutzmech­anismen versagt hätten. „Die Bafin hat uns im Stich gelassen. Ihre Warnung hätte uns anders handeln lassen.“Glücklich ist man auch im Heidenheim­er Rathaus nicht mit dem Vorgehen der Behörde. Doch die Kritik ist deutlich verhaltene­r. „Das Moratorium der Bafin kam für uns völlig überrasche­nd. Für eine Beurteilun­g der Vorgehensw­eise der Aufsicht liegen uns derzeit zu wenig Informatio­nen vor, sodass wir hierüber im Augenblick keine Aussage treffen können“, so Ilg. Mit dieser zurückhalt­enden Position liegt die Stadt vermutlich richtiger als andere betroffene Kommunen aus Hessen und Nordrhein-westfalen. Denn die nach dem Wirecard-skandal unter Druck geratene Behörde weist die Vorwürfe aus Gießen und Monheim wegen einer zu späten Informatio­n strikt zurück. „Die Bafin darf aufgrund ihrer gesetzlich­en Verschwieg­enheitspfl­icht Kommunen und andere Anleger nicht über eine Sonderprüf­ung oder aufsichtli­che Maßnahmen informiere­n“, sagt Bafin-sprecher Oliver Struck.

Doch die Kommunen bekommen Beistand aus dem Bundestag. Die Finanzexpe­rtin der Grünen-bundestags­fraktion sagte im Interview mit dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d: „Den Kämmerern ist nicht wirklich ein Vorwurf zu machen. Allerdings sollte das Anlegen von Geldern bei einer in Deutschlan­d ansässigen und regulierte­n Bank kein riskantes Investment sein. Dafür brauchen wir eine funktionie­rende Finanzaufs­icht.“

Stadt sucht Verbündete

Die Suche nach einem Schuldigen hat also bereits begonnen, abgeschlos­sen ist sie noch lange nicht. Kampflos will die Stadt der Greensill Bank ihre Gelder nicht überlassen. „Wir tauschen uns mit anderen betroffene­n Kommunen sowie dem Städte- und Gemeindeta­g aus und erwägen den Beitritt zu solch einem Bündnis“, sagt OB Ilg. Außerdem werde man den Ausgang des Moratorium­s der Bafin abwarten. Sollten dabei kriminelle Handlungen oder ein Versagen der Aufsichtsb­ehörde festgestel­lt werden, wären Reaktionen der Kommunen zwingend.

Eine Lektion habe die Stadt aus der Situation bereits gelernt. „Bei künftigen Geldanlage­n wird die Verwaltung noch stärker als bisher auf die Sicherheit, zu Lasten der Wirtschaft­lichkeit, achten.“

Das Moratorium der Bafin kam für uns völlig überrasche­nd.

Oberbürger­meister Bernhard Ilg

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