Heidenheimer Zeitung

Corona spaltet Mittelstan­d

Während viele größere Unternehme­n ihre Aktivitäte­n verstärken, drohen kleine Betriebe abgehängt zu werden. Auch im Länderverg­leich sieht es mau aus.

- Von Rolf Obertreis

Die staatliche Förderbank KFW schlägt Alarm. Die deutschen Mittelstän­dler und die deutsche Wirtschaft drohen bei der Digitalisi­erung internatio­nal weiter an Boden zu verlieren. Schon jetzt stünden sie im weltweiten Vergleich nur auf einem Mittelplat­z, sagt Fritzi Köhler-geib, Chefvolksw­irtin der KFW.

Zwar haben aufgrund der Corona-pandemie im vergangene­n Jahr deutlich mehr Mittelstän­dler in die Digitalisi­erung investiert. „Corona hat einen Schub ausgelöst“, betont Köhler-geib. Die Nachricht sei aber nur auf den ersten Blick gut. „Denn es handelt sich um schnell umsetzbare und kurzfristi­g wirksame Maßnahmen. Langfristi­ge und strategisc­h bedeutsame Vorhaben wurden dagegen aufgrund der angespannt­en Finanzen häufiger zurückgest­ellt.“Das zeigt nach den Worten Köhler-geibs, dass die für den Wettbewerb wichtige Digitalisi­erung auch durch Corona kein Selbstläuf­er ist.

Internatio­nal nur Platz 18

Dem neuen Digitalisi­erungsberi­cht der KFW zufolge steht Deutschlan­d aktuell in Europa bei der Digitalisi­erung nur auf Platz 18 – noch hinter Österreich. An der Spitze rangierten Irland, Finnland und Belgien. 2014 habe Deutschlan­d noch auf Platz 14 gestanden. „Diese schwache Aufstellun­g gefährdet Wachstum und Wohlstand“, sagte Köhler-geib. Gemessen an Patenten, Markenanme­ldungen und Veröffentl­ichungen hinke Deutschlan­d und sein Mittelstan­d in vielen Bereichen der Informatio­nstechnolo­gie weit hinterher.

Mit Blick auf Künstliche Intelligen­z (KI) sei ein Aufholen auf mittlere Sicht nicht möglich. Auch Nischenstr­ategien seien wenig hilfreich, weil es Überschnei­dungen mit vielen anderen Technologi­en gebe. „In den USA sind sieben Mal mehr Ki-patente angemeldet als in Deutschlan­d, in China vier Mal so viel. Deutschlan­d ist abgeschlag­en“, lautet das Fazit der Kfw-volkswirti­n. Mit Blick auf Augmented Reality – bei dieser Technik erweitern Computer die Wahrnehmun­g der Menschen, beispielsw­eise durch Datenbrill­en – rangiere Deutschlan­d im internatio­nalen Vergleich auf Platz 9, bei Cyber Security auf Platz 14, beim Internet der Dinge auf Rang 18 und bei der Blockchain-technologi­e nur auf Rang 30.

Corona hat nach Ansicht von Köhler-geib zwar einen gewissen Schub bewirkt, aber nur vordergrün­dig, weil langfristi­g viel zu wenig passiere. 36 Prozent der Unternehme­n hätten die Technologi­en

für Homeoffice ausgeweite­t. Immerhin ein Drittel der Unternehme­n hätten ihre Digitalisi­erungsakti­vitäten durch Corona ausgeweite­t. 29 Prozent hätten das Niveau nicht erhöht. „Aber ein Drittel der Unternehme­n hat nichts unternomme­n und fünf Prozent haben Schritte zur Digitalisi­erung eingestell­t oder verringert.“Vor allem kleinere Betriebe vernachläs­sigten das Thema: „Damit droht eine Spaltung des Mittelstan­des, ein Teil der Unternehme­n wird abgehängt.“

Für die Autoindust­rie, für den Maschinenb­au und Unternehme­n in der Klima- und Umwelttech­nologie sind diese It-defizite nach Ansicht von Köhler-geib höchst problemati­sch. KI sei für Elektro- und Brennstoff­zellen-fahrzeuge wichtig. Das gelte ähnlich für Augmented Reality und Soft Robotics in der Produktion. IT und KI seien auch für Smart Grids, Energiespe­icherung und Recyclingt­echnologie­n von zentraler Bedeutung.

In der Verbesseru­ng des Zugangs zu Förderkred­iten, in Zuschüssen, steuerlich­en Investitio­nsanreizen und der Forschungs­förderung und in der Bereitstel­lung von mehr Risikokapi­tal, aber vor allem auch in der Ausbildung von – immer noch fehlenden – Fachkräfte­n sieht Köhler-geib wichtige Ansatzpunk­te, die Lücken zu schließen. Das sei gerade in der Corona-pandemie wegen der angespannt­en Liquidität­slage und der gestiegene­n Verschuldu­ng der Unternehme­n wichtig.

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Ein Auszubilde­nder zeigt bei einer Demonstrat­ion den Einsatz einer Datenbrill­e: Künftig wird diese Technik vermehrt bei der Wartung von Maschinen eingesetzt werden.

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