Corona spaltet Mittelstand
Während viele größere Unternehmen ihre Aktivitäten verstärken, drohen kleine Betriebe abgehängt zu werden. Auch im Ländervergleich sieht es mau aus.
Die staatliche Förderbank KFW schlägt Alarm. Die deutschen Mittelständler und die deutsche Wirtschaft drohen bei der Digitalisierung international weiter an Boden zu verlieren. Schon jetzt stünden sie im weltweiten Vergleich nur auf einem Mittelplatz, sagt Fritzi Köhler-geib, Chefvolkswirtin der KFW.
Zwar haben aufgrund der Corona-pandemie im vergangenen Jahr deutlich mehr Mittelständler in die Digitalisierung investiert. „Corona hat einen Schub ausgelöst“, betont Köhler-geib. Die Nachricht sei aber nur auf den ersten Blick gut. „Denn es handelt sich um schnell umsetzbare und kurzfristig wirksame Maßnahmen. Langfristige und strategisch bedeutsame Vorhaben wurden dagegen aufgrund der angespannten Finanzen häufiger zurückgestellt.“Das zeigt nach den Worten Köhler-geibs, dass die für den Wettbewerb wichtige Digitalisierung auch durch Corona kein Selbstläufer ist.
International nur Platz 18
Dem neuen Digitalisierungsbericht der KFW zufolge steht Deutschland aktuell in Europa bei der Digitalisierung nur auf Platz 18 – noch hinter Österreich. An der Spitze rangierten Irland, Finnland und Belgien. 2014 habe Deutschland noch auf Platz 14 gestanden. „Diese schwache Aufstellung gefährdet Wachstum und Wohlstand“, sagte Köhler-geib. Gemessen an Patenten, Markenanmeldungen und Veröffentlichungen hinke Deutschland und sein Mittelstand in vielen Bereichen der Informationstechnologie weit hinterher.
Mit Blick auf Künstliche Intelligenz (KI) sei ein Aufholen auf mittlere Sicht nicht möglich. Auch Nischenstrategien seien wenig hilfreich, weil es Überschneidungen mit vielen anderen Technologien gebe. „In den USA sind sieben Mal mehr Ki-patente angemeldet als in Deutschland, in China vier Mal so viel. Deutschland ist abgeschlagen“, lautet das Fazit der Kfw-volkswirtin. Mit Blick auf Augmented Reality – bei dieser Technik erweitern Computer die Wahrnehmung der Menschen, beispielsweise durch Datenbrillen – rangiere Deutschland im internationalen Vergleich auf Platz 9, bei Cyber Security auf Platz 14, beim Internet der Dinge auf Rang 18 und bei der Blockchain-technologie nur auf Rang 30.
Corona hat nach Ansicht von Köhler-geib zwar einen gewissen Schub bewirkt, aber nur vordergründig, weil langfristig viel zu wenig passiere. 36 Prozent der Unternehmen hätten die Technologien
für Homeoffice ausgeweitet. Immerhin ein Drittel der Unternehmen hätten ihre Digitalisierungsaktivitäten durch Corona ausgeweitet. 29 Prozent hätten das Niveau nicht erhöht. „Aber ein Drittel der Unternehmen hat nichts unternommen und fünf Prozent haben Schritte zur Digitalisierung eingestellt oder verringert.“Vor allem kleinere Betriebe vernachlässigten das Thema: „Damit droht eine Spaltung des Mittelstandes, ein Teil der Unternehmen wird abgehängt.“
Für die Autoindustrie, für den Maschinenbau und Unternehmen in der Klima- und Umwelttechnologie sind diese It-defizite nach Ansicht von Köhler-geib höchst problematisch. KI sei für Elektro- und Brennstoffzellen-fahrzeuge wichtig. Das gelte ähnlich für Augmented Reality und Soft Robotics in der Produktion. IT und KI seien auch für Smart Grids, Energiespeicherung und Recyclingtechnologien von zentraler Bedeutung.
In der Verbesserung des Zugangs zu Förderkrediten, in Zuschüssen, steuerlichen Investitionsanreizen und der Forschungsförderung und in der Bereitstellung von mehr Risikokapital, aber vor allem auch in der Ausbildung von – immer noch fehlenden – Fachkräften sieht Köhler-geib wichtige Ansatzpunkte, die Lücken zu schließen. Das sei gerade in der Corona-pandemie wegen der angespannten Liquiditätslage und der gestiegenen Verschuldung der Unternehmen wichtig.