Heidenheimer Zeitung

Haft wegen dreisten Corona-betrugs

31-Jähriger beantragte bundesweit Soforthilf­en für insgesamt 91 Firmen, die es nicht gibt oder deren Besitzer nichts davon wussten. Das ganze Geld sollte auf sein Konto fließen.

- Von Patrick Guyton

Im bisher größten Fall von versuchtem Betrug bei den Corona-soforthilf­en ist das Urteil gesprochen: Der angeklagte 31 Jahre alte T. Y. muss für viereinhal­b Jahre ins Gefängnis, hat das Landgerich­t München entschiede­n. Außerdem wird er wegen massiven Cannabis-konsums in eine Entzugsein­richtung eingewiese­n. Y. hat in 91 Fällen im vergangene­n März und April die staatliche Hilfsleist­ung beantragt – für Firmen, die es entweder gar nicht gibt oder deren wirkliche Besitzer davon nichts wussten. Die Anträge stellte er in sechs Bundesländ­ern, darunter 23 in Bayern, 24 in Berlin und zwei in Baden-württember­g. Er forderte zwischen 9000 und 70 000 Euro je Fall, insgesamt etwas mehr als 2,5 Millionen.

Der Vorsitzend­e Richter Markus Födisch erkennt bei Y.s Handeln „Kaltschnäu­zigkeit“, die Taten wertet das Gericht als versuchten Subvention­sbetrug. In drei Fällen war die Masche sogar erfolgreic­h gewesen, insgesamt wurden ihm so 67 000 Euro bezahlt. Von 37 000 Euro fehlt weiterhin

Ein Dilettant, der sich maßlos überschätz­te?

jede Spur. Für die Anträge verwendete er ganz unterschie­dliche Identitäte­n, er besaß viele Ausweis-kopien von Personen aus seinem Bekanntenk­reis.

Dass sein Vorhaben aber rasch auffliegen würde, war abzusehen: Denn Y. gab immer dasselbe Bankkonto bei der Stadtspark­asse Dortmund an, auf das das Geld eingezahlt werden sollte. Von dort wollte er es, so sein Plan, ins Ausland transferie­ren und in unterschie­dliche Kryptowähr­ungen tauschen. Am 15. Mai wurde Y. verhaftet und in die U-haft nach München-stadelheim gebracht.

Lag diesem Fall von Wirtschaft­skriminali­tät ein klug ausgetüfte­lter Plan zugrunde oder handelte hier ein Dilettant, der sich selbst maßlos überschätz­te? Das war die interessan­te Frage des Verfahrens. Y. selbst, der sich als selbststän­digen Musikprodu­zenten bezeichnet, äußerte sich in seiner Einlassung recht wirr und machte den Behörden Vorwürfe. So sprach er von der „Verschlepp­ung“seiner Person, forderte „Haftentsch­ädigung“und behauptete, seine Festnahme sei „ohne rechtliche Grundlage“erfolgt. Die Verhandlun­g verfolgte er wach und interessie­rt, machte sich dabei viele Notizen. Auch übergab er dem Gericht längere schriftlic­he Abhandlung­en. Zum Tatvorwurf sagte er im Schlusswor­t lediglich „mea culpa“– mein

Fehler – über die drei für ihn am Anfang erfolgreic­h verlaufene­n Fälle. Seine weitere Argumentat­ion: Da bei den anderen Anträgen die Corona-hilfen gar nicht geflossen seien, könne er dafür auch nicht bestraft werden.

Der Staatsanwa­lt hatte eine etwas höhere Strafe von vier Jahren und zehn Monaten gefordert. Er warf Y. vor: „Sie haben sich das zum Geschäftsm­odell gemacht.“In der Pandemie habe er „in dreister Weise eine Notlage ausnutzen wollen“. Es habe sich nicht um eine Spontantat gehandelt, sondern um „versuchten Coronahilf­en-betrug mit Vorsatz“. Y. besitze „erhebliche kriminelle Energie“. Pflichtver­teidiger Gerhard

 ?? Foto: Matthias Balk/dpa ?? Der Angeklagte vor dem Landgerich­t München I. Auf seiner Maske trägt er den Schriftzug „Keine Grundrecht­e“.
Foto: Matthias Balk/dpa Der Angeklagte vor dem Landgerich­t München I. Auf seiner Maske trägt er den Schriftzug „Keine Grundrecht­e“.

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