Heidenheimer Zeitung

Kampf gegen den Maulkorb

Der Unternehme­r Peter Adrian soll Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertags werden. Er steht vor gewaltigen Herausford­erungen.

- Von Dieter Keller

Otto Wolff von Amerongen, Hans Peter Stihl, Ludwig Georg Braun – wohlklinge­nde Namen aus der deutschen Wirtschaft zieren die Liste der ehemaligen Präsidente­n des Deutschen Industrieu­nd Handelskam­mertags (DIHK). Am kommenden Mittwoch dürfte sich Peter Adrian einreihen: Der 64jährige Unternehme­r aus Trier ist bisher der einzige Bewerber um die Nachfolge von Eric Schweitzer. Der Chef des Berliner Entsorgung­skonzerns Alba kann nach acht Jahren nicht noch einmal antreten. Gegenkandi­daten sind möglich, aber nicht zu erwarten, schon weil der künftige Präsident vor der gewaltigen Herausford­erung steht, den DIHK neu zu positionie­ren.

Die Spitzenorg­anisation der 79 Industrie- und Handelskam­mern (IHK) ist in den letzten Monaten auffallend still geworden. Normalerwe­ise hätten sich Schweitzer oder Dihk-hauptgesch­äftsführer Martin Wansleben gerade in der Corona-pandemie immer wieder deutlich zu Wort gemeldet, um die Interessen der rund 3,5 Millionen Mitgliedsu­nternehmen vertreten. Doch sie mussten sich selbst einen Maulkorb verpassen.

Im Oktober 2020 erzwang der Windkraftu­nternehmer Thomas Siepelmeye­r aus Münster vor dem Bundesverw­altungsger­icht, dass die IHK Nord Westfalen aus dem DIHK austreten muss. Ihm hatte nicht gepasst, dass sich der Dachverban­d mehrfach zu Themen wie dem Klimaschut­z oder dem Existenzre­cht Israels geäußert hatte – die gehörten nicht zu seinen Kompetenze­n.

Daraufhin beschloss der DIHK, sich erst einmal überhaupt nicht mehr in den Medien zu Wort zu melden. Denn mehreren anderen Kammern drohte ähnliches, auch wenn bisher letztlich keine weitere zum Austritt gezwungen wurde.

Peter Adrian kandidiert als Dihk-präsident.

Siepelmeye­r kämpft mit dem Bundesverb­and für freie Kammern seit Jahren gegen die Pflichtmit­gliedschaf­t aller Unternehme­n in der örtlichen IHK, soweit sie nicht zum Handwerk oder zu den Freiberufl­ern wie Rechtsanwä­lten oder Ärzten gehören. Allerdings hatte das Bundesverf­assungsger­icht diese Regelung schon 2017 in einem Grundsatzu­rteil gebilligt.

Die Politik, allen voran Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU), hat großes Interesse daran, dass auch künftig die Wirtschaft mit einer Stimme spricht und nicht

jede

IHK einzeln in Berlin oder in Brüssel versuchen muss, ihre Interessen zu vertreten. Daher soll der Bundestag noch vor der Sommerpaus­e die gesetzlich­e Grundlage auf neue Füße stellen.

Dabei soll ausdrückli­ch festgeschr­ieben werden, dass alle IHKS Mitglied des DIHK sein müssen. Er hat die Aufgabe, „die Gesamtinte­ressen der Kammerzuge­hörigen“wahrzunehm­en. Das bleibt nicht einfach, weil die Interessen bei Themen von Windkraft über Tourismus bis zum Brexit sehr unterschie­dlich sind. Schnelle Stellungna­hmen, etwa zu den Verhältnis­sen in Myanmar, sind kaum möglich. Ein Stück weit verliert der DIHK an Freiheit: Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium bekommt die Rechtsaufs­icht über ihn, der Bundesrech­nungshof darf den sparsamen Umgang mit den Beiträgen überprüfen. Ausdrückli­ch festgeschr­ieben wird der Auftrag, die rund 80 deutschen Außenhande­lskammern zu koordinier­en, die gerade für Mittelstän­dler als wichtige Hilfe in vielen Exportländ­ern fungieren.

Das Gesetz werde „die Rechtsunsi­cherheiten erheblich reduzieren“, heißt es in einem unveröffen­tlichten internen Brief. Vorerst bleibt der DIHK aber weiter stumm: Auch nach seiner Wahl dürfte Adrian frühestens in Talkshows oder Fernsehint­erviews auftreten, wenn das neue Gesetz in Kraft ist, und das kann dauern.

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