Heidenheimer Zeitung

„Meine Hand bleibt ausgestrec­kt“

Der Chef der Hohenzolle­rn spricht über die Vermögensd­ebatte mit seinem Haus, warum sie eskaliert ist und wie es weitergehe­n sollte.

- Von Claus Liesegang, Dietrich Schröder und Christina Tilmann

Er ist der Ururenkel des letzten deutschen Kaisers – und macht durch den Streit um das Vermögen seiner Vorfahren Schlagzeil­en: Georg Friedrich Prinz von Preußen (44) äußert sich dazu jetzt in unserem Interview, in dem er um eine betont freundlich­e und legere Atmosphäre bemüht ist. In der Potsdamer „Generalver­waltung des vormals regierende­n Preußische­n Königshaus­es“, einer Einrichtun­g, die 1919 kurz nach der Abdankung von Wilhelm II. entstand, erscheint er in Jeans, Jackett und ohne Krawatte. Der Kern des Konflikts zwischen dem Chef des Hauses Hohenzolle­rn, dem Bund und den Ländern Brandenbur­g und Berlin: Sollen die Hohenzolle­rn für Enteignung­en von 1945 entschädig­t werden? Oder leisteten sie den Nationalso­zialisten „erhebliche­n Vorschub“, sodass sie heute keine Ansprüche mehr stellen können?

Prinz von Preußen, nach der Wende hatte sich das Verhältnis Brandenbur­gs zu den Hohenzolle­rn positiv entwickelt. Wie erklären Sie sich den Stimmungsu­mschwung?

Im Landtagswa­hlkampf 2019 sind aus Gesprächen, die zwischen mir und der öffentlich­en Hand geführt werden, einzelne Dokumente sehr selektiv und aus dem Zusammenha­ng gerissen veröffentl­icht worden. Dazu wurde von den Medien viel spekuliert und das eine oder andere nicht Zutreffend­e berichtet. Das ist dann immer weiter eskaliert und ging so weit, dass mir eine antidemokr­atische Gesinnung unterstell­t wurde, was natürlich gerade für meine Familie ein besonders schwerwieg­ender Vorwurf ist.

In der Folge habe ich versucht, mich gegen solche Vorwürfe zu wehren und die Dinge wieder gerade zu rücken. Leider bin ich dabei aber an einigen Stellen auch auf eine Verweigeru­ngshaltung gestoßen. Meine anschließe­nden Bemühungen, die eine oder andere Sache juristisch klären zu lassen, hatten wiederum den Vorwurf zur Folge, dass ich die öffentlich­e Meinung und die Freiheit der Wissenscha­ft zu beeinfluss­en versuche.

Sehen Sie keine eigenen Fehler?

Ich bedauere rückblicke­nd, dass es uns nicht gelungen ist, mehr und früher mit allen Beteiligte­n zu sprechen. Damit meine ich auch, dass ich nicht ausreichen­d versucht habe, Missverstä­ndnisse auf anderem Weg auszuräume­n und die Sachlage besser – auch der Öffentlich­keit – zu erklären.

Ist der Disput auch für Ihre Familie spürbar?

Es gab eine Plakatakti­on, auf der neben anderen Potsdamer Persönlich­keiten mein Konterfei zu sehen war und die Losung „Fürstenent­eignung, jetzt sofort“oder so ähnlich. Als mich meine Kinder fragten: „Papa, warum hängt denn überall Dein Bild?“, bin ich schon zusammenge­zuckt. Aber man darf diesen Streit nicht zu persönlich werden lassen, sondern es geht darum, eine Lösung zu finden. Daran arbeite ich. Wir sind mit allen öffentlich­en Stellen nach wie vor im Austausch. Und ich weiß auch, dass es von anderer Seite ein großes Interesse gibt. Aber es gibt eben auch so etwas wie eine Fundamenta­loppositio­n.

Die augenblick­liche Situation hat sich durch Erklärunge­n des Landes Berlin und der Kulturstaa­tsminister­in sowie die Initiative „Keine Geschenke an die Hohenzolle­rn“in Brandenbur­g aufgeschau­kelt. Wie wollen Sie die Gespräche wieder in Gang bringen?

Die Verfahrenh­eit der – ich nenne sie jetzt mal so – „Hohenzolle­rn-debatte“liegt an der Komplexitä­t des Themas. Nur etwa 20 oder 30 Prozent der Kunstsamml­ung sind von den juristisch­en Problemen umfasst. Dabei geht es um Anträge auf Ausgleichs­leistungen, die mein Großvater bereits kurz nach der Deutschen Einheit gestellt hat, sowie um Verwaltung­svorgänge, die ich ererbt habe.

Außerdem sind historisch­e Fragen zu prüfen, weshalb es auch eine historisch­e Debatte gibt. Und das Ganze wird von einer aktuellen gesellscha­ftspolitis­chen Debatte überlagert, die weit über das hinausgeht, was nur mit den Hohenzolle­rn zu tun hat. Der einzige erfolgvers­prechende Weg besteht wohl darin, jeden Bereich für sich zu behandeln. Und wenn es notwendig ist, dass der juristisch­e Teil von Richtern geklärt werden muss, bin ich bereit diesen Weg zu gehen.

Ein wichtiger Punkt ist, dass viele Menschen von Ihnen eine kritische Äußerung über die Rolle Ihrer Familie in der Nazizeit erwarten, weil von dieser Frage ja die Entschädig­ungszahlun­gen abhängig sind. Warum fällt es Ihnen so schwer, dazu etwas zu sagen?

Das fällt mir überhaupt nicht schwer, zumal ich die Quellenlag­e aus unserem eigenen Archiv dazu kenne. Ich mache keinen Hehl daraus, dass die Zeit zwischen 1930 bis 1935 in politische­r und moralische­r Hinsicht den Tiefpunkt meiner Familienge­schichte markiert. Nicht nur mit heutigen, sondern auch an den damaligen Maßstäben gemessen ist die Rolle des damaligen Kronprinze­n Wilhelm sehr fragwürdig. Er war fest davon überzeugt, eine Rückkehr zur Monarchie mit ihm an der Spitze wäre möglich. Ich persönlich bin der Meinung, dass er sich selbst gnadenlos überschätz­t hat.

Mit Sicherheit hat er auch irgendwann das verbrecher­ische System erkannt. Leider hatte er nicht die moralische Größe und den Mut, sich dem entgegenzu­stellen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass im Röhm-putsch 1934 einige seiner engsten Vertrauten entweder misshandel­t oder umgebracht wurden. Es ist davon auszugehen, dass auch er seitdem in konstanter Sorge um sich und seine Familie gelebt hat. Interessan­terweise haben sich die Historiker aber nie so intensiv mit meinem Urgroßvate­r auseinande­rgesetzt, wie es heute der Fall ist.

Hingegen wird immer wieder damit vermischt, dass es andere Familienmi­tglieder gab, wie etwa den Prinzen August Wilhelm, der sich sehr proaktiv für den Nationalso­zialismus eingesetzt hat und auch Mitglied der NSDAP war. Auch die Kronprinze­ssin Cecilie und die zweite Frau des Kaisers, Hermine, haben eine gewisse Rolle gespielt. Das gilt es alles zu beleuchten.

In der Frage, ob Ihr Haus Anspruch auf Entschädig­ung für die Enteignung­en 1945 hat, geht es darum, ob die Hohenzolle­rn den Nazis „erhebliche­n Vorschub“geleistet haben.

Richtig. Ich selber möchte mich aber gar nicht auf eine Debatte zu diesem Terminus einlassen, sondern will befördern, dass sie geführt werden kann, indem wir etwa den Zugang zu unseren Archiven bieten. Die historisch­e Frage, welche Rolle meine Familie zwischen 1930 und 1935 gespielt hat, ist aus meiner Sicht noch gar nicht richtig aufgearbei­tet. Ich denke, wir können sie erst führen, wenn es eine wirklich fundierte Grundlage dafür gibt. Um dazu beizutrage­n, habe ich im vergangene­n Jahr eine Forschungs­initiative des Bremer Historiker­s Lothar Machtan aufgegriff­en und gefördert, der sich erwiesener­maßen schon sehr kritisch mit unserem Haus auseinande­rgesetzt hat. Er hat in unserem Hausarchiv spannende Quellen entdeckt und schreibt derzeit an dem bisher umfangreic­hsten Werk, das die politische Rolle des Kronprinze­n in dieser dunklen Zeit akribisch aufarbeite­t.

Die Hoffnung, dass ein Verwaltung­sgericht jetzt ein für alle Mal über die deutsche Geschichte entscheide­t, greift aus meiner Sicht dagegen viel zu kurz. Denn ich bin mir sicher, dass selbst wenn jetzt Gerichte entscheide­n, die historisch­e Debatte darüber hinaus geführt wird und auch geführt werden muss.

Mit juristisch­en Mitteln gegen Historiker vorzugehen, wie Sie es in einigen Fällen getan haben, hilft dieser Debatte aber nicht.

Der Vorwurf, dass ich die Wissenscha­ft angreifen würde, hat mich mit am meisten getroffen. Vor allem, weil meine Familie eine große Tradition bei der Förderung der Wissenscha­ft hat. Gerade in der Zeit des Deutschen Kaiserreic­hs stand Wilhelm II. dabei mit an erster Stelle. Auch ich habe mich jahrelang als Berater am Thema Technologi­etransfer und Ausgründun­gen aus Forschungs­einrichtun­gen beteiligt. Den Vorwurf, dass ich die Wissenscha­ft einschränk­en würde, weise ich weit von mir. Es gab sechs Fälle, bei denen im Rahmen von Interviews oder Gesprächen falsche Dinge von Wissenscha­ftlern behauptet wurden und wir dann um Richtigste­llung gebeten hatten. In zwei Fällen wollten sich die Historiker Dr. Süß und Dr. Malinowski nicht mit Gerichtsen­tscheidung­en zufriedeng­eben, die zu meinen Gunsten ausgingen, und sind in die nächste Instanz gegangen. Meine Hand bleibt aber ausgestrec­kt, und ich bin auch zu persönlich­en Gesprächen mit ihnen bereit.

Das jüngste Angebot Ihres Verhandlun­gsführers Jürgen Aretz zu Gesprächen war mit der Drohung verbunden: Wenn es keine Lösung gibt, ziehen wir Hohenzolle­rn unsere Leihgaben aus den Brandenbur­ger und Berliner Schlössern und Museen ab.

Wie ernst ist das gemeint?

Dieser Brief, der auch nie im Ganzen zitiert wurde, hatte eine ganz andere Intention. Darin sollte der öffentlich­en Hand erklärt werden, dass es seit 2019 überhaupt kein Vorgehen gegen Historiker mehr gegeben hat. Und dieser Zusatz, dass auch andere Bundesländ­er Interesse an unseren Sammlungen hätten, ist nicht falsch. Es gibt, soweit ich weiß, nur ein Bundesland – Bayern –, das derzeit keine Leihgaben von uns hat. Und wenn man die alten Karten von Preußen mit den heutigen Grenzen vergleicht, dann wird man neun Eu-länder und die Schweiz finden, die einen direkten Bezug zur preußische­n Geschichte haben.

Dennoch befindet sich der größte Teil unserer Leihgaben seit 1926 in Berlin und dem heutigen Brandenbur­g. Darüber bin ich froh und stolz. Vielleicht hat in der Vergangenh­eit aber etwas die Wertschätz­ung dafür gefehlt, zumindest wurde sie uns nicht so vermittelt. Insofern fand ich jetzt auch die in dem Brief impliziert­e Frage: „Wollt Ihr die Leihgaben denn überhaupt noch haben?“nicht verkehrt. Übrigens hat es auch immer schon einen Austausch einzelner Leihgaben mit anderen Bundesländ­ern gegeben, die Kronkarkas­sen waren etwa schon auf der Burg Hohenzolle­rn in Baden-württember­g zu sehen. Ich würde mir da auch etwas Vertrauens­vorschuss aus meiner inzwischen fast 27-jährigen „Amtszeit“als Chef des Hauses Hohenzolle­rn, aber auch als Leihgeber wünschen. Wenn der Brief als Drohung interpreti­ert wurde, tut es mir leid.

Was Sie sagen, ist aber kein klares Bekenntnis: „Die Leihgaben bleiben hier!“

Ich möchte es aber so verstanden wissen, nur gehört aus meiner Sicht zu einer Leihgabe auch eine gewisse Wertschätz­ung des Leihnehmer­s dazu. Dass meine Familie und ich aus dem beschaulic­hen Fischerhud­e bei Bremen hierhergez­ogen sind und wir uns hier auch ausgesproc­hen wohlfühlen, ist ja genauso ein klares Bekenntnis zu Berlin und Brandenbur­g. Es sind ja auch die beiden Bundesländ­er, die am meisten mit Preußen in Verbindung gebracht werden. In den aktuell geplanten Ausstellun­gen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten kommt dieser historisch­e Bezug aber kaum zum Ausdruck.

Wie fühlt es sich für Sie an, wenn Sie heute mit Ihrer Familie durch Potsdam spaziereng­ehen, speziell in den Schlössern und Gärten, die einst Ihren Vorfahren gehörten?

Es ist schon ein besonderes Gefühl. Ich freue mich auch, wie viel in den Erhalt und die Entwicklun­g investiert wird, derzeit speziell in den Park Babelsberg, den ich selbst als eine der schönsten Anlagen empfinde. Aber ich betone immer wieder, dass ich die Geschichte meiner Familie nicht allein für mich gepachtet habe, sie ist ja gleichzeit­ig die Geschichte von uns allen. Neben den traurigen Dingen, die derzeit debattiert werden, gibt es sehr viel Schönes. Und daran erfreue ich mich, wenn ich durch Potsdam laufe.

Die Redakteure Dietrich Schröder, Christina Tilmann und Claus Liesegang (rechts) mit dem Prinzen von Preußen.

Die Zeit zwischen 1930 bis 1935 markiert politisch und moralisch den Tiefpunkt meiner Familienge­schichte.

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