„Meine Hand bleibt ausgestreckt“
Der Chef der Hohenzollern spricht über die Vermögensdebatte mit seinem Haus, warum sie eskaliert ist und wie es weitergehen sollte.
Er ist der Ururenkel des letzten deutschen Kaisers – und macht durch den Streit um das Vermögen seiner Vorfahren Schlagzeilen: Georg Friedrich Prinz von Preußen (44) äußert sich dazu jetzt in unserem Interview, in dem er um eine betont freundliche und legere Atmosphäre bemüht ist. In der Potsdamer „Generalverwaltung des vormals regierenden Preußischen Königshauses“, einer Einrichtung, die 1919 kurz nach der Abdankung von Wilhelm II. entstand, erscheint er in Jeans, Jackett und ohne Krawatte. Der Kern des Konflikts zwischen dem Chef des Hauses Hohenzollern, dem Bund und den Ländern Brandenburg und Berlin: Sollen die Hohenzollern für Enteignungen von 1945 entschädigt werden? Oder leisteten sie den Nationalsozialisten „erheblichen Vorschub“, sodass sie heute keine Ansprüche mehr stellen können?
Prinz von Preußen, nach der Wende hatte sich das Verhältnis Brandenburgs zu den Hohenzollern positiv entwickelt. Wie erklären Sie sich den Stimmungsumschwung?
Im Landtagswahlkampf 2019 sind aus Gesprächen, die zwischen mir und der öffentlichen Hand geführt werden, einzelne Dokumente sehr selektiv und aus dem Zusammenhang gerissen veröffentlicht worden. Dazu wurde von den Medien viel spekuliert und das eine oder andere nicht Zutreffende berichtet. Das ist dann immer weiter eskaliert und ging so weit, dass mir eine antidemokratische Gesinnung unterstellt wurde, was natürlich gerade für meine Familie ein besonders schwerwiegender Vorwurf ist.
In der Folge habe ich versucht, mich gegen solche Vorwürfe zu wehren und die Dinge wieder gerade zu rücken. Leider bin ich dabei aber an einigen Stellen auch auf eine Verweigerungshaltung gestoßen. Meine anschließenden Bemühungen, die eine oder andere Sache juristisch klären zu lassen, hatten wiederum den Vorwurf zur Folge, dass ich die öffentliche Meinung und die Freiheit der Wissenschaft zu beeinflussen versuche.
Sehen Sie keine eigenen Fehler?
Ich bedauere rückblickend, dass es uns nicht gelungen ist, mehr und früher mit allen Beteiligten zu sprechen. Damit meine ich auch, dass ich nicht ausreichend versucht habe, Missverständnisse auf anderem Weg auszuräumen und die Sachlage besser – auch der Öffentlichkeit – zu erklären.
Ist der Disput auch für Ihre Familie spürbar?
Es gab eine Plakataktion, auf der neben anderen Potsdamer Persönlichkeiten mein Konterfei zu sehen war und die Losung „Fürstenenteignung, jetzt sofort“oder so ähnlich. Als mich meine Kinder fragten: „Papa, warum hängt denn überall Dein Bild?“, bin ich schon zusammengezuckt. Aber man darf diesen Streit nicht zu persönlich werden lassen, sondern es geht darum, eine Lösung zu finden. Daran arbeite ich. Wir sind mit allen öffentlichen Stellen nach wie vor im Austausch. Und ich weiß auch, dass es von anderer Seite ein großes Interesse gibt. Aber es gibt eben auch so etwas wie eine Fundamentalopposition.
Die augenblickliche Situation hat sich durch Erklärungen des Landes Berlin und der Kulturstaatsministerin sowie die Initiative „Keine Geschenke an die Hohenzollern“in Brandenburg aufgeschaukelt. Wie wollen Sie die Gespräche wieder in Gang bringen?
Die Verfahrenheit der – ich nenne sie jetzt mal so – „Hohenzollern-debatte“liegt an der Komplexität des Themas. Nur etwa 20 oder 30 Prozent der Kunstsammlung sind von den juristischen Problemen umfasst. Dabei geht es um Anträge auf Ausgleichsleistungen, die mein Großvater bereits kurz nach der Deutschen Einheit gestellt hat, sowie um Verwaltungsvorgänge, die ich ererbt habe.
Außerdem sind historische Fragen zu prüfen, weshalb es auch eine historische Debatte gibt. Und das Ganze wird von einer aktuellen gesellschaftspolitischen Debatte überlagert, die weit über das hinausgeht, was nur mit den Hohenzollern zu tun hat. Der einzige erfolgversprechende Weg besteht wohl darin, jeden Bereich für sich zu behandeln. Und wenn es notwendig ist, dass der juristische Teil von Richtern geklärt werden muss, bin ich bereit diesen Weg zu gehen.
Ein wichtiger Punkt ist, dass viele Menschen von Ihnen eine kritische Äußerung über die Rolle Ihrer Familie in der Nazizeit erwarten, weil von dieser Frage ja die Entschädigungszahlungen abhängig sind. Warum fällt es Ihnen so schwer, dazu etwas zu sagen?
Das fällt mir überhaupt nicht schwer, zumal ich die Quellenlage aus unserem eigenen Archiv dazu kenne. Ich mache keinen Hehl daraus, dass die Zeit zwischen 1930 bis 1935 in politischer und moralischer Hinsicht den Tiefpunkt meiner Familiengeschichte markiert. Nicht nur mit heutigen, sondern auch an den damaligen Maßstäben gemessen ist die Rolle des damaligen Kronprinzen Wilhelm sehr fragwürdig. Er war fest davon überzeugt, eine Rückkehr zur Monarchie mit ihm an der Spitze wäre möglich. Ich persönlich bin der Meinung, dass er sich selbst gnadenlos überschätzt hat.
Mit Sicherheit hat er auch irgendwann das verbrecherische System erkannt. Leider hatte er nicht die moralische Größe und den Mut, sich dem entgegenzustellen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass im Röhm-putsch 1934 einige seiner engsten Vertrauten entweder misshandelt oder umgebracht wurden. Es ist davon auszugehen, dass auch er seitdem in konstanter Sorge um sich und seine Familie gelebt hat. Interessanterweise haben sich die Historiker aber nie so intensiv mit meinem Urgroßvater auseinandergesetzt, wie es heute der Fall ist.
Hingegen wird immer wieder damit vermischt, dass es andere Familienmitglieder gab, wie etwa den Prinzen August Wilhelm, der sich sehr proaktiv für den Nationalsozialismus eingesetzt hat und auch Mitglied der NSDAP war. Auch die Kronprinzessin Cecilie und die zweite Frau des Kaisers, Hermine, haben eine gewisse Rolle gespielt. Das gilt es alles zu beleuchten.
In der Frage, ob Ihr Haus Anspruch auf Entschädigung für die Enteignungen 1945 hat, geht es darum, ob die Hohenzollern den Nazis „erheblichen Vorschub“geleistet haben.
Richtig. Ich selber möchte mich aber gar nicht auf eine Debatte zu diesem Terminus einlassen, sondern will befördern, dass sie geführt werden kann, indem wir etwa den Zugang zu unseren Archiven bieten. Die historische Frage, welche Rolle meine Familie zwischen 1930 und 1935 gespielt hat, ist aus meiner Sicht noch gar nicht richtig aufgearbeitet. Ich denke, wir können sie erst führen, wenn es eine wirklich fundierte Grundlage dafür gibt. Um dazu beizutragen, habe ich im vergangenen Jahr eine Forschungsinitiative des Bremer Historikers Lothar Machtan aufgegriffen und gefördert, der sich erwiesenermaßen schon sehr kritisch mit unserem Haus auseinandergesetzt hat. Er hat in unserem Hausarchiv spannende Quellen entdeckt und schreibt derzeit an dem bisher umfangreichsten Werk, das die politische Rolle des Kronprinzen in dieser dunklen Zeit akribisch aufarbeitet.
Die Hoffnung, dass ein Verwaltungsgericht jetzt ein für alle Mal über die deutsche Geschichte entscheidet, greift aus meiner Sicht dagegen viel zu kurz. Denn ich bin mir sicher, dass selbst wenn jetzt Gerichte entscheiden, die historische Debatte darüber hinaus geführt wird und auch geführt werden muss.
Mit juristischen Mitteln gegen Historiker vorzugehen, wie Sie es in einigen Fällen getan haben, hilft dieser Debatte aber nicht.
Der Vorwurf, dass ich die Wissenschaft angreifen würde, hat mich mit am meisten getroffen. Vor allem, weil meine Familie eine große Tradition bei der Förderung der Wissenschaft hat. Gerade in der Zeit des Deutschen Kaiserreichs stand Wilhelm II. dabei mit an erster Stelle. Auch ich habe mich jahrelang als Berater am Thema Technologietransfer und Ausgründungen aus Forschungseinrichtungen beteiligt. Den Vorwurf, dass ich die Wissenschaft einschränken würde, weise ich weit von mir. Es gab sechs Fälle, bei denen im Rahmen von Interviews oder Gesprächen falsche Dinge von Wissenschaftlern behauptet wurden und wir dann um Richtigstellung gebeten hatten. In zwei Fällen wollten sich die Historiker Dr. Süß und Dr. Malinowski nicht mit Gerichtsentscheidungen zufriedengeben, die zu meinen Gunsten ausgingen, und sind in die nächste Instanz gegangen. Meine Hand bleibt aber ausgestreckt, und ich bin auch zu persönlichen Gesprächen mit ihnen bereit.
Das jüngste Angebot Ihres Verhandlungsführers Jürgen Aretz zu Gesprächen war mit der Drohung verbunden: Wenn es keine Lösung gibt, ziehen wir Hohenzollern unsere Leihgaben aus den Brandenburger und Berliner Schlössern und Museen ab.
Wie ernst ist das gemeint?
Dieser Brief, der auch nie im Ganzen zitiert wurde, hatte eine ganz andere Intention. Darin sollte der öffentlichen Hand erklärt werden, dass es seit 2019 überhaupt kein Vorgehen gegen Historiker mehr gegeben hat. Und dieser Zusatz, dass auch andere Bundesländer Interesse an unseren Sammlungen hätten, ist nicht falsch. Es gibt, soweit ich weiß, nur ein Bundesland – Bayern –, das derzeit keine Leihgaben von uns hat. Und wenn man die alten Karten von Preußen mit den heutigen Grenzen vergleicht, dann wird man neun Eu-länder und die Schweiz finden, die einen direkten Bezug zur preußischen Geschichte haben.
Dennoch befindet sich der größte Teil unserer Leihgaben seit 1926 in Berlin und dem heutigen Brandenburg. Darüber bin ich froh und stolz. Vielleicht hat in der Vergangenheit aber etwas die Wertschätzung dafür gefehlt, zumindest wurde sie uns nicht so vermittelt. Insofern fand ich jetzt auch die in dem Brief implizierte Frage: „Wollt Ihr die Leihgaben denn überhaupt noch haben?“nicht verkehrt. Übrigens hat es auch immer schon einen Austausch einzelner Leihgaben mit anderen Bundesländern gegeben, die Kronkarkassen waren etwa schon auf der Burg Hohenzollern in Baden-württemberg zu sehen. Ich würde mir da auch etwas Vertrauensvorschuss aus meiner inzwischen fast 27-jährigen „Amtszeit“als Chef des Hauses Hohenzollern, aber auch als Leihgeber wünschen. Wenn der Brief als Drohung interpretiert wurde, tut es mir leid.
Was Sie sagen, ist aber kein klares Bekenntnis: „Die Leihgaben bleiben hier!“
Ich möchte es aber so verstanden wissen, nur gehört aus meiner Sicht zu einer Leihgabe auch eine gewisse Wertschätzung des Leihnehmers dazu. Dass meine Familie und ich aus dem beschaulichen Fischerhude bei Bremen hierhergezogen sind und wir uns hier auch ausgesprochen wohlfühlen, ist ja genauso ein klares Bekenntnis zu Berlin und Brandenburg. Es sind ja auch die beiden Bundesländer, die am meisten mit Preußen in Verbindung gebracht werden. In den aktuell geplanten Ausstellungen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten kommt dieser historische Bezug aber kaum zum Ausdruck.
Wie fühlt es sich für Sie an, wenn Sie heute mit Ihrer Familie durch Potsdam spazierengehen, speziell in den Schlössern und Gärten, die einst Ihren Vorfahren gehörten?
Es ist schon ein besonderes Gefühl. Ich freue mich auch, wie viel in den Erhalt und die Entwicklung investiert wird, derzeit speziell in den Park Babelsberg, den ich selbst als eine der schönsten Anlagen empfinde. Aber ich betone immer wieder, dass ich die Geschichte meiner Familie nicht allein für mich gepachtet habe, sie ist ja gleichzeitig die Geschichte von uns allen. Neben den traurigen Dingen, die derzeit debattiert werden, gibt es sehr viel Schönes. Und daran erfreue ich mich, wenn ich durch Potsdam laufe.
Die Redakteure Dietrich Schröder, Christina Tilmann und Claus Liesegang (rechts) mit dem Prinzen von Preußen.
Die Zeit zwischen 1930 bis 1935 markiert politisch und moralisch den Tiefpunkt meiner Familiengeschichte.