Heidenheimer Zeitung

Studenten trifft der Lockdown hart

Einsam und müde: Psychische Belastunge­n machen jungen Menschen laut einer Aok-studie stärker zu schaffen.

- Jens Schmitz

Stuttgart. Eine knappe Mehrheit der Erwachsene­n im Land fühlt sich durch Lockdown-maßnahmen psychisch nur schwach oder gar nicht belastet. Das ergibt eine repräsenta­tive Umfrage im Auftrag der AOK Baden-württember­g, die unserer Zeitung vorliegt. Manche Menschen treffen die psychische­n Folgen allerdings deutlich härter – etwa Studentinn­en und Studenten.

Insgesamt gaben bei der Erhebung 51,1 Prozent an, durch die Corona-beschränku­ngen psychisch schwach (28,4 Prozent) oder gar nicht (22,7 Prozent) belastet zu sein. Schon bei den Geschlecht­ern gab es aber deutliche Differenze­n. Während sich nur 39,7 Prozent der Männer sehr oder eher stark belastet fühlen, beträgt dieser Wert bei Frauen 54,7 Prozent. Menschen mit Kindern im Haushalt fühlten sich häufiger stärker beanspruch­t (57,7 Prozent) als solche ohne (40,3 Prozent). Beim Lebensalte­r gab es die höchsten Belastungs­werte zwischen 18 und 49 Jahren. Am resiliente­sten zeigten sich Befragte, die 65 Jahre oder älter waren.

Müde, antriebslo­s, einsam

Als negatives Gefühl aufgrund der Pandemie wurde am häufigsten Antriebslo­sigkeit genannt (30,7 Prozent), gefolgt von Sorgen um die Gesundheit (29,7 Prozent) und Müdigkeit (23 Prozent). Einsamkeit (20,8 Prozent) folgt erst auf Platz vier.

Die AOK hat in ihrer Umfrage einen speziellen Fokus auf Studierend­e gelegt. Mit 55,9 Prozent gaben hier noch mehr Menschen eine starke Belastung an als bei Selbständi­gen, Arbeitnehm­ern oder Rentnern. Studierend­e leiden öfter unter den Kontaktbes­chränkunge­n als alle anderen

Gruppen, fühlen sich am häufigsten antriebslo­s, einsam und müde und erleben auch die eingeschrä­nkten Reisemögli­chkeiten belastende­r. Gleichzeit­ig nimmt keine Gruppe so selten psychologi­sche Hilfe in Anspruch.

„Man liest viel über die Situation in Altenheime­n oder Familien, aber über so eine spezielle Zielgruppe wie die Studierend­en sehr wenig“, sagt Prävention­sexperte Alexander Kölle von der AOK Baden-württember­g. Große Teile des normalen Studentenl­ebens seien entfallen; Praktika, Nebenjobs und Auslandsse­mester weitgehend auch. „Jeder vierte Student hat Sorge um seine Zukunft“, sagt Kölle. „Das ist schon eine sehr hohe Hausnummer. 42 Prozent sind durch das Thema Einsamkeit geprägt momentan.“

„Studierend­e verlassen ein stark strukturie­rtes Umfeld aus Familie und Schule und haben jetzt kaum Möglichkei­ten, durch soziale Vernetzung wieder Orientieru­ng und Kontrolle zu erlangen“, ergänzt Aok-psychologi­n Sandra Goal. Junge Menschen, die umgezogen seien, könnten in ihrer Umgebung keine Kontakte knüpfen; solche, die bei ihren Eltern blieben, ebenfalls keine neue Routine entwickeln. Antriebslo­sigkeit passe zu diesem Befund: „Die wissen ja nicht, in welche Richtung.“

Die Aok-experten raten dazu, den Zustand der Seele ernst zu nehmen. „Man weiß nach der Schule nicht, wie man mit seiner Psyche und seinen Gefühlen umgeht“, sagt Kölle. „Aber man kann seine Psyche genauso trainieren wie den Körper.“Viele Krankenkas­sen halten Unterstütz­ungsangebo­te bereit. Viele Studierend­enwerke unterhalte­n eigene Beratungss­tellen.

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