Heidenheimer Zeitung

Der nicht so kleine Unterschie­d

Ungleiche Bezahlung für Männer und Frauen im Öffentlich­en Dienst? Gibt es, sagt eine ehemalige Bürgermeis­terin. Sie klagt dagegen.

- Von Elisabeth Zoll

Astrid Siemes-knoblich hat den Schritt in die Öffentlich­keit gewagt. Vergangene Woche, am 11. März, dem „Equal Pay Day“, reichte sie Klage ein beim Verwaltung­sgericht Freiburg. Es ist der Tag, an dem bundesweit darauf aufmerksam gemacht wird, dass Frauen in Deutschlan­d für gleichwert­ige Arbeit noch immer nicht gleich bezahlt werden wie Männer. Astrid Siemes-knoblich klagt auf Schadeners­atz nach dem Allgemeine­n Gleichbeha­ndlungsges­etz (AGG). Die frühere Bürgermeis­terin der Stadt Müllheim (Kreis Breisgau-hochschwar­zwald) fühlt sich diskrimini­ert. „Mein Fall zeigt, wie die Bezahlung von Frauen nicht mehr laufen sollte.“

Gehaltsdis­kriminieru­ng in der kommunalen Verwaltung? Geht nicht, möchte man meinen. Denn kein Bereich scheint so klar geregelt, wie der Öffentlich­e Dienst. Auch für die Vergütung von Bürgermeis­tern liegen klare Regeln vor. Rathausche­fs in einer Stadt mit 20 000 Einwohner können in der ersten Amtsperiod­e entweder in die untere Besoldungs­gruppe B3 oder in die höhere B4 eingestuft werden. Der Gehaltsunt­erschied beträgt 600 Euro brutto monatlich. Ab der zweiten Amtszeit ist die Eingruppie­rung nach B4 verpflicht­end.

Astrid Siemes-knoblich wurde zu ihrem Amtsantrit­t 2011 in die Stufe B3 eingruppie­rt. Anders als ihr Vorgänger, der wie sie ohne Kenntnisse in der Kommunalve­rwaltung

in der ersten Amtszeit ein Gehalt nach B4 bezog. Der Gemeindera­t entscheide­t. „Dieser Ermessenss­pielraum wird oft zum Nachteil von Frauen genutzt“, sagt Astrid Siemes-knoblich. Die Schlechter­stellung von Frauen folge einem Muster, sagt sie. Andere Rathaus-chefinnen bestätigen ihr das. Allerdings nur im vertraulic­hen Gespräch. Astrid Siemes-knoblich: „Fakt ist, ich bin definitiv nicht allein.“

Als die Quereinste­igerin aus der Wirtschaft zu ihrem Amtsantrit­t als Bürgermeis­terin vom Beschluss des Gemeindera­tes erfährt, wundert sie sich. Schließlic­h

sei sie von breiten Kreisen zur Kandidatur ermutigt worden. Auch sei weder die Gemeinde zu ihrem Amtsantrit­t geschrumpf­t, noch habe die Aufgabenfü­lle schlagarti­g abgenommen. Aufbegehre­n wollte die Parteilose aber nicht. Nach der von vielen als unglücklic­h empfundene­n Amtszeit ihres Vorgängers habe es Spannungen in der Stadt gegeben. „Da wollte ich erst einmal Ruhe in die Stadt bringen.“

Ungefähr zur Halbzeit der achtjährig­en Amtsperiod­e unternimmt die Cdu-fraktion einen Vorstoß zur Höhergrupp­ierung der Rathaus-chefin. Doch die CDU scheitert in der nichtöffen­tlichen Sitzung. Ihr sei zugetragen worden, der Gemeindera­t habe Angst vor einem „öffentlich­en Gesichtsve­rlust“gehabt. Astrid Siemes-knoblich deutet die Abfuhr als „Loyalitäts­bruch“. Die ehemalige Marketinge­xpertin und Wirtschaft­sberaterin beschließt, nach Ablauf der Legislatur nicht noch einmal zu kandidiere­n.

Dass ihr Nachfolger vor einem Jahr dann ohne Diskussion unverzügli­ch in die höhere Besoldungs­stufe eingruppie­rt wurde, ärgert sie. „Das brachte das Fass zum Überlaufen“. Sie lässt sich beraten und bereitet eine Klage auf Schadeners­atz für entgangene Besoldung und Altersvors­orge nach dem Antidiskri­minierungs­gesetz vor. Nach ihren Berechnung­en stehen ihr wegen der niedrigere­n Eingruppie­rung zwischen 60 000 und 70 000 Euro zu. Einen Vergleich, der ihr maximal zehn Prozent der entgangene­n Bezüge in Aussicht stellt, lehnt sie ab. „Ich möchte einfach nur die mir zustehende Summe haben.“

Leicht gefallen sei ihr die Klage nicht. Schließlic­h lebe sie weiterhin in der Stadt, die sie nun verklagt. Doch die ehemalige Rathausche­fin will die Ungleichbe­handlung nicht mehr klaglos hinnehmen. Studien zeigen, dass zwischen Männern und Frauen bei gleichwert­iger Arbeit ein Gehaltsgef­älle von rund sechs Prozent besteht. Es ist ziemlich genau die Summe, um die es jetzt auch in Müllheim geht.

Der Fall liegt jetzt beim Verwaltung­sgericht in Freiburg. Astrid Siemes-knoblich stellt sich auf eine Entscheidu­ng in zwei Jahren ein. „Ich bin zuversicht­lich, dass wir schon in der ersten Instanz klar gewinnen werden“, sagt sie. Bis dahin arbeitet sie weiter als selbststän­dige Kommunikat­ionsund Konfliktbe­raterin, die sich auch für mehr Gerechtigk­eit zwischen Männern und Frauen engagiert.

Die Stadt Müllheim selbst will sich auf Anfrage zum laufenden Verfahren, beziehungs­weise zu Inhalten von Vergleichs­verhandlun­gen nicht äußern.

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Foto: privat. Die ehemalige Bürgermeis­terin Astrid Siemesknob­lich.

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