Der nicht so kleine Unterschied
Ungleiche Bezahlung für Männer und Frauen im Öffentlichen Dienst? Gibt es, sagt eine ehemalige Bürgermeisterin. Sie klagt dagegen.
Astrid Siemes-knoblich hat den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt. Vergangene Woche, am 11. März, dem „Equal Pay Day“, reichte sie Klage ein beim Verwaltungsgericht Freiburg. Es ist der Tag, an dem bundesweit darauf aufmerksam gemacht wird, dass Frauen in Deutschland für gleichwertige Arbeit noch immer nicht gleich bezahlt werden wie Männer. Astrid Siemes-knoblich klagt auf Schadenersatz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Die frühere Bürgermeisterin der Stadt Müllheim (Kreis Breisgau-hochschwarzwald) fühlt sich diskriminiert. „Mein Fall zeigt, wie die Bezahlung von Frauen nicht mehr laufen sollte.“
Gehaltsdiskriminierung in der kommunalen Verwaltung? Geht nicht, möchte man meinen. Denn kein Bereich scheint so klar geregelt, wie der Öffentliche Dienst. Auch für die Vergütung von Bürgermeistern liegen klare Regeln vor. Rathauschefs in einer Stadt mit 20 000 Einwohner können in der ersten Amtsperiode entweder in die untere Besoldungsgruppe B3 oder in die höhere B4 eingestuft werden. Der Gehaltsunterschied beträgt 600 Euro brutto monatlich. Ab der zweiten Amtszeit ist die Eingruppierung nach B4 verpflichtend.
Astrid Siemes-knoblich wurde zu ihrem Amtsantritt 2011 in die Stufe B3 eingruppiert. Anders als ihr Vorgänger, der wie sie ohne Kenntnisse in der Kommunalverwaltung
in der ersten Amtszeit ein Gehalt nach B4 bezog. Der Gemeinderat entscheidet. „Dieser Ermessensspielraum wird oft zum Nachteil von Frauen genutzt“, sagt Astrid Siemes-knoblich. Die Schlechterstellung von Frauen folge einem Muster, sagt sie. Andere Rathaus-chefinnen bestätigen ihr das. Allerdings nur im vertraulichen Gespräch. Astrid Siemes-knoblich: „Fakt ist, ich bin definitiv nicht allein.“
Als die Quereinsteigerin aus der Wirtschaft zu ihrem Amtsantritt als Bürgermeisterin vom Beschluss des Gemeinderates erfährt, wundert sie sich. Schließlich
sei sie von breiten Kreisen zur Kandidatur ermutigt worden. Auch sei weder die Gemeinde zu ihrem Amtsantritt geschrumpft, noch habe die Aufgabenfülle schlagartig abgenommen. Aufbegehren wollte die Parteilose aber nicht. Nach der von vielen als unglücklich empfundenen Amtszeit ihres Vorgängers habe es Spannungen in der Stadt gegeben. „Da wollte ich erst einmal Ruhe in die Stadt bringen.“
Ungefähr zur Halbzeit der achtjährigen Amtsperiode unternimmt die Cdu-fraktion einen Vorstoß zur Höhergruppierung der Rathaus-chefin. Doch die CDU scheitert in der nichtöffentlichen Sitzung. Ihr sei zugetragen worden, der Gemeinderat habe Angst vor einem „öffentlichen Gesichtsverlust“gehabt. Astrid Siemes-knoblich deutet die Abfuhr als „Loyalitätsbruch“. Die ehemalige Marketingexpertin und Wirtschaftsberaterin beschließt, nach Ablauf der Legislatur nicht noch einmal zu kandidieren.
Dass ihr Nachfolger vor einem Jahr dann ohne Diskussion unverzüglich in die höhere Besoldungsstufe eingruppiert wurde, ärgert sie. „Das brachte das Fass zum Überlaufen“. Sie lässt sich beraten und bereitet eine Klage auf Schadenersatz für entgangene Besoldung und Altersvorsorge nach dem Antidiskriminierungsgesetz vor. Nach ihren Berechnungen stehen ihr wegen der niedrigeren Eingruppierung zwischen 60 000 und 70 000 Euro zu. Einen Vergleich, der ihr maximal zehn Prozent der entgangenen Bezüge in Aussicht stellt, lehnt sie ab. „Ich möchte einfach nur die mir zustehende Summe haben.“
Leicht gefallen sei ihr die Klage nicht. Schließlich lebe sie weiterhin in der Stadt, die sie nun verklagt. Doch die ehemalige Rathauschefin will die Ungleichbehandlung nicht mehr klaglos hinnehmen. Studien zeigen, dass zwischen Männern und Frauen bei gleichwertiger Arbeit ein Gehaltsgefälle von rund sechs Prozent besteht. Es ist ziemlich genau die Summe, um die es jetzt auch in Müllheim geht.
Der Fall liegt jetzt beim Verwaltungsgericht in Freiburg. Astrid Siemes-knoblich stellt sich auf eine Entscheidung in zwei Jahren ein. „Ich bin zuversichtlich, dass wir schon in der ersten Instanz klar gewinnen werden“, sagt sie. Bis dahin arbeitet sie weiter als selbstständige Kommunikationsund Konfliktberaterin, die sich auch für mehr Gerechtigkeit zwischen Männern und Frauen engagiert.
Die Stadt Müllheim selbst will sich auf Anfrage zum laufenden Verfahren, beziehungsweise zu Inhalten von Vergleichsverhandlungen nicht äußern.