Großzügige „Maas-airline“
Die vor einem Jahr zurückgeholten Urlauber sollten ihren Flug selbst bezahlen. Doch noch immer sind viele Rechnungen offen.
Als Corona vor einem Jahr die Welt zum Stillstand brachte, war Elena auf dem Brinke gerade in Marokko unterwegs. Und wie Hunderttausende Urlauber auf der ganzen Welt saß sie plötzlich fest zwischen geschlossenen Hotels und gestrichenen Flügen. Nach Hause ging es schließlich per Rückholaktion des Auswärtigen Amts – bei der Landung in Frankfurt am Main, so berichtete die Ärztin damals dieser Zeitung, „wurde gejubelt und geklatscht“. Die schon im Flugzeug angekündigte Rechnung für den Rettungsflug kam bei auf dem Brinke bereits vor Monaten an und ist längst bezahlt.
So wie der Berlinerin erging es im Frühling vergangenen Jahres rund 67 000 Deutschen und anderen Eu-bürgern. Sie wurden bei der größten Rückholaktion in der Geschichte der Bundesrepublik auf Initiative von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) aus ihren Urlaubsorten geholt. Weitere rund 170 000 wurden von Pauschalreiseveranstaltern zurückgeflogen. Allein die Aktion der „Maas-airline“kostete nach Angaben des Auswärtigen Amts 93,8 Millionen Euro. Das Problem dabei: Ein Jahr danach hat die Regierung von den Passagieren erst rund ein Fünftel der Summe, 17,9 Millionen Euro, eintreiben können.
Ziel war es eigentlich, von den Urlaubern, deren Rückholkosten nicht durch Pauschalreiseveranstalter gedeckt waren, knapp die Hälfte der Kosten wieder hereinzuholen. Aber laut Auswärtigem Amt sind rund 21 000 Rechnungen noch nicht verschickt worden. Als Gründe für die Zeitverzögerung nennt die Behörde den bürokratischen Aufwand und die erschwerten Arbeitsbedingungen während der Pandemie.
Tatsächlich sind Zehntausende Rückholungen innerhalb weniger Wochen ein extremer Sonderfall
für das Auswärtige Amt. In normalen Jahren hat man es im Schnitt mit rund 800 Konsularfällen zu tun – Deutschen also, die im Ausland in Schwierigkeiten geraten sind und denen man beispielsweise bei der Heimreise helfen muss.
Manche wehren sich vor Gericht
Die Aktion war vor einem Jahr gestartet worden, nachdem viele Urlaubsländer ihre Grenzen kurzfristig geschlossen hatten und die meisten Flüge ausgefallen waren. Vor allem Individualreisende mussten vom Auswärtigen Amt mit Fliegern der Lufthansa aus ihren Ferienorten geholt werden. Der überwiegende Teil der Pauschalurlauber wurde von den Reiseveranstaltern zurückgebracht. Zusatzkosten fielen für diese Gruppe dadurch nicht an.
Elena auf dem Brinke gehört zu den rund 80 Prozent, die ihre vom Auswärtigen Amt erhaltene Rechnung fristgerecht beglichen haben. Andere Passagiere wehren sich jedoch dagegen, für ihren Rückflug aufkommen zu müssen. 113 solche Gerichtsverfahren laufen derzeit, noch in keinem gibt es eine Entscheidung. Ein in diesen Fällen häufig vorgebrachtes
Argument lautet, man sei gegen seinen Willen abgeholt worden und wolle dafür jetzt nicht auch noch bezahlen.
Den Rechnungen liegen Preise zugrunde, die sich an günstigen Flugtickets in die jeweiligen Länder orientieren. So kosten Rückholungen etwa von den Kanarischen Inseln und Nordafrika rund 200 Euro, Rückkehrer aus Südamerika und Asien müssen etwa 600 Euro bezahlen. Am teuersten sind die Neuseeland-, Australienund Südsee-tickets mit 1000 Euro. Der am weitesten abgelegene Ort, aus dem Deutsche abgeholt wurden, waren die Cook-inseln im Südpazifik.
Laut Verbraucherschützern bleiben zurückgeholte Urlauber nicht zwangsläufig auf ihren Kosten sitzen. Individualreisende, die ihren Flug bei einer Airline in der EU gebucht hatten, können nach Angaben von Robert Bartel von der Verbraucherzentrale Brandenburg das Geld von der Fluggesellschaft zurückfordern. Die Minderheit von Pauschalreisenden, die die „Maas-airline“in Anspruch nehmen musste, hat laut Bartels Anspruch darauf, ihre Kosten vom jeweiligen Reiseveranstalter erstattet zu bekommen.