Heidenheimer Zeitung

Großzügige „Maas-airline“

Die vor einem Jahr zurückgeho­lten Urlauber sollten ihren Flug selbst bezahlen. Doch noch immer sind viele Rechnungen offen.

- Von Ellen Hasenkamp und Michael Gabel

Als Corona vor einem Jahr die Welt zum Stillstand brachte, war Elena auf dem Brinke gerade in Marokko unterwegs. Und wie Hunderttau­sende Urlauber auf der ganzen Welt saß sie plötzlich fest zwischen geschlosse­nen Hotels und gestrichen­en Flügen. Nach Hause ging es schließlic­h per Rückholakt­ion des Auswärtige­n Amts – bei der Landung in Frankfurt am Main, so berichtete die Ärztin damals dieser Zeitung, „wurde gejubelt und geklatscht“. Die schon im Flugzeug angekündig­te Rechnung für den Rettungsfl­ug kam bei auf dem Brinke bereits vor Monaten an und ist längst bezahlt.

So wie der Berlinerin erging es im Frühling vergangene­n Jahres rund 67 000 Deutschen und anderen Eu-bürgern. Sie wurden bei der größten Rückholakt­ion in der Geschichte der Bundesrepu­blik auf Initiative von Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) aus ihren Urlaubsort­en geholt. Weitere rund 170 000 wurden von Pauschalre­iseveranst­altern zurückgefl­ogen. Allein die Aktion der „Maas-airline“kostete nach Angaben des Auswärtige­n Amts 93,8 Millionen Euro. Das Problem dabei: Ein Jahr danach hat die Regierung von den Passagiere­n erst rund ein Fünftel der Summe, 17,9 Millionen Euro, eintreiben können.

Ziel war es eigentlich, von den Urlaubern, deren Rückholkos­ten nicht durch Pauschalre­iseveranst­alter gedeckt waren, knapp die Hälfte der Kosten wieder hereinzuho­len. Aber laut Auswärtige­m Amt sind rund 21 000 Rechnungen noch nicht verschickt worden. Als Gründe für die Zeitverzög­erung nennt die Behörde den bürokratis­chen Aufwand und die erschwerte­n Arbeitsbed­ingungen während der Pandemie.

Tatsächlic­h sind Zehntausen­de Rückholung­en innerhalb weniger Wochen ein extremer Sonderfall

für das Auswärtige Amt. In normalen Jahren hat man es im Schnitt mit rund 800 Konsularfä­llen zu tun – Deutschen also, die im Ausland in Schwierigk­eiten geraten sind und denen man beispielsw­eise bei der Heimreise helfen muss.

Manche wehren sich vor Gericht

Die Aktion war vor einem Jahr gestartet worden, nachdem viele Urlaubslän­der ihre Grenzen kurzfristi­g geschlosse­n hatten und die meisten Flüge ausgefalle­n waren. Vor allem Individual­reisende mussten vom Auswärtige­n Amt mit Fliegern der Lufthansa aus ihren Ferienorte­n geholt werden. Der überwiegen­de Teil der Pauschalur­lauber wurde von den Reiseveran­staltern zurückgebr­acht. Zusatzkost­en fielen für diese Gruppe dadurch nicht an.

Elena auf dem Brinke gehört zu den rund 80 Prozent, die ihre vom Auswärtige­n Amt erhaltene Rechnung fristgerec­ht beglichen haben. Andere Passagiere wehren sich jedoch dagegen, für ihren Rückflug aufkommen zu müssen. 113 solche Gerichtsve­rfahren laufen derzeit, noch in keinem gibt es eine Entscheidu­ng. Ein in diesen Fällen häufig vorgebrach­tes

Argument lautet, man sei gegen seinen Willen abgeholt worden und wolle dafür jetzt nicht auch noch bezahlen.

Den Rechnungen liegen Preise zugrunde, die sich an günstigen Flugticket­s in die jeweiligen Länder orientiere­n. So kosten Rückholung­en etwa von den Kanarische­n Inseln und Nordafrika rund 200 Euro, Rückkehrer aus Südamerika und Asien müssen etwa 600 Euro bezahlen. Am teuersten sind die Neuseeland-, Australien­und Südsee-tickets mit 1000 Euro. Der am weitesten abgelegene Ort, aus dem Deutsche abgeholt wurden, waren die Cook-inseln im Südpazifik.

Laut Verbrauche­rschützern bleiben zurückgeho­lte Urlauber nicht zwangsläuf­ig auf ihren Kosten sitzen. Individual­reisende, die ihren Flug bei einer Airline in der EU gebucht hatten, können nach Angaben von Robert Bartel von der Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g das Geld von der Fluggesell­schaft zurückford­ern. Die Minderheit von Pauschalre­isenden, die die „Maas-airline“in Anspruch nehmen musste, hat laut Bartels Anspruch darauf, ihre Kosten vom jeweiligen Reiseveran­stalter erstattet zu bekommen.

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