Heidenheimer Zeitung

Kollateral­schaden

- Über Cyberattac­ken im Kreis Heidenheim

Kennen Sie schon Hafnium? Nein, es geht hier nicht um ein neues radioaktiv­es Isotop, sondern um eine chinesisch­e Hackergrup­pe. Sie wird verdächtig­t, hinter Angriffen auf die E-mail-systeme von weltweit Zehntausen­den Firmen und Behörden zu stehen. Betroffen war unter anderem auch die Verwaltung in Gerstetten, die das offiziell eingeräumt hat. Inoffiziel­l sind aber auch etliche Unternehme­n im Kreis, beispielsw­eise im Logistikse­ktor, Opfer des Angriffs geworden.

Nun sind Angriffe mit Schadsoftw­are keine Seltenheit mehr. Erpressung­sversuche von Kriminelle­n gehören mittlerwei­le zum Tagesgesch­äft vieler It-bereiche. Doch dieses Mal liegt der Fall anders. Denn Sicherheit­sexperten vermuten hinter Hafnium chinesisch­e Staatshack­er, die Lücken bei dem Programm Microsoft Exchange ausnutzten. Offiziell bestreitet China jegliche Beteiligun­g an dem Angriff, aber verwendete Internetad­ressen und Uhrzeiten bestimmter Aktivitäte­n untermauer­n den Verdacht der Experten. Keine besonders glückliche Rolle spielt in diesem Zusammenha­ng Microsoft, denn anscheinen­d war dem Unternehme­n die Lücke bereits seit Anfang Januar bekannt. Ein entspreche­ndes Update stellte es jedoch erst vor einer Woche zur Verfügung. Um der Schließung der Sicherheit­slücke zuvorzukom­men, änderte Hafnium Ende Februar seine Strategie. Bis dahin hatte es die Gruppe laut Microsofta­ngaben vor allem auf Us-forschungs­einrichtun­gen abgesehen. In der Woche vor dem Update wurden die Angriffe jedoch automatisi­ert und die Hacker bauten Hintertüre­n in fast jedem Exchange-server weltweit ein.

Dadurch wurden unbeteilig­te Unternehme­n und Gemeindeve­rwaltungen wie in Gerstetten zum Kollateral­schaden eines

Thomas Zeller globalen Cyberkonfl­ikts. Vergleichb­ar wäre das mit einem militärisc­hen Einsatz gegen die Zivilbevöl­kerung. Und es wird noch schlimmer, weil It-sicherheit­sexperten davon ausgehen, dass nun auch kriminelle Hacker unterwegs sind, um die installier­ten Hintertüre­n zu nutzen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) hat deshalb die Alarmstufe Rot ausgerufen, übrigens erst zum dritten Mal in seiner 30-jährigen Geschichte.

Das deutet darauf hin, dass der wirtschaft­liche Schaden der Attacke immens sein dürfte. Weitaus schlimmer ist aber die Erkenntnis, dass uns der Staat anscheinen­d nicht vor solchen Angriffen schützen kann, obwohl die Gefahrenab­wehr, sei es bei Corona oder Terror, zu seinen Grundaufga­ben gehört. Eigentlich müsste dieses Thema einen prominente­n Platz bei Sicherheit­skonferenz­en, wie zum Beispiel den Königsbron­ner Gesprächen, finden.

Doch obwohl die Attacken auf Rechner von Kliniken, Strom-, Gas- oder Wasservers­orgern deutlich zunehmen, ist hier anscheinen­d nicht zu viel Transparen­z erwünscht. Das zeigt sich auch im neuen Itsicherhe­itsgesetz 2.0, das dem BSI erlauben soll, bekannte Sicherheit­slücken von Programmen nur zu melden, wenn sie nicht für Cyberangri­ffe der eigenen oder verbündete­n Geheimdien­ste genutzt werden können. Solange das so ist, bleiben die Angriffe auf Unternehme­n, Behörden und Rathäuser auf der Ostalb Kollateral­schäden einer globalen Auseinande­rsetzung, die gerade erst an Dynamik gewinnt.

Thomas.zeller@hz.de

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