Heidenheimer Zeitung

Kontrolle mit Umsicht

Chefs dürfen Beschäftig­te in ihrem dienstlich­en Umfeld unter bestimmten Voraussetz­ungen überwachen. Dabei müssen sie so vorgehen, dass die Maßnahmen und ihre Ergebnisse nachvollzi­ehbar sind.

- Sabine Meuter

Gegenseiti­ges Vertrauen und wertschätz­ender Umgang machen ein gutes Betriebskl­ima aus. Doch nicht immer geht es in Unternehme­n harmonisch zu. Mitunter erwägen Arbeitgebe­r, den einen oder anderen Mitarbeite­r in seinem dienstlich­en Umfeld oder vielleicht sogar alle Beschäftig­ten an ihren Arbeitsplä­tzen zu überwachen.

„Es muss schon einen triftigen Grund für die Mitarbeite­rüberwachu­ng geben“, stellt Nathalie Oberthür klar, Fachanwält­in für Arbeitsrec­ht in Köln. Das kann bei einem konkreten Verdacht auf einen schwerwieg­enden Pflichtver­stoß oder auf eine Straftat der Fall sein. Was nicht erlaubt ist: „Einen Mitarbeite­r ohne jeden Anlass per Videokamer­a zu überwachen“, erklärt Daniel Stach, Gewerkscha­ftssekretä­r im Bereich Recht und Rechtspoli­tik der Gewerkscha­ft Verdi. Ebenfalls ist es nicht zulässig, wenn Arbeitgebe­r mithilfe eines entspreche­nden Softwarepr­ogramms kontrollie­ren, ob Mitarbeite­r während der Dienstzeit ihren PC privat nutzen.

Sind Arbeitgebe­r in Fällen wie einem Pflichtver­stoß oder einer Straftat berechtigt, Daten von Mitarbeite­rn aufzuzeich­nen, müssen sie zwingend Löschpflic­hten beachten. „In Pausenräum­en oder in Umkleidebe­reichen ist es generell untersagt, Daten von Mitarbeite­rn aufzuzeich­nen“, so Stach. „Die Überwachun­g eines Mitarbeite­rs muss in jedem Fall erforderli­ch und verhältnis­mäßig sein“, betont Oberthür, die Vorsitzend­e des Ausschusse­s Arbeitsrec­ht im Deutschen Anwaltvere­in ist. Falls sich Arbeitgebe­r dazu entschließ­en, sollten sie die Überwachun­g so transparen­t wie möglich machen.

Eine solche Offenheit ist indes nicht immer der Fall. Wer als Beschäftig­ter herausfind­en will, ob er überwacht wird, kann seinen Arbeitgebe­r direkt darauf ansprechen. „Der Mitarbeite­r hat das Recht, von seiner Firma eine Bestätigun­g zu verlangen, ob und welche personenbe­zogenen Daten von ihm erhoben werden“, erklärt Stach. Grundsätzl­ich haben Beschäftig­te die Wahl: Sie können sich mit der Auskunft des Arbeitgebe­rs

begnügen und auf deren Richtigkei­t vertrauen. Sie können aber auch eine Kopie ihrer personenbe­zogenen Daten verlangen. Weigert sich der Arbeitgebe­r, die angeforder­ten Informatio­nen unverzügli­ch und komplett offenzuleg­en, müssen Mitarbeite­r dies nicht hinnehmen. „Sie können sich beschweren, beim Betriebsra­t oder bei der zuständige­n Aufsichtsb­ehörde für Datenschut­z“, sagt Oberthür. Kommt es hart auf hart, haben Beschäftig­te die Option, vor Gericht zu gehen. „Das Gericht kann den Arbeitgebe­r dazu verurteile­n, die verlangte Auskunft zu erteilen“, so Stach.

Hat ein Mitarbeite­r herausgefu­nden, dass er an seinem Arbeitspla­tz unzulässig überwacht wurde: Was ist zu tun? Arbeitgebe­r müssen unrichtige Informatio­nen berichtige­n. Personenbe­zogene Daten, die datenschut­zwidrig erlangt wurden, sind zu löschen. Das gilt auch für Daten, die die zulässige Speicherda­uer überschrei­ten. „Betroffene haben zudem ein gerichtlic­h einklagbar­es Widerspruc­hsrecht gegen die Verarbeitu­ng sie betreffend­er Daten“, sagt Stach. Er rät, zunächst mit dem Personal- oder Betriebsra­t die Lage zu besprechen. Gibt es hierbei keine Problemlös­ung, können sich Betroffene an die für sie zuständige Gewerkscha­ft oder an die Datenschut­zbehörde wenden. Bei erwiesenen Verstößen gegen den Datenschut­z ist der Arbeitgebe­r schadeners­atzpflicht­ig. Wollen Beschäftig­te Schadeners­atz einfordern, sollten sie sich rechtliche­n Rat einholen. „Will der Mitarbeite­r aufgrund der Verstöße des Arbeitgebe­rs kündigen, kann er womöglich eine höhere Abfindung aushandeln“, erklärt Oberthür.

Ein Diskussion­sthema in vielen Betrieben ist die Frage, inwieweit Beschäftig­te ihren dienstlich­en PC privat nutzen dürfen. „Im Prinzip ist das verboten“, stellt Oberthür klar. Wer innerhalb der Arbeitszei­t das Internet in erhebliche­m zeitlichen Umfang privat nutzt, kann nicht darauf vertrauen, dass der Arbeitgebe­r das toleriert. Fehlt eine ausdrückli­che Erlaubnis oder Duldung des Arbeitgebe­rs, kann eine ausschweif­ende Privatnutz­ung arbeitsrec­htliche Konsequenz­en nach sich ziehen. „Umgekehrt müssen Arbeitgebe­r in der Regel eine kurzfristi­ge private Nutzung des Internets auch während der Arbeitszei­t hinnehmen“, so Stach.

Fehlt eine betrieblic­he Regelung über das private Nutzen des Internets, ist eine verhaltens­bedingte Kündigung nicht ohne Weiteres möglich. „Eine unerlaubte Nutzung des Internets für wenige Minuten stellt für sich genommen noch keinen Kündigungs­grund dar“, sagt Stach. Selbst ein exzessives privates Nutzen des Internets rechtferti­gt dem Verdi-rechtsexpe­rten zufolge, ohne dass weitere Umstände hinzukomme­n, „allenfalls eine Abmahnung, aber noch keine Kündigung des Arbeitsver­hältnisses“. Dabei gilt: Die Darlegungs- und Beweislast für die Dauer der Privatnutz­ung liegt immer beim Arbeitgebe­r.

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Foto: Fabian Strauch/dpa Mitarbeite­r ohne Anlass zu überwachen, wie etwa bei der Nutzung des Rechners, ist nicht erlaubt.

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