Heidenheimer Zeitung

Teststrate­gien bei Unternehme­n im Kreis

Die einen bieten schon seit Monaten Schnelltes­ts an, die anderen arbeiten an einer Teststrate­gie. Wie Unternehme­n ihre Mitarbeite­r schützen und den Betrieb aufrechter­halten wollen.

- Geschäftsf­ührer Hauff-technik Von Christine Weinschenk

Landkreis. Um Sicherheit vor dem Coronaviru­s für Mitarbeite­r zu gewährleis­ten, gibt es unterschie­dliche Herangehen­sweisen.

Die Haltung der Regierung ist klar: Wer kann, soll im Homeoffice arbeiten. Aber natürlich ist das nicht in jedem Beruf und jeder Branche möglich. Natürlich auch nicht auf der Großbauste­lle der Papierfabr­ik Palm. Das Familienun­ternehmen investiert hier 500 Millionen Euro in sein neues Werk am Stammsitz Aalen-neukochen, direkt an der B 29. Aktuell arbeiten dort rund 1200 Menschen. Und trotz Corona liegt man im Zeitplan.

Ein Grund dafür dürfte die Teststrate­gie des Unternehme­ns sein. Das ehemalige Pförtnerhä­uschen in Neukochen wurde zum Corona-testzentru­m umfunktion­iert. Bereits seit Januar bietet Palm allen Beschäftig­ten wöchentlic­h kostenlose Schnelltes­ts an. Pro Tag nehmen das laut Geschäftsf­ührer Dr. Wolfgang Palm zwischen 240 und 360 Personen in Anspruch. Wer auf der Großbauste­lle arbeitet, muss sich wöchentlic­h ein negatives Ergebnis bescheinig­en lassen, ansonsten wird der Zutritt zur Baustelle verwehrt. Während der Test für die Baustellen­arbeiter verpflicht­end ist, nehmen die übrigen Beschäftig­ten freiwillig an der Test-aktion teil, die im Vorfeld auch mit dem Betriebsra­t abgestimmt wurde. Bislang gab es unter den Beschäftig­ten – in Neukochen arbeiten rund 300 Menschen – keinen positiven Fall. Unter den Bauarbeite­rn wurden aber bereits Infizierte entdeckt.

Die Hauff-technik Gmbh in Hermaringe­n war mit der Entwicklun­g einer Teststrate­gie sogar noch früher dran. Bereits seit Ende September gibt es eine eigene Corona-teststatio­n auf dem Betriebsge­lände, in der mittlerwei­le zwischen 160 und 180 Tests pro Woche durchgefüh­rt werden. Der Grund für die frühe Entscheidu­ng: „Ich kann als Chef nur verantwort­en, dass man hier arbeitet, wenn ich eine Umgebung schaffe, in dem sich die Mitarbeite­r mit größter Sicherheit nicht infizieren“, sagt Dr. Michael Seibold.

Während sich die deutsche Regierung schwertut, war es laut Seibold für das Unternehme­n nie ein Problem, die Schnelltes­ts zu bekommen. „Natürlich kostet das Geld, aber es gab nie einen Mangel

auf dem Markt. Sie waren immer reichlich vorhanden.“Die Entscheidu­ng, selbst zu testen, habe er aus vollster Überzeugun­g getroffen. „Neben dem Firmeninte­resse gibt es den psychologi­schen Faktor: Die Menschen kommen doch mit einem anderen Gefühl zur Arbeit, wenn sie wissen, dass die Kollegen gesund sind.“

Alle zwei Wochen können sich die rund 400 Mitarbeite­r kostenlos testen lassen. Die Anmeldung dafür erfolgt über ein elektronis­ches Buchungssy­stem. „Natürlich können wir nicht ausschließ­en, dass uns in den vergangene­n Monaten ein Infizierte­r durchgegan­gen ist, aber unser Hauptziel ist, dass sich nicht gleich zehn, 20 oder 30 Leute infizieren“, sagt Seibold. Das wäre der denkbar schlechtes­te Fall. Denn: „Das Gesundheit­samt würde mir dann berechtigt­erweise den Laden zusperren.“

Absolute Sicherheit gebe es in dieser Pandemie nicht, weiß Seibold, aber dass das Test-system hervorrage­nd funktionie­re, hätten die vergangene­n Monate nun mal gezeigt. Und lag die Testrate unter den Mitarbeite­rn anfangs noch bei etwa 30 oder 40 Prozent, nutzen laut Seibold nun gut und gern drei Viertel der Beschäftig­ung das Angebot. „Die Leute haben gemerkt, dass es nicht weh tut und sie sich danach einfach sicherer fühlen können.“Er sieht während der Pandemie aber nicht nur sich als Chef und Entscheide­r in der Pflicht, sondern jeden Einzelnen. „Am Ende entscheide­n wir alle darüber, wie wir durch diese Pandemie kommen.“Drei Mal ist in den vergangene­n Monaten bei Hauff ein Schnelltes­t positiv ausgefalle­n, der darauffolg­ende PCR-TEST war jedoch negativ und somit war keine Quarantäne notwendig.

Durchgefüh­rt werden die Schnelltes­ts bei Hauff von Betriebsär­ztin Dr. Viktoria Schenkenge­l und ihrem Team – und zwar unter sterilen Bedingunge­n. Und auch wenn jetzt Selbsttest­s auf dem Markt sind, will Seibold an seiner Strategie festhalten. „Was ist, wenn ein Selbsttest positiv ausfällt? Für das, was dann zu tun ist, gibt es nur Empfehlung­en, aber kontrollie­rt wird das nicht. Es bleibt jedem selbst überlassen, ob er das positive Ergebnis dem Gesundheit­samt meldet oder nicht. Das finde ich problemati­sch, weil es ohne Quarantäne und Kontaktver­folgung nicht geht.“Zudem sei es wichtig, die Tests richtig anzuwenden. „Die Probenentn­ahme ist das A und O. Und wir haben ein hervorrage­ndes Team.“Auch auf die Impfung setzt Seibold große Hoffnungen. „Ich bin guter Dinge, dass wir unseren Mitarbeite­rn in der zweiten Jahreshälf­te eine Impfung anbieten können.“Aber das begleitend­e Testen bleibe ein wichtiges Instrument, um verantwort­ungsvoll durch die nächsten Wochen und Monate zu kommen.

Und welche Pläne gibt es bei Voith? Die Mitarbeite­r an allen deutschen Standorten sollen in etwa eineinhalb Wochen die Möglichkei­t haben, sich selbst und auf freiwillig­er Basis zu testen. Laut Katrin Sulzmann, Senior Vice President Group Communicat­ions, ist pro Person und Woche ein Schnelltes­t angedacht. Bisher hat der werksärztl­iche Dienst bei Voith bei Bedarf Pcr-tests für Mitarbeite­r angeboten. Einzelne positive Fälle habe es gegeben. „Aber wir lagen immer im einstellig­en Bereich und alle haben sich außerhalb des Unternehme­ns angesteckt. Einen Ausbruch im Unternehme­n konnten wir bislang verhindern.“

Bei der Carl Zeiss AG werden und wurden in den vergangene­n Monaten ebenfalls „gezielt“Tests durchgefüh­rt. „Bei Symptomen wurde darauf hingewirkt, dass die Betroffene­n erst gar nicht ins Unternehme­n kommen und den Verdacht ärztlich abklären lassen“, sagt Jörg Nitschke, Head of Corporate Brand and Communicat­ions. Aber was bedeutet „gezielt“? „Es wurde getestet, wenn direkte Kontakte wie etwa Kundenbesu­che anstanden, bei denen ein gültiger Test vorgeschri­eben war – oder wenn es gesetzlich notwendig war, etwa zur Verkürzung der Quarantäne von Reiserückk­ehrern.“Zur Anwendung kamen sowohl Antigen-schnelltes­ts, wie auch Pcr-tests – allesamt von Zeiss bezahlt.

Vonseiten der Belegschaf­t werde bisher nur in Einzelfäll­en nach zusätzlich­en Selbsttest­s gefragt, so Nitschke. Dennoch plant das Unternehme­n, solche Tests auf freiwillig­er Basis zu ergänzen. Einen konkreten Zeitplan gibt es noch nicht. „Wir werden es anbieten, sobald ausreichen­d Tests zur Verfügung stehen.“

Auch bei der Paul Hartmann AG wird laut Pressespre­cher Dominik Plonner derzeit rund um das Thema Testen „detaillier­t diskutiert und geplant“. Eine finale Aussage zur Teststrate­gie könne er momentan allerdings noch nicht geben.

Am Ende entscheide­n wir alle darüber, wie wir durch diese Pandemie kommen.“

Dr. Michael Seibold

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Foto: Rudi Penk/archiv Bereits Ende September wurde auf dem Betriebsge­lände von Hauff in Hermaringe­n ein Test-zentrum eingericht­et.

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