Heidenheimer Zeitung

In U-haft oder auf der Flucht

- Dieter Keller

Die strafrecht­liche Seite der Wirecard-pleite muss die Staatsanwa­ltschaft München aufklären. Im Zentrum ihrer Ermittlung­en stehen Ex-vorstandsc­hef Markus Braun und Ex-vorstand Jan Marsalek. Braun sitzt seit Juli 2020 in Untersuchu­ngshaft, ebenso wie der ehemalige Chefbuchha­lter. Die Vorwürfe: gewerbsmäß­iger Bandenbetr­ug, Untreue, unrichtige Darstellun­g und Marktmanip­ulation in mehreren Fällen. Ob und wie viel Geld jemand auf die Seite geschafft hat, ist ebenso ungeklärt wie die Frage, wo das Geld jetzt ist. Klar ist nur: Es geht um viele Millionen. Zahlreiche weitere Manager sind zwar auf freiem Fuß, müssen aber mit einer Anklage rechnen.

Wann es zu einem Prozess kommt, ist offen. Er dürfte langwierig und schwierig werden, schon weil viele Beschuldig­te versuchen dürften, die Hauptschul­d für kriminelle Machenscha­ften auf Marsalek abzuschieb­en. Der 41-jährige Österreich­er war für das laufende Geschäft zuständig. Er galt als äußert schillernd­e Persönlich­keit – und ist geflüchtet. Am 19. Juni 2020 soll ihm ein ehemaliger österreich­ischer Geheimdien­stler zur Flucht nach Weißrussla­nd per Privatjet verholfen haben. Ihm wurden schon früher Kontakte zu Geheimdien­sten und merkwürdig­e Geschäfte nachgesagt. Ob er heute noch in Weißrussla­nd ist, in Moskau oder in Asien, darüber wird viel spekuliert. Nach Marsalek wurde mit Fahndungsp­lakat gesucht sowie in der Zdf-sendung „Aktienzeic­hen XY… ungelöst“.

Braun, wie Marsalek in Wien geboren, sagte rund um Weihnachte­n bei der Staatsanwa­ltschaft aus. Der 51-Jährige stellte sich als Opfer des Betrugs dar und nicht als Täter. Er müsse sich zwar als CEO, also als Konzernche­f, vorhalten lassen, dass er nicht gesehen habe, was laufe. Aber er sei ganz auf die vermeintli­chen Feinde von außen fixiert gewesen, also kritische Medien und Hedgefonds, die auf einen Kursverfal­l wetteten.

Das nimmt ihm kaum einer ab. Ex-manager Jörn Leogrande sagte dem „Spiegel“: „Entweder ist er der dümmste CEO aller Zeiten, den nicht interessie­rt, wo 75 Prozent seines Umsatzes und ein Großteil des Gewinns herkommen. Oder er steckte knietief mit drin.“

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