Heidenheimer Zeitung

Streit um kürzere Verträge

Die Bundesregi­erung will lange Laufzeiten per Gesetz einschränk­en. Kritik am Entwurf gibt es von Verbrauche­rschützern und Unternehme­n. Von

- Michael Scheifele

Ob Handy, Fitnessstu­dio oder Strom – wer einen Vertrag abschließt, ist häufig zwei Jahre daran gebunden. Das will die Bundesregi­erung ändern: Justizmini­sterin Christine Lambrecht (SPD) hatte zunächst vorgeschla­gen, die Vertragsla­ufzeit gesetzlich auf ein Jahr zu begrenzen. Nach dem Einspruch von Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) einigte sich die Koalition allerdings auf einen Kompromiss: Den Kunden muss künftig zumindest ein Ein-jahres-vertrag angeboten werden. Der darf dann im Monatsschn­itt teurer sein als der Zwei-jahres-vertrag, allerdings maximal 25 Prozent. So sollen die Verbrauche­r Preise und Angebote besser vergleiche­n können.

„Kein Schutz vor Kostenfall­en“

Verbrauche­rschützer befürworte­ten den ersten Vorschlag der Justizmini­sterin. Der derzeitige Entwurf geht ihnen nicht weit genug: „Bedauerlic­herweise ist es ein schlechter Kompromiss“, sagt Dietlinde Bleh, Presserefe­rentin der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (VZBV) zum derzeitige­n Regierungs­entwurf. Kunden seien damit zwar theoretisc­h frei, zwischen unterschie­dlichen Laufzeiten zu wählen. Bleh bezweifelt allerdings, dass sie das künftig auch tun werden, wenn lange Laufzeiten am günstigste­n sind. Von den kürzeren Vertragsop­tion profitiert­en vor allem diejenigen, „die es sich finanziell leisten können“, argumentie­rt Bleh. „Und nicht diejenigen Verbrauche­rgruppen, die besonderen Schutz vor Kostenfall­en und zu langen Vertragsla­ufzeiten benötigen.“Damit entstehe die Gefahr einer „Zwei-klassen-gesellscha­ft bei Verträgen“.

In einer repräsenta­tiven Umfrage des Marktwächt­ers „Digitale Welt“des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­ands hatten sich Ende 2019 rund 83 Prozent der Befragten für eine maximale Laufzeit von 12 Monaten oder weniger ausgesproc­hen. Die Verbrauche­rzentrale fordert in einer Stellungna­hme sogar eine maximale Vertragsla­ufzeit von einem halben Jahr für die Telekommun­ikations-branche. Derzeit sei es für Verbrauche­r häufig ein Problem, dass sie aus Verträge nicht herauskomm­en, wenn sie umziehen oder krank werden. Die Vertragsla­ufzeiten seien „weitgehend willkürlic­h, einseitig unternehme­rfreundlic­h und zu lang“, stellt der VZBV fest.

Ganz anders sieht das Jürgen

Grützner: Der Geschäftsf­ührer des Telefon-branchenve­rbandes VATM lehnt die geplante Neuregelun­g ab und nennt den Gesetzgebu­ngsprozess „ideologisc­h aufgeladen“. Die Regierung berücksich­tige nicht ausreichen­d, dass Unternehme­n belastet würden.

Zum einen erwartet Grützner durch die Neuregelun­g einen „geradezu elefantöse­n Bürokratie­zuwachs“. Zum anderen koste es die Mobilfunk-anbieter über 10 Millionen Euro, zusätzlich­e Ein-jahres-verträge anzubieten. Das wirke sich auf die Preise aus, die die Kunden bezahlen müssten, erklärt Grützner. Auch Dirk Wende, Unternehme­nssprecher von Telekom, bezweifelt, ob ein branchenüb­ergreifend­es Gesetz überhaupt notwendig ist. Die Tariflands­chaft der Telekommun­nikations-branche in Deutschlan­d sei überaus vielfältig und biete bereits derzeit allen Kunden ein passendes Angebot.

Entwurf geht von einem Bild des ‚Verbrauche­rs’ aus, das dem eines Kindes ähnelt. Alexander Wulf

Pressespre­cher des DSSV

„Eingriff in die Kalkulatio­n“

„Der Gesetzesen­twurf geht von einem Bild des ‚Verbrauche­rs’ aus, das dem eines minderjähr­igen Kindes ähnelt“, kritisiert Alexander Wulf, Pressespre­cher des Arbeitgebe­rverbands deutscher Fitness- und Gesundheit-anlagen (DSSV). Der Staat greife durch eine Neuregelun­g in die Preiskalku­lation der Unternehme­n ein. Verträge würden dadurch auf kurze Sicht teurer.

Der Regierungs-kompromiss des Gesetzes beschäftig­t derzeit den Bundestag. Eine neue Regelung könnte noch vor der Sommerpaus­e beschlosse­n werden und zum Jahreswech­sel in Kraft treten.

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