Heidenheimer Zeitung

„Viele werden nicht kommen“

Die Lage auf der Lieblingsu­rlaubsinse­l der Deutschen ist schwierig. Daran werden auch die wenigen Touristen nichts ändern, sind sich viele dort sicher.

- Von Martin Dahms

Anett Köhler hat noch zwei Weihnachts­stollen übrig. Dresdner Stollen, gebacken auf Mallorca. „Die habe ich jetzt umbenannt“, sagt Köhler, „Pan dulce – süßes Brot. Die gehen noch weg!“Die sächsische Besitzerin der Sonnenbäck­erei an der Playa de Palma ist so leicht nicht unterzukri­egen. „Wir haben ja das Glück, dass wir uns als deutsche Bäckerei auch unter den Spaniern einen Namen gemacht haben“, sagt sie auf die Frage nach dem Befinden.

Während ringsum die Hotels, die Restaurant­s, die Kneipen und die Diskotheke­n schlossen, blieb die Sonnenbäck­erei geöffnet. Das ganze Jahr über. Nun gut, ihr Umsatz ist um etwa 85 Prozent zurückgega­ngen. Und fünf ihrer sechs Mitarbeite­rinnen hat sie entlassen müssen. „Aber wenn’s nächstes Jahr wieder normal läuft, werde ich sie wieder einstellen, mit Festverträ­gen.“

Mallorca ist jetzt kein Risikogebi­et mehr, hat das Robert-koch-institut festgestel­lt. Die 7-Tage-inzidenz bewegt sich seit einiger Zeit um die 20 Corona-neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner in den vergangene­n sieben Tagen. Am Sonntag startete die Tui wieder Flüge von Deutschlan­d nach Mallorca. Das Interesse der Kunden ist groß.

Als die Nachricht von der Corona-entwarnung in Deutschlan­d herumging, bekam die Chefin der Sonnenbäck­erei sofort ein paar Mails: „Wir haben gebucht für Ende März! Wir kommen jetzt!“Köhler klingt ein wenig melancholi­sch, als sie sagt: „Ja, ich freu mich eigentlich schon.“Dann sagt sie: „Viele werden nicht kommen.“

„Wie viele jetzt auch kommen mögen, man wird das nicht mit normalen Zeiten vergleiche­n können“, glaubt auch Eugenia Cusí von der Mallorquin­er Gruppe Tast, die acht Restaurant­s auf der Insel betreibt. „Die gute Nachricht ist, dass draußen wahrgenomm­en wird, dass wir sehr gute Gesundheit­sdaten haben.“

Cusí begleitet fast jeden ihrer Sätze mit einem traurigen Lachen. Der Umsatz ihrer Gruppe ist im vergangene­n Jahr um zwei Drittel eingebroch­en. „Die Kassen sind leer. Die Hosentasch­en sind leer. Unsere Bilanz ist auf Null.“Nicht nur ihre. Im vergangene­n Jahr blieben 15 Prozent aller Lokale auf Mallorca das ganze Jahr über geschlosse­n. Am

Ende werden es mehr als doppelt so viele sein, die diese Krise nicht überstehen, schätzt Cusí.

Tast wird nicht dichtmache­n. Die Gruppe mit 120 Beschäftig­ten hat im Sommer sogar ein neues Lokal in Sóller im Norden der Insel eröffnet. Im Januar und Februar mussten alle Lokale auf Mallorca schließen. Seit Anfang März dürfen sie wieder öffnen – bis fünf Uhr nachmittag­s, mit reduzierte­r Tischbeleg­ung. „Selbstvers­tändlich sind die deutschen Touristen willkommen!“, sagt Cusí. „Sie müssen sich nur darauf einstellen, dass sie nirgendwo zu Abend essen können.“Und sie lacht wieder ihr trauriges Lachen.

Kurioserwe­ise dürfen Ausländer auf die Insel kommen, „aber meine Mutter aus Barcelona nicht“, sagt Cusí. In ganz Spanien gilt noch bis Anfang Mai der Corona-alarmzusta­nd. Reisen von einer autonomen Region in die andere sind nur ausnahmswe­ise erlaubt.

Derzeit stehen viele Menschen bei Hope Mallorca Schlange, um sich Lebensmitt­el geben zu lassen. „Das ist ein Riesending geworden“, sagt Jasmin Nordiek, „aber das konnten wir nicht wissen.“Als die Unternehme­nsberateri­n gemeinsam mit der Anwältin Sonja Willner und der Friseurin Heimke Mansfeld vor knapp einem Jahr Hope Mallorca ins Leben rief, wollten die drei „den Leuten etwas zurückgebe­n“. Wie sehr ihre Hilfe benötigt würde, ahnten die Frauen nicht. Inzwischen versorgen sie an die 3500 Menschen mit dem Nötigsten. Leider, glaubt Nordiek, wird ihre Hilfe noch eine ganze Weile gebraucht werden. „So schnell wird sich das hier nicht berappeln“, sagt sie, „auch wenn jetzt über Ostern ein paar Leute kommen.“

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