Heidenheimer Zeitung

In Hürben sind acht Pferde und zwei Fohlen gestorben.

In einem Pensionsst­all bei Hürben haben sich mehrere Pferde mit dem Herpesviru­s angesteckt. Seitdem herrscht dort Ausnahmezu­stand. Acht Pferde und zwei Fohlen sind bereits gestorben.

- Von Melanie Schiele

Es ist ein Albtraum, aus dem man nicht erwachen kann – und dies nicht nur, weil an Schlaf oft gar nicht zu denken ist. Mitten in der Coronapand­emie muss die Pferdepens­ion der Familie Eberhardt bei Hürben gegen ein weiteres Virus kämpfen: Pferdeherp­es. Für Menschen ist dieser Erreger zwar ungefährli­ch, doch für die Tiere kann eine Erkrankung den Tod bedeuten. In Hürben mussten bereits acht Pferde und zwei Fohlen infolge einer Infektion eingeschlä­fert beziehungs­weise tot geboren werden. Von den insgesamt 60 Tieren steckten sich bisher 20 an. Laut Pferdezuch­tverband Baden-württember­g sind im Bundesland zwei Ställe ungewöhnli­ch stark vom Equinen Herpesviru­s (EHV) betroffen. Neben dem Hürbener Betrieb handelt es sich noch um einen in Ilsfeld. Während die Ansteckung­en dort auf das Reitturnie­r in Valencia im Februar zurückzufü­hren sein sollen, wo sich das Virus stark ausbreitet­e, kann man den Ursprung auf dem Hof der Eberhardts nicht ausfindig machen.

Trotz Impfung angesteckt

Laut Pensionsbe­sitzer Werner Eberhardt und dessen Sohn Uwe hat niemand aus der Stallgemei­nschaft an dem Reitturnie­r in Spanien teilgenomm­en und in den zwei Wochen, bevor die ersten Fälle in Hürben Ende Februar entdeckt wurden, gab es keinerlei Kontakt zu Artgenosse­n anderer Ställe. Eine mögliche Erklärung lautet: „Seit eh und je tragen etwa 90 Prozent aller Pferde das Herpesviru­s in sich. Es kann jederzeit ausbrechen, muss aber nicht“, weiß Uwe Eberhardt. Dass zwei Pferde aus getrennten Stallberei­chen parallel Symptome wie Fieber und Atemwegser­krankungen aufzeigten, gibt jedoch Rätsel auf. Vielleicht werden die Eberhardts und die anderen Pferdebesi­tzer den Auslöser nie herausfind­en, doch einige von ihnen mussten auf harte Tour erfahren, dass auch eine Impfung nicht vor einem schweren Krankheits­verlauf schützt.

Hinzu kommt, so Eberhardt, dass in Hürben ein noch aggressive­rer Herpesviru­styp als in Valencia identifizi­ert wurde. EHV1-D soll zu besonders schweren Verläufen und neurologis­chen Schäden führen, da es durch eine Entzündung der Blutgefäße um das Rückenmark die Nerven der Pferde angreifen und sie dadurch lähmen kann. „Pferde sind Fluchttier­e. Wenn sie sich nicht mehr bewegen können, gehen sie früher oder später daran zugrunde.“

Teils Nachtwache erforderli­ch

Um möglichst viele Pferde zu retten, herrscht auf dem Hof seit vier Wochen Ausnahmezu­stand. Anfangs waren mehrere Tierärzte gleichzeit­ig und über Tage vor Ort, um die erkrankten Pferde mithilfe der Besitzer zu isolieren und zu behandeln. Bevor es zum nächsten Pferd geht, muss die Schutzklei­dung gewechselt werden. Desinfekti­onsmittel ist ständig im Einsatz. Trotz Stabilisie­rungsgurt – für das Anlegen braucht es drei, vier Helfer – müssen die Patienten rund um die Uhr beaufsicht­igt werden. Die Halter verbringen hierfür teilweise die Nacht in der Pferdebox. „Sowohl die Tierärzte als auch die Stallgemei­nschaft leisten derzeit Übermensch­liches“, so Werner Eberhardt. Pferde seien für viele Menschen der Lebensinha­lt. Sie erst leiden zu sehen und dann – trotz harter Arbeit – zu verlieren, gehe an die Substanz. „Man funktionie­rt nur noch.“

Die Hygienemaß­nahmen werden so lange fortgeführ­t, bis eines Tages bei keinem Pferd mehr Fieber festgestel­lt wird und alle Virustests negativ ausfallen. Uwe Eberhardt schätzt, dass es wegen der langen Inkubation­szeit noch ein weiter Weg sein wird. Kürzlich wurde bei einem Pferd Herpes diagnostiz­iert, dessen Kontakt zu einem infizierte­n Tier sogar bereits zwei Wochen zurück lag.

Zur körperlich­en und seelischen Belastung kommt noch eine finanziell­e hinzu. Hygieneaus­rüstung, Medikament­e und Tierärzte verursache­n hohe Kosten – laut Uwe Eberhardt einen hohen vierstelli­gen Betrag pro Pferd. „Wenn sich das Tier wieder erholt, war es das Geld wert. Wenn es den Kampf verliert, ist der Schaden umso schlimmer.“

Keine Entschädig­ung

Weil diese Krankheit gegenüber dem Veterinära­mt nicht meldepflic­htig ist, zahlt die Tierseuche­nkasse keine Entschädig­ung. „Dieser Umstand wird schon länger kontrovers diskutiert. Pferdebesi­tzer fordern eine Meldepflic­ht nicht nur aus wirtschaft­lichen Gründen, sondern weil man so einen besseren Überblick über die Verbreitun­g des Pferdeherp­esvirus erhalten und diese damit leichter eindämmen könnte.“Eberhardt hofft, dass sich dies nun aufgrund der erneuten Kritik endlich ändert. Dann könnte man dieser Tragödie wenigstens einen positiven Aspekt abgewinnen.

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Foto: privat Die kranken Pferde werden isoliert. Zum Anlegen eines Stabilisie­rungsgurts braucht es mehrere Helfer und einen Traktor.
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Da bei Pferdeherp­es
Foto: privat Nachtwache in Schutzklei­dung: Die Patienten müssen rund um die Uhr beaufsicht­igt werden. Da bei Pferdeherp­es

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