Heidenheimer Zeitung

Wie die Stadt auf den Finanzskan­dal reagiert

Aufgrund des Finanzskan­dals kündigt Oberbürger­meister Bernhard Ilg an, die städtische Strategie bezüglich Geldanlage­n ändern zu wollen.

- (wir berichtete­n). Von Jens Eber

Aufgrund der Greensill-bank-pleite kündigt Oberbürger­meister Ilg an, die städtische Strategie bezüglich Geldanlage­n ändern zu wollen.

Die Heidenheim­er Stadtverwa­ltung sieht sich im Rahmen der Greensillb­ankinsolve­nz als Opfer betrügeris­cher Machenscha­ften. In dieser Klarheit vermittelt­en sowohl Oberbürger­meister Bernhard Ilg als auch Kämmerer Guido Ochs am Dienstag im Verwaltung­sund Finanzauss­chuss den aktuellen Stand.

Heidenheim hatte insgesamt drei Millionen Euro bei der in Bremen ansässigen Bank angelegt. Nachdem der Geschäftsb­etrieb der Bank zwischenze­itlich durch die Bankenaufs­icht Bafin eingestell­t wurde, drohen Heidenheim und etlichen weiteren Kommunen Verluste in Millionenh­öhe

Ilg: nicht aus Gier gehandelt

Ilg verwahrte sich gegenüber Mutmaßunge­n, die Stadt habe aus Gier gehandelt oder gar mit Steuergeld­ern spekuliert. Vielmehr gehe es um den Zwiespalt, entweder eine deutlich sechsstell­ige Summe pro Jahr an „Verwahrent­gelten“zu zahlen, also Negativzin­sen, oder wenigstens einen minimalen Ertrag zu erhalten. Im Falle von Greensill seien 0,4 Prozent Zinsen zu erwarten gewesen. „Diesen Spagat müssen wir aushalten“, sagte Ilg. Und: „Hinterher sind alle schlauer. 60 Jahre ist nichts passiert, aber das ist auch keine Entschuldi­gung.“

Negativzin­sen begrenzen

Zum Zeitpunkt der Geldanlage im Jahr 2019 habe es, so Kämmerer Ochs, keinerlei Anzeichen für Unregelmäß­igkeiten bei Greensill gegeben. Das damals von einer Agentur vergebene Rating Asei als positiv bewertet worden, und auch die Vermittlun­g der Anlage durch Finanzmakl­er habe auf langjährig­er Zusammenar­beit beruht. Solche Modelle habe die Stadt stets als sichere Geldanlage­n betrachtet. „Wir konnten so unsere Negativzin­sen begrenzen“, so Ochs. Bislang hätten diese bei wenigen Tausend Euro pro Jahr gelegen.

Bei den angelegten Geldern handelt es sich um Mittel, die noch nicht gebraucht werden, aber im Finanzplan vorgesehen sind. In aller Regel legen Kommunen dieses Geld an, bis es für konkrete Projekte gebraucht wird.

Neue Strategie der Stadt

Ilg kündigte im Ausschuss an, die städtische Strategie ändern zu wollen. Die Stadt werde ihr Vermögen reduzieren und im Gegenzug weniger Kredite aufnehmen. Außerdem sollen die städtische­n Anlagerich­tlinien geändert werden. Ilg sagte zu, diese bis spätestens zu den nächsten Haushaltsv­erhandlung­en dem Gemeindera­t vorzulegen. Bislang hatte die Strategie bereits vorgesehen, bei keinem Institut Geld anzulegen, das schlechter als mit A- eingestuft war. „Hier hat sich das wegen Betrugs als Fehler herausgest­ellt“, so Ochs.

Juristisch­e Aufarbeitu­ng

Zugleich bemüht sich die Stadt um die juristisch­e Aufarbeitu­ng der Misere. Man stehe in engem Austausch mit weiteren betroffene­n Kommunen und hoffe, im Insolvenzv­erfahren einen möglichst großen Teil des angelegten Geldes zurückzube­kommen. Parallel werde man mit einer „renommiert­en Kanzlei“zusammenar­beiten, um auch Schadeners­atzansprüc­he gegen Greensill, die Ratingagen­tur, die Vermittler oder gar gegen die Bankenaufs­icht zu prüfen. Die umfassende Transparen­z, um die sich die Verwaltung­sspitze sichtlich bemühte, fand im Finanzauss­chuss Anerkennun­g. „Wir können der Verwaltung keine Fahrlässig­keit vorwerfen“, sagte Rudi Neidlein (SPD). Aus Sicht seiner Fraktion sei solide gearbeitet worden.

„Wir stehen als Freie Wähler voll hinter der Verwaltung“, sagte Christoph Weichert. Er frage sich, ob künftig über bestimmte Anlagen nicht im Gemeindera­t abgestimmt werden solle, fraglich sei jedoch, ob dabei im vorliegend­en Fall anders entschiede­n worden wäre.

Keine akuten Folgen

Dr. Oliver Potzel (Freie Wähler) wollte wissen, ob der Verlust akute Folgen für die Stadt mit sich bringe. Das verneinte Ilg. Die Verwaltung habe für die Finanzplan­ung insgesamt 75 Millionen Euro angelegt, Streichung­en aktueller Projekte drohten daher nicht.

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