Irrer Killer in Frauenkleidern
Der 50. Fall des „Tatort“-kommissars Moritz Eisner führt ihn und seine Kollegin Bibi Fellner in ein düsteres Wien und an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.
Moritz Eisner hat in seiner langen Laufbahn schon einiges erlebt, doch so mitgenommen war der von Harald Krassnitzer gespielte Kommissar aus Wien noch nie: Bei seinem 50. Einsatz kann der sonst vor Sarkasmus triefende Eigenbrötler die Tränen nicht mehr zurückhalten und schluchzt herzerweichend. Seiner ewig übermüdeten Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) raubt der an den Nerven zerrende Fall um erstochene Prostituierte und verschwundene Kinder derweil nicht nur vollends den Schlaf – sie wird von dem irren Bösewicht, der wie eine Figur aus dem Horrorfilm durch ein düsteres Wien geistert und seine Verfolger narrt, auch noch angegriffen. Der wie ein böses Märchen inszenierte Krimi „Tatort: Die Amme“(Sonntag, 20.15 Uhr, ARD) ist eine finstere und hochspannende Geschichte aus einer bitterkalten Welt, die keinen Zuschauer kaltlassen dürfte.
„Ich kann nicht schlafen, ich halte diese Welt nicht mehr aus, wir müssen den Buben finden“: Die sensible Bibi Fellner ist mit ihren Nerven am Ende. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Moritz Eisner und unterstützt von der neuen Assistentin Meret Schande (Christina Scherrer) sucht sie nach einem Mörder, der die Mutter des kleinen Samuel (Eric Emsenhuber) erstochen und den Zehnjährigen entführt hat. Anders als die Kommissare kennt der Zuschauer früh den Täter: Es handelt sich um den psychisch gestörten Janko, großartig gespielt von Max Mayer, der den völlig verängstigten Samuel in einer kleinen Wohnung gefangen hält und sich mit Perücke und Rock als Frau verkleidet. Der Killer, der schon einmal gemordet hat und in einer anderen Wohnung ein weiteres Kind versteckt, leidet offenbar an einem schweren Trauma und steigert sich in seiner Wahnwelt in die fixe Idee hinein, eine Art Mutter für die Buben, die beide Söhne von Prostituierten sind, zu sein.
Wie unheimlich irre Killer in Frauenkleidern sein können, hat vor gut 60 Jahren Alfred Hitchcock
in seinem Meisterwerk „Psycho“bewiesen – und auch Janko huscht wie einst der Serienmörder Norman Bates durch die von der Außenwelt akribisch abgeschirmten Räume seiner Welt und sucht in dieser Verkleidung auch seine Opfer auf. Bei anderen Gelegenheiten legt er Perücke und Kleid ab und gibt sich als Drogenfahnder aus Graz aus, der undercover im Wiener Rotlichtmilieu ermittelt. In dieser Maske lernt ihn auch Moritz Eisner kennen, ohne zu ahnen, wen er da vor sich hat – ein wenig glaubhafter dramaturgischer Kniff in einem ansonsten starken Krimi. Eisner und Fellner tappen lange im Dunkeln, weil sie bei der Suche nach dem Täter zuerst nach einem Mann fahnden, nach einer Zeugenaussage dann aber eine Frau im Visier haben und erst spät kapieren, dass es sich um einen Mann in Frauenkleidern handelt.