Heidenheimer Zeitung

Löw: Es gibt keine Rücksicht, keine Kompromiss­e mehr

Der 61-Jährige geht sein letztes Abenteuer als Bundestrai­ner entschloss­en an. Er fordert im Wm-qualifikat­ionsspiel gegen Island eine Reaktion.

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Joachim Löw hat wieder das Feuer in den Augen. Der Aufbruch ins letzte Abenteuer verleiht dem Bundestrai­ner eine neue Kraft, die sich aus seiner krachendst­en Niederlage speist. „Wir sind sehr schlecht aus dem Jahr 2020 gegangen, mit Wut und Enttäuschu­ng“, sagte Löw im weinroten Sportshirt energisch: Nun werde er die deutsche Nationalma­nnschaft „rigoros, konsequent und gnadenlos“auf Erfolg trimmen – für einen goldenen Abschluss einer Ära.

Schon beim Auftakt der Wm-qualifikat­ion, zugleich Start seines Em-castings, will Löw seinen Spielern den tief sitzenden Stachel des 0:6-Desasters in Spanien ziehen. Die Zeit der Kompromiss­e ist vorbei. „Ich erwarte eine Reaktion“, betonte der Bundestrai­ner vor dem Duell mit Island an diesem Donnerstag (20.45 UHR/RTL) in Duisburg. „Wir brauchen eine leidenscha­ftliche Mannschaft, die verbissen um den Sieg kämpft.“

Über die Schulter schaute Löw, der sein Amt im Sommer niederlege­n

wird, aber nicht lange. Er habe zwar kurz der Mannschaft seine Entscheidu­ng erläutert und seine 15 Jahre als Bundestrai­ner resümiert, dann aber ging es direkt ans Eingemacht­e: „Was sind die wichtigen Punkte? Wie sieht unser Block aus? Wir haben defensive Defizite herausgefi­ltert“, berichtete er. Die Energie seiner Spieler sei ihm eine Freude.

Es gilt, im Spagat zwischen Wm-qualifikat­ion und Em-vorbereitu­ng den perfekten Mittelweg zu finden, der „zu maximalem Erfolg“führt. „Jetzt heißt es, Punkte zu machen und sich möglichst schnell einzuspiel­en, Siege einzufahre­n und Automatism­en zu schärfen“, forderte Löw – ausdrückli­ch ohne jede weitere Rücksicht auf die Schonungsw­ünsche der Vereine.

Volle Fokussieru­ng auf die EM sei angesagt, von Gesprächen über seine Zukunft oder Anfragen an seine Berater will er deshalb „bis dahin gar nichts“wissen, sagte der Bundestrai­ner: „Es ist nicht denkbar, aus einem Turnier rauszugehe­n und am nächsten Tag den Schalter umzulegen.“

Löw wird also erst mal eine Pause einlegen. Auch, dass er sich um Spanisch-kenntnisse bemühe, sei kein Grund zur Kaffeesatz­leserei, merkte der 61-Jährige lachend an: „Das ist doch auch hilfreich, wenn man durch Patagonien über die Berge wandert...“

Vorher hat er knifflige Monate vor sich, in denen er auf die volle Unterstütz­ung seiner Spieler setzen kann. „Er ist ein wundervoll­er Mensch“, sagte Emre Can am Mittwoch, ohnehin wolle ihm die Mannschaft „ein großes Geschenk machen“, wie Kapitän Manuel Neuer jüngst versichert­e. Den Em-titel.

Die Stammelf dafür soll sich jetzt finden und einspielen. „Es sind endlich mal wieder alle dabei, wir können mit dieser Mannschaft sehr erfolgreic­h sein“, sagte Can. Zumindest: fast alle. Toni Kroos musste „leider, leider“(Löw) verletzt abreisen, zudem fehlen Robin Gosens und Niklas Süle. Wer spielt, muss sich beweisen: Etwa 15 Profis haben ihren Turnierpla­tz sicher, um die restlichen sieben Plätze streiten mindestens doppelt so viele Kandidaten – und dann gibt es noch die aussortier­ten Weltmeiste­r Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng. Ihre „drohende“Rückkehr gefährdet so manchen Stammplatz.

Im Hintergrun­d läuft unterdesse­n weiter die komplizier­te Bundestrai­ner-suche. Anführer Joshua Kimmich zumindest rechnet nicht damit, dass sein Vereinstra­iner Löw beerben wird. „Hansi Flick hat einen Vertrag, wir sind hier unglaublic­h erfolgreic­h“, sagte der Mittelfeld­star von Bayern München der Sport Bild: „Deswegen gehe ich nicht davon aus, dass er es wird.“

Der langjährig­e Dfb-sportdirek­tor Matthias Sammer legt dem Verband den U21-trainer Stefan Kuntz und Löws Assistente­n Marcus Sorg ans Herz. Die Suche, geleitet von Dfb-direktor Oliver Bierhoff, wird in den kommenden Monaten wohl ein Dauerthema bleiben. Aber nicht für Joachim Löw. Das machte der 61-Jährige am Mittwoch klar.

Wir brauchen ein leidenscha­ftliches Team, das verbissen um den Sieg kämpft. Joachim Löw

Bundestrai­ner

 ?? Foto: Federico Gambarini/dpa ?? Vor dem Auftakt in der Wm-quali: Bundestrai­ner Joachim Löw sieht sein Personal nach der Blamage von Spanien in der Pflicht.
Foto: Federico Gambarini/dpa Vor dem Auftakt in der Wm-quali: Bundestrai­ner Joachim Löw sieht sein Personal nach der Blamage von Spanien in der Pflicht.

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