Nachrichten als Show
Früher, als die Welt noch übersichtlich war, folgte jeder Abend demselben Ablauf: 18.30 Uhr Abendbrot, 19 Uhr Nachrichten. Ein ewiger Konflikt, denn exakt in dieser halben Stunde liefen die besten Serien wie „Väter der Klamotte“oder „Trickfilmzeit mit Adelheid“. Vor dem Fernseher essen? Nur bei guten Noten. Kaum tauchte Dagmar Berghoff auf, setzten bei mir Gähnen und Rätseln ein, während meine Eltern staatsbürgerlich in das Gerät starrten. Nachrichten waren langweilig, aber offenbar wichtig, weil der gesamte Tagesablauf darauf abgestimmt war.
Heute bleibt beim Nachrichtenschauen oft wenig in Erinnerung, außer dass Reporter sehr besorgt in Mikrofone relevanzen und angeblich alles immer schlimmer wird. Ob Kriege, Preise, Krisen, Torjubel oder Parteienzoff – die meisten Nachrichten werden bis zur Unglaubwürdigkeit inszeniert. Der frühere Us-präsident Donald Trump wusste perfekt News und Show unentwirrbar zu permanenter Krawallerie zu vermischen, die medial dankbar zu einer ganzen Serie ohne Anfang und Ende verarbeitet wurde. Politik wirkte da wie Privatfernsehen am Nachmittag – alle irre, nichts gilt, aber immer geht die Welt unter.
Suppentassen, die sich automatisch füllen, führen zu 73 Prozent mehr Verzehr.
Dauernde Erregung ist aber so gesund wie eine Familienpackung Viagra jeden Morgen. Wer sich heute noch News antut, der lebt nicht gesund, sagt Googles früherer Produkt-manager Tristan Harris. Er hat die Bewegung „Time Well Spent“mitbegründet. Gut genutzte Zeit ist für Harris vor allem die zwischenmenschliche, die jedoch konkurriert mit dem digitalen Feuerwerk in unser aller Smartphones. Verhaltenspsychologen haben festgestellt, dass Suppentassen, die sich automatisch füllen, zu 73 Prozent mehr Verzehr führen. Das Smartphone ist unsere Suppentasse. Wir vertrödeln Zeit.
Aber sollen wir uninformiert durch die Welt taumeln? Nein. Nur schlauer. Medienkonsum ist eben fast wie Essen: Man kann ständig Zucker und Fett snacken oder dann und wann zu Gehaltvollem greifen. Schon William James, Begründer der amerikanischen Psychologie, wusste: „Unser Leben ist nichts anderes als das, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten.“