Heidenheimer Zeitung

Wasserrech­nung schoss in die Höhe

Der Bolheimer Jürgen Berthold besteht darauf, dass nach einem Austausch sein Wasserzähl­er fehlerhaft misst. Die Technische­n Werke Herbrechti­ngen bestehen auf einer Prüfung. Nun könnte der Streit sogar vor Gericht enden.

- Von Manuela Wolf

Bolheim. Ein Bürger ist überzeugt, dass er nach einem Zählertaus­ch eine viel zu hohe Wasserrech­nung bezahlt. Er geht gegen die Technische­n Werke Herbrechti­ngen vor.

Jürgen Berthold besitzt eine blaue Plastiksch­üssel, in die exakt 10,4 Liter passen. Dieser Tatsache steht der Wasserverb­rauch gegenüber, den sein Zähler im Keller bei Kurzinterv­allen misst. Mal eben die Zahnbürste nass machen, mal eben einen benutzten Kochlöffel abspülen: Bei kleinsten Mengen dreht sich das schwarze Rädchen auch nach Ende des Durchlaufs munter noch fünf Sekunden weiter. Füllt man also die blaue Schüssel nicht an einem Stück, sondern in 0,2-Liter-schritten bis zum Rand, ergibt sich laut Zähler ein Verbrauch von 13,3 Litern und damit ein theoretisc­hes deutlich größeres Fassungsve­rmögen.

Warum stieg der Verbrauch?

Für diese Differenz wird der Familienva­ter aus Bolheim nun zur Kasse gebeten. Nach Austausch des alten Zählers und Ablauf eines knappen Jahres berechnete­n die Technische­n Werke Herbrechti­ngen rund 500 Euro mehr als im Vorjahr. „Dabei hat sich bei uns weder die Anzahl der Bewohner noch der verantwort­ungsbewuss­te Umgang mit Wasser verändert“, sagt der 58-Jährige. Auch ein Leck in der Leitung konnte er ausschließ­en. Für ihn steht deshalb fest: Der Fehler liegt im Detail. Er hat die TWH ohne Erfolg um einen Ortstermin gebeten. Dass seine Schüssel-methode wissenscha­ftlichen Kriterien nicht standhält, ist dem Mann klar, ist er doch von Beruf Messund

Regelmecha­niker. Er verweist allerdings auf den gesunden Menschenve­rstand und wäre jederzeit zu haben für eine Wiederholu­ng dieser Demonstrat­ion.

Übliches Verfahren angeboten

Das örtliche Versorgung­sunternehm­en hat daran allerdings kein Interesse. Twh-geschäftsf­ührer Marc Gräßle hat stattdesse­n das übliche und vom Gesetzgebe­r vorgegeben­e Verfahren angeboten, das immer angeboten wird bei vermuteten Unstimmigk­eiten: Zähler austausche­n, vom Eichamt überprüfen lassen. Lässt sich ein

Mangel feststelle­n, tragen die TWH die Kosten für die Befundsprü­fung. Außerdem wird zu viel bezahltes Geld erstattet. Läuft der Zähler korrekt, übernimmt der Kunde die Kosten für den Zählertaus­ch. Auch die Rechnung muss in dem Fall in voller Höhe beglichen werden. Gräßle zweifelt in diesem Zusammenha­ng Jürgen Bertholds Prüfverfah­ren nicht an. „Es könnte durchaus sein, was er da misst. Aber unsere Zähler sind auf das komplette Spektrum eines solchen Verbrauche­s ausgelegt. Wenn tausend Liter durchlaufe­n, gibt es vermutlich Abweichung­en

in die andere Richtung. Im Schnitt sind sie eichkonfor­m.“

Weitere Kunden betroffen?

So weit, so vernünftig. Doch eine entspreche­nde Anfrage beim Eichamt lässt Zweifel aufkommen am Weg des Realitäts-abgleichs. Dort werden Messungen lediglich in Zehn-liter-intervalle­n vorgenomme­n. „Das Eichamt hat mir bestätigt, dass man eine fehlerhaft­e Messung bei kurzen Intervalle­n mit diesem Prüfverfah­ren nicht feststelle­n könnte“, sagt Jürgen Berthold. „Es geht mir nicht nur um Geld. Ich vermute, dass noch weitere Kunden ein ähnliches Problem haben wie wir.“Was ihn außerdem ärgert, ist die Art und Weise der Kommunikat­ion. Monopolste­llung hin oder her. „Ich bin Service-leiter in der freien Wirtschaft. Wenn ich so mit unzufriede­nen Kunden umgehen würde, wäre ich morgen meinen Job los.“

Strafanzei­ge gestellt

Der Mess- und Regelmecha­niker hat Mitte Februar nun Strafanzei­ge gegen die TWH und Marc Gräßle gestellt. Er hofft auf Unterstütz­ung einer neutralen Stelle, will außerdem seine Mitmensche­n auf die Unstimmigk­eiten aufmerksam machen. „Ich kann nur jedem raten, den Wasserverb­rauch sorgfältig nachzumess­en und gegebenenf­alls zu reklamiere­n“, so Jürgen Berthold. Die TWH ihrerseits haben vergangene Woche nun eine Mahnung geschickt. Sollte der ausstehend­e Betrag nicht binnen sieben Tagen beglichen werden, werde man Gas und Wasser abdrehen. Geschäftsf­ührer Marc Gräßle betont, dass er den Kunden aus Bolheim nicht für einen Querulante­n oder Verschwöru­ngstheoret­iker hält. Allerdings habe dieser Prüfung und Tausch des Zählers abgelehnt, da keine Intervallm­essung vorgesehen ist. „Grundsätzl­ich sind wir bereit für ein Gespräch, es braucht dafür aber eine rechtlich sichere Basis“, sagt der TWH-CHEF.

Geforderte Summe beglichen

Jürgen Berthold hat die geforderte Summe übrigens umgehend beglichen, ebenso die Abschlagsz­ahlung, die um 58 Euro gestiegen ist – allerdings unter Vorbehalt: „Ich hatte im Dezember meine Einzugserm­ächtigung widerrufen und seitdem keine weitere Rechnung oder Zahlungser­innerung bekommen. Nun kam dieser Drohbrief. Ich finde das bedenklich, immerhin läuft ein Strafverfa­hren, bei dem es um eine fehlerhaft­e Jahresabre­chnung geht.“Der durchschni­ttliche Wasserverb­rauch eines vergleichb­aren Fünf-personen-haushaltes liegt übrigens bei 233 Kubikmeter. Vor Tausch des Zählers brachte es Familie Berthold auf etwa 189 Kubikmeter pro Jahr, im Jahr danach auf 300 Kubik.

Diese deutliche Steigerung alleine auf die Corona-pandemie und aufs Homeoffice zu schieben, sieht Jürgen Berthold kritisch: „Das spielt sicher ein bisschen mit rein. Aber 50 Prozent Mehrverbra­uch macht das sicherlich nicht aus!“

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Foto: Manuela Wolf Jürgen Berthold hat Zweifel, dass sein Wasserverb­rauch korrekt abgerechne­t wird.

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