Die Sängerin, die man Bombe nannte
Die Geschichte der Heidenheimer Opernfestspiele, Teil elf: Diesmal ist viel von Giuseppe Verdi die Rede, aber auch von einer Sängerin, die sie Bombe nannten. Außerdem erscheint der Musical-star Anna Maria Kaufmann im Rittersaal.
Im heutigen Serienbeitrag über die Heidenheimer Opernfestspiele geht es voll und ganz um den Komponisten Giuseppe Verdi.
Sie sind Heidenheims fünfte Jahreszeit: die Opernfestspiele. Seit bald 60 Jahren gibt es das Festival. Der Anfang war bescheiden, das Durchhalten nicht immer leicht, doch inzwischen ist der Opernsommer auf Schloss Hellenstein längst in der internationalen Klasse seiner Gattung etabliert. Wie es dazu gekommen ist, ist eine lange Geschichte, die in diesen kulturell leider sehr unsicheren Corona-zeiten als Serie erzählt werden soll. Heute erinnern wir unter anderem noch einmal an den Rigoletto-fluch.
„Rigoletto“, „Troubadour“, „La traviata“– „Trilogia popolare“genannt werden die zwar nicht als inhaltlich zusammenhängende Einheit, aber zeitlich hintereinander als Giuseppe Verdis Opern sechzehn bis achtzehn herausgekommenen, populärsten Werke des Meisters genannt. Und ihnen waren in Heidenheim die Spielzeiten 2002 bis 2004 gewidmet, wobei 2002 nur der „Rigoletto“, 2003 „Rigoletto“und „Troubadour“und 2004 alle drei Opern auf dem Spielplan standen. Mit großem Erfolg.
Sieben Titelhelden
Und belegt mit einem Fluch, ganz wie es sich gehört. „La maledizione“, in Italien ist der Fluch weiblich, spielt im „Rigoletto“eine wesentliche Handlungsrolle und traf in Heidenheim, weit über das durch die Story gerechtfertigte Maß hinaus, insbesondere die Sänger der Titelpartie.
Los ging‘s schon bei der Premiere, als Bruno Balmelli, ebenso wie nachher bei der zweiten Vorstellung, für den erkrankten Jacek Strauch, damals von der Kritik gerade zum „Sänger des Jahres“in Deutschland gewählt, einspringen musste. Und es ging, nachdem Strauch dann viermal gesungen hatte, weiter damit, dass nach der Pause der siebten Vorstellung Juri Batoukov wiederum Strauch ablösen musste und bei der Dernière Riccardo Lombardi den Rigoletto sang, da Batoukov ja vor der Pause als Ceprano auf die Bühne musste.
Auch 2003 bei der Wiederaufnahme holte der Rigoletto-fluch Heidenheims Opernfestspiele ein, ehe sie überhaupt richtig begonnen hatten. Noch bevor der für diese Spielzeit verpflichtete Rigoletto Nummer fünf, Marcello Lippi, im Rittersaal seinen offiziellen Einstand feiern konnte, war schon Rigoletto der Sechste zum Einsatz gekommen. Es handelte sich um Kwang-keun Lee, der seinerzeit auf dem Schlossberg im Hauptberuf den Grafen Luna im „Troubadour“gab, aber bei der Generalprobe für den erkälteten Lippi in den Ring musste. Und ein siebter Rigoletto sollte noch folgen: San Lee, weder verwandt noch verschwägert mit Kwang-keun Lee, sprang bei der letzten Vorstellung der Spielzeit für Lippi ein, der, weiter stimmlich angeschlagen, zuvor immerhin zwei Aufführungen durchgestanden hatte.
Gilda kommt aus Heidenheim
Rigolettos Tochter auf der Bühne heißt bekanntlich Gilda. Und die wiederum wurde, ohne dass sie in drei Spielzeiten auch nur eine Vorstellung verpasste, von Angela Rudolf gesungen, einer Sopranistin, die als erste Heidenheimerin in die Geschichte der Opernfestspiele einging, die bei diesem Festival eine Hauptpartie sang.
Eine Mezzosopranistin drückte als Azucena 2003 dem „Troubadour“ihren Stempel auf. Die aus Catania stammende und wegen ihres sehr feurigen und mitreißenden Naturells hinter den Kulissen „La bomba“gerufene Pa
Frühjahr 2004: Marco-maria Canonica hat Anna Maria Kaufmann, die Heidenheims Violetta in „La traviata“sein würde, als Überraschungsgast mit zum Sponsoren-empfang in den Marstall gebracht. Zur Begrüßung des Musical-stars ist auch Oberbürgermeister Bernhard Ilg aufs Schloss geeilt. trizia Patelmo war 2000 schon einmal in Heidenheim als Amneris in „Aida“und 2001 als Eboli in „Don Carlos“zu Gast gewesen. 2004, als die komplette „Trilogia popolare“gereicht wurden, kehrte sie als Azucena zurück, die sie 2005 dann übrigens auch bei den Festspielen in Bregenz sang.
Aber 2004 drehte sich zunächst einmal alles um eine andere Sopranistin, nämlich um Anna Maria Kaufmann, den Musical-star, der in Heidenheim die Violetta in „La traviata“sang. Mit ihrer Verpflichtung war Festspieldirektor Marco-maria Canonica allerdings nicht nur ein Pr-coup gelungen. Auch musikalisch machte die ausgebildete Opernsängerin eine durchaus gute Figur.
Verdi ist der Spitzenreiter
Verdi, Verdi, Verdi. Aber wer folgt dahinter? Wie viele verschiedene Komponisten oder wie viele verschiedene Werke gelangten denn in den bisherigen 48 Spielzeiten, in denen Opern auf dem Festspielprogramm standen, zu Aufführungsehren? Wir haben uns tief durch die Vergangenheit gegraben und dabei hoffentlich nicht verrechnet. An Giuseppe Verdi kommt keiner vorbei, das hatten wir schon, erst recht nicht mehr, seit in der Spielzeit 2015 die Reihe mit frühen Opern des Meisters höchst erfolgreich auf die Programmschiene gestellt wurde. Von den 70 Opern, die in den verschiedenen Jahren – mal allein, mal zu zweien, einmal sogar zu dritt – auf dem Spielplan der Festspiele standen, waren 24 von Verdi. Von den 27 von Verdi komponierten Opern wurden bislang allerdings erst 13 verschiedene bei den Festspielen aufgeführt, bei denen insgesamt in 19 Spielzeiten mindestens eine Verdi-oper auf dem Programm stand.
Die Nummer zwei in der Reihe der häufigsten Hausgäste im Rittersaal heißt Mozart. In 12 Spielzeiten stand 14 Mal eine Mozart-oper auf dem Spielplan. Von Mozarts insgesamt 21 Opern waren bislang ganze sieben bei Festspielen zu erleben. Platz drei auf der Liste der meistgespielten Komponisten behauptet nach wie vor interessanterweise der 1991 letztmals auf den Spielplan gelangte Gaetano Donizetti, von dem in fünf Spielzeiten fünf Opern aufgeführt wurden, und zwar drei verschiedene.
41 aus 50 000
In gleich sieben verschiedenen Spielzeiten wurde Verdis „Troubadour“gereicht, der damit diese Kategorie dominiert und immer noch recht deutlich vor Mozarts „Entführung aus dem Serail“und „Don Giovanni“, Webers „Freischütz“sowie Verdis „Rigoletto“rangiert, die gleichauf folgen und jeweils in vier Spielzeiten präsentiert wurden.
Insgesamt kamen in all den Jahren bislang lediglich 18 verschiedene Komponisten zu Aufführungsehren, 41 verschiedene Werke finden sich im Gesamtkatalog. Was uns zu der heute abschließenden Frage verleiten könnte, wie viele Opern denn wohl überhaupt seit der Geburtsstunde des Genres vor etwas mehr als 200 Jahren komponiert worden sein mögen. Über 50 000, knapp die Hälfte davon allein im Barockzeitalter.