Aras dringt auf Wahlrechtsreform
Die Präsidentin hält den geringen Frauenanteil im Landtag für nicht akzeptabel, der Bund der Steuerzahler beklagt die hohe Anzahl an Abgeordneten.
Im Plenarsaal des Landtags haben derzeit Handwerker das Sagen. Die Bodenplatten sind weggeräumt, damit die Sitzbänke neu angeordnet und um einige Exemplare ergänzt werden können. Der neue Landtag, der sich am 11. Mai zu seiner konstituierenden Sitzung trifft, wird 154 Abgeordnete haben, elf mehr als bisher. Bis 7. Mai sollen die Umbauten abgeschlossen sein.
Eine größere Baustelle für den Landtag macht Parlamentspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) auf: Sie dringt auf eine Reform des bundesweit einmaligen baden-württembergischen Einstimmenwahlrechts.
„Im neuen Landtag ist der Frauenanteil etwas besser als bisher, die Quote liegt aber immer noch unter 30 Prozent. Das halte ich für nicht akzeptabel. Die Gesellschaft besteht zur Hälfte aus Frauen, das muss sich im Parlament widerspiegeln“, sagte Aras im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Landtagswahl habe wieder einmal sehr deutlich gezeigt, „wie dringend wir eine Reform des Wahlrechts benötigen. Daher sind alle Parteien gut beraten, das endlich anzugehen und umzusetzen.“
Beispiel Bundestagswahlrecht
In der zu Ende gehenden Legislaturperiode war eine Reform des Wahlrechts, trotz Fixierung im grün-schwarzen Koalitionsvertrag, am Widerstand der Cdu-fraktion gescheitert. In ihrem aktuellen Programm spricht sich die CDU aber für ein „Zwei-stimmen-wahlrecht“aus.
Die Grünen machen eine Reform ohnehin zur Grundbedingung für jede Koalition. Bei SPD und FDP rennen sie damit offene Türen ein. Die Liberalen sind für ein Zweistimmenwahlrecht. Die SPD hat in ihrem Wahlprogramm eine Reform „innerhalb der ersten Hälfte“der neuen Legislaturperiode zugesagt.
Das Bundestagswahlrecht könnte die Blaupause liefern: Die Erststimme wäre für die Kandidaten vor Ort vorbehalten. Wer im Wahlkreis die meisten Stimmen erhält, kommt wie bisher über ein Direktmandat in den Landtag. Die dann auf Landesebene neue Zweitstimme wäre für die
Parteien reserviert. Hätte eine Partei zusätzlich zu den Direktmandaten Anspruch auf Sitze, würden diese über von Parteitagen gewählte Landeslisten vergeben. Über die Listen, so die Idee, könnten die oft männlich dominierten Strukturen in den für die Nominierung der Kandidaten vor Ort zuständigen Kreisverbänden durchbrochen werden.
Der Landesfrauenrat macht sich sogar dafür stark, eine Reform mit dem Ziel, den Frauenanteil zu erhöhen, innerhalb der ersten 100 Tage der neuen Regierung zu beschließen. In der grünen Partei gibt es auch das Ansinnen, mittels einer Reform überdies den Anteil von Migranten im Parlament zu erhöhen.
Beide Forderungen haben für Aras nicht Priorität. „Wir sollten eine Reform nicht mit zu vielen Themen überfrachten. Für mich ist die Erhöhung des Frauenanteils die entscheidende Frage“, sagte sie. Entscheidend sei auch, dass eine Reform „zur nächsten Landtagswahl 2026 wirksam wird. Der Landtag hatte Zeit genug, das Problem anzugehen, irgendwann ist auch mal gut.“
Der Bund der Steuerzahler rückt dagegen die hohe Anzahl an
Abgeordneten in den Fokus. 120 Abgeordnete hat der Landtag in Stuttgart regulär. Aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandaten sind es künftig aber 154. Hätten die Grünen drei Direktmandate mehr gewonnen, wäre es aufgrund der dann zusätzlich notwendigen Ausgleichsmandate eng bis problematisch geworden:
Das Plenum des Landtags ist auf maximal 160 Sitze ausgelegt.
„154 Landtagsabgeordnete im Südwesten sind eindeutig zu viel“, sagte der Landesvorsitzende des Steuerzahlerbundes, Zenon Bilaniuk, dieser Zeitung. Im Mittelpunkt einer Reform solle daher „eine Verringerung der Zahl der Abgeordneten stehen“. Das wäre etwa durch einen Neuzuschnitt und eine Reduzierung der Wahlkreise möglich.
„Erfahrungsgemäß wird die Sacharbeit in kleineren Gremien straffer und schneller erledigt als in größeren. Da mit einer Verringerung der Zahl der Abgeordneten eine Reduzierung von Personalund Sachkosten einhergeht, würde dies auch zu einer Entlastung der Steuerzahler führen“, sagte Bilaniuk. Zielgröße für den Landtag von Baden-württemberg sollten 100 Abgeordnete sein.