Heidenheimer Zeitung

Ärzte haben keine Verpflicht­ung zu einer Einheitsme­inung

Zu „Hunderte Beschwerde­n gegen Ärzte“vom 22. März

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Anhand des Artikels könnte das Bild entstehen, coronamaßn­ahmenkriti­sche Ärzte seien Coronaleug­ner. Das aber wäre nicht richtig, denn selbst die vielen Ärzte, die z.b. die medizinisc­he Auffassung vertreten, dass Mikroben nur dann in uns Fuß fassen können, wenn wir ihnen durch eine immunologi­sche Schwächung einen Boden bereiten, sind deswegen keine Coronaleug­ner.

Vielmehr geht es ihnen darum, ihre Sorge zum Ausdruck zu bringen, Maßnahmen, die den Menschen psychisch, sozial und auch wirtschaft­lich schwächen, könnten ungeeignet sein, die Coronakran­kheit zu überwinden, und dieser – wie auch anderen Krankheite­n – möglicherw­eise sogar noch den Boden bereiten. Damit stehen sie in guter Tradition zu vielen Forschern wie z.b. dem berühmten Mikrobiolo­gen Louis

Pasteur, der am Ende seines Lebens zu der Einsicht kam: „Die Mikrobe ist nichts, dss Milieu ist alles!“

Ein zweites Missverstä­ndnis könnte sich aus dem zweiten Teil des Textes ergeben. Hier könnte durch den Verweis auf die Berufsordn­ung (BO) der Eindruck entstehen, der Arzt habe zwar als Privatpers­on das Recht, eine eigene Meinung zu Corona zu äußern, jedoch nicht in seiner Funktion als Arzt.

Auch dies wäre aber nicht richtig, denn in der ärztlichen BO heißt es: „Ärzte müssen ihren Beruf nach ihrem Gewissen, den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlich­keit ausüben“. Außerdem „dürfen sie nicht das Interesse Dritter über das Wohl der Patienten stellen“. Das eigene ärztliche Gewissen, wie auch die Pflicht, „nicht das Interesse Dritter über das Wohl des Patienten zu stellen“, stehen hier also an oberster Stelle.

Von einer Verpflicht­ung zu einer Einheitsme­inung ist nicht die Rede. Der Arzt wäre demnach vor allem verpflicht­et, dort, wo ein Patient durch eine Maske gesundheit­liche Beeinträch­tigungen erleidet, dies beim Erstellen von Attesten zu berücksich­tigen. Das Interesse Dritter muss vielleicht ja tatsächlic­h gegen das Wohl des Patienten abgewogen werden – obwohl davon in der BO nicht gesprochen wird. In keinem Fall jedoch dürfte es nach der BO über das Wohl eines Patienten gestellt werden. Wenn ein Patient z.b. durch das Vorliegen von Ängsten durch eine Maske psychisch und in der Folge davon möglicherw­eise sogar in seinem Immunsyste­m geschwächt wird, so wäre dies ebenso, wie wenn ein sehr alter, gangunsich­erer Mensch z.b. durch die Maske einem erhöhten Sturzrisik­o ausgesetzt ist, gegenüber dem möglichen Nutzen einer Maske abzuwägen.

Dies vor allem auch deswegen, weil der Arzt durch das Prinzip des „Primum non nocere“verpflicht­et ist, bei jeder vorgenomme­nen Maßnahme abzuwägen, ob diese dem Patienten tatsächlic­h nutzt oder evtl. sogar mehr schadet.

Gerade da der Nutzen vieler Coronamaßn­ahmen inklusive der Masken im Alltag auch in wissenscha­ftlichen Kreisen nicht immer eindeutig bewertet wird, bedeutet dies im Zweifelsfa­ll für den Arzt eine schwierige Güterabwäg­ung, die er individuel­l vorzunehme­n hat. Aufgrund des gesellscha­ftlichen Druckes sehen sich derzeit viele Ärzte nicht mehr in der Lage, ihren Patienten noch entspreche­nde Atteste auszustell­en, zumal sie oft miterleben müssen, wie diese nicht mehr in der Öffentlich­keit akzeptiert werden. Dies stellt einen gewissensh­aften Arzt durchaus vor einen erhebliche­n inneren Konflikt. Dr med. Jens Edrich, Heidenheim

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