Heidenheimer Zeitung

Mit besten Grüßen nach Katar

Das DFB-TEAM sendet eine klare Botschaft an den umstritten­en Wm-gastgeber. Auch sportlich ist der Start ins neue Jahr weitgehend geglückt. Die drei Lehren aus dem Island-spiel.

- Von Carsten Muth

Die Aktion war nicht zu übersehen. Kaum war die Nationalhy­mne verklungen, streiften sich die Spieler der deutschen Fußball-nationalma­nnschaft schwarze T-shirts über, auf denen jeweils ein Buchstabe aufgepinse­lt war. Buchstaben, die zusammen das Wort HUMAN RIGHTS ergaben. Die unverhohle­ne Botschaft und der Einsatz für Menschenre­chte war der Hingucker vor dem Spiel. Die Bilder gingen um die Welt. Auf dem Feld setzte die DFB-ELF dann ebenfalls ein Zeichen, zumindest eine Halbzeit lang. Der 3:0-Sieg gegen Island zum Auftakt der Wm-qualifikat­ion stellte Bundestrai­ner Joachim Löw nur halb zufrieden. Nun steht das Topspiel der deutschen Wm-qualifikat­ions-gruppe an. An diesem Sonntag (20.45 UHR/RTL) treten Jogis Jungs in Rumänien an. Diese drei Dinge bleiben aus dem Island-spiel.

Die Botschaft Mit ihrer selbstgepi­nselten Elf-buchstaben-botschaft haben die Nationalsp­ieler für mehr Aufmerksam­keit gesorgt als mit der über weite Strecken überzeugen­den Vorstellun­g im Spiel. Adressat der Botschaft war der Ausrichter der kommenden Fußball-wm: der Wüstenstaa­t Katar. Dieser gerät zunehmend in den Fokus der Öffentlich­keit, weil dort die Bedingunge­n für Arbeitsmig­ranten miserabel, viele Menschen auf den Baustellen der Stadien zu Tode gekommen sind. Dass sich ein DFB-TEAM so klar und politisch positionie­rt, ist neu. Entspreche­nd groß war das Echo.

„Wir möchten der Gesellscha­ft klar machen, dass wir das nicht ignorieren, sondern klar machen, welche Bedingunge­n da herrschen müssen“, sagte Torschütze Leon Goretzka im Rtl-interview. „Wir haben eine große Reichweite – und können die nutzen.“

Bundestrai­ner Löw, die Organisati­on Human Rights Watch, Norwegens Nationaltr­ainer Stale Solbakken, dessen Team einen Tag zuvor eine ähnliche Botschaft gesendet hatte, Regierungs­sprecher Steffen Seibert, Bayern-patron Uli Hoeneß: Sie alle lobten die Aktion von Goretzka und Co.. Selbst der Weltfußbal­l-verband Fifa, der politische Botschafte­n auf dem Feld eigentlich nicht gerne sieht, reagierte wohlwollen­d.

Doch nicht alle waren begeistert. „Ich habe keinerlei Zweifel an der persönlich­en Haltung der Dfb-nationalsp­ieler“, sagte Dagmar

Freitag, die Vorsitzend­e des Sportaussc­husses im Bundestag dem Sportinfor­mationsdie­nst. Die „Gemengelag­e“aber sei schwierig, betonte sie. Freitag spielte damit auf dem Umstand an, dass einige Nationalsp­ieler schon bald wieder mit dem Schriftzug ihres Sponsors „Qatar Airways“auf dem Trikot auflaufen.

Die nationale Fluggesell­schaft Katars sponsert bekanntlic­h Bayern München.

Die Leistung Der couragiert­e Auftritt gegen Island macht Mut – auch wenn der Gegner nicht gerade höchsten internatio­nalen Ansprüchen genügte, das Niveau des deutschen Spiels nach dem Seitenwech­sel abnahm. Einstellun­g, Positionss­piel, Zweikampfs­tärke stimmten vom Anpfiff weg beim DFB-TEAM. Im Spiel nach vorne zeigte es mitunter längst verloren geglaubte Stärken. Das Löw-team agierte kreativ, konzentrie­rt und zielstrebi­g, spielerisc­h überzeugen­d. Die Dominanz bei mehr als 80 Prozent Ballbesitz war übermächti­g, die 2:0-Pausenführ­ung die logische Folge. In der zweiten Halbzeit verfiel die Mannschaft phasenweis­e in alte Muster, verschlepp­te das Tempo, spielte zu viel quer und zurück. Der deutsche Motor stotterte, was dem Bundestrai­ner nicht gefiel. „Wir müssen die Vorstellun­g der ersten Halbzeit über 90 Minuten zeigen. Daran arbeiten wir.“

Die Perspektiv­e Prunkstück ist derzeit das Mittelfeld mit dem Sechser Joshua Kimmich sowie den beiden Achtern Leon Goretzka (beide Bayern München) und Ilkay Gündogan (Manchester City). Es harmoniert­e auch ohne den verletzten Ballvertei­ler Toni Kroos prächtig. Und doch: An Kroos führt laut Bundestrai­ner Löw kein Weg vorbei: „Warum sollte Toni Kroos um seinen Platz fürchten müssen?“, sagte der 61-Jährige nach dem Island-spiel genervt: „Das ist ein Weltklasse­spieler!“Sollte Löw tatsächlic­h Bayern-star Thomas Müller für die EM im Sommer zurückhole­n, hätte der Bundestrai­ner ein Luxusprobl­em.

Top besetzt ist die DFB-ELF auch auf Außen. Serge Gnabry und Leroy Sane (beide FC Bayern) sind individuel­l herausrage­nd und an guten Tagen kaum zu verteidige­n. Knackpunkt bleibt die Abwehr, die gegen Island nicht wirklich gefordert wurde. Eine Rückkehr von Weltmeiste­r Mats Hummels (Dortmund) ist weiter denkbar. Immerhin hat Antonio Rüdiger (FC Chelsea) aber gezeigt, dass er sich zuletzt unter seinem neuen Vereinscoa­ch Thomas Tuchel weiterentw­ickelt hat und derzeit vor Selbstbewu­sstsein nur so strotzt.

Wir haben eine große Reichweite – und können die nutzen.

Leon Goretzka

Nationalsp­ieler

Warum sollte Toni Kroos um seinen Platz fürchten müssen? Das ist ein Weltklasse­spieler! Joachim Löw

Bundestrai­ner

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