Mit besten Grüßen nach Katar
Das DFB-TEAM sendet eine klare Botschaft an den umstrittenen Wm-gastgeber. Auch sportlich ist der Start ins neue Jahr weitgehend geglückt. Die drei Lehren aus dem Island-spiel.
Die Aktion war nicht zu übersehen. Kaum war die Nationalhymne verklungen, streiften sich die Spieler der deutschen Fußball-nationalmannschaft schwarze T-shirts über, auf denen jeweils ein Buchstabe aufgepinselt war. Buchstaben, die zusammen das Wort HUMAN RIGHTS ergaben. Die unverhohlene Botschaft und der Einsatz für Menschenrechte war der Hingucker vor dem Spiel. Die Bilder gingen um die Welt. Auf dem Feld setzte die DFB-ELF dann ebenfalls ein Zeichen, zumindest eine Halbzeit lang. Der 3:0-Sieg gegen Island zum Auftakt der Wm-qualifikation stellte Bundestrainer Joachim Löw nur halb zufrieden. Nun steht das Topspiel der deutschen Wm-qualifikations-gruppe an. An diesem Sonntag (20.45 UHR/RTL) treten Jogis Jungs in Rumänien an. Diese drei Dinge bleiben aus dem Island-spiel.
Die Botschaft Mit ihrer selbstgepinselten Elf-buchstaben-botschaft haben die Nationalspieler für mehr Aufmerksamkeit gesorgt als mit der über weite Strecken überzeugenden Vorstellung im Spiel. Adressat der Botschaft war der Ausrichter der kommenden Fußball-wm: der Wüstenstaat Katar. Dieser gerät zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit, weil dort die Bedingungen für Arbeitsmigranten miserabel, viele Menschen auf den Baustellen der Stadien zu Tode gekommen sind. Dass sich ein DFB-TEAM so klar und politisch positioniert, ist neu. Entsprechend groß war das Echo.
„Wir möchten der Gesellschaft klar machen, dass wir das nicht ignorieren, sondern klar machen, welche Bedingungen da herrschen müssen“, sagte Torschütze Leon Goretzka im Rtl-interview. „Wir haben eine große Reichweite – und können die nutzen.“
Bundestrainer Löw, die Organisation Human Rights Watch, Norwegens Nationaltrainer Stale Solbakken, dessen Team einen Tag zuvor eine ähnliche Botschaft gesendet hatte, Regierungssprecher Steffen Seibert, Bayern-patron Uli Hoeneß: Sie alle lobten die Aktion von Goretzka und Co.. Selbst der Weltfußball-verband Fifa, der politische Botschaften auf dem Feld eigentlich nicht gerne sieht, reagierte wohlwollend.
Doch nicht alle waren begeistert. „Ich habe keinerlei Zweifel an der persönlichen Haltung der Dfb-nationalspieler“, sagte Dagmar
Freitag, die Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag dem Sportinformationsdienst. Die „Gemengelage“aber sei schwierig, betonte sie. Freitag spielte damit auf dem Umstand an, dass einige Nationalspieler schon bald wieder mit dem Schriftzug ihres Sponsors „Qatar Airways“auf dem Trikot auflaufen.
Die nationale Fluggesellschaft Katars sponsert bekanntlich Bayern München.
Die Leistung Der couragierte Auftritt gegen Island macht Mut – auch wenn der Gegner nicht gerade höchsten internationalen Ansprüchen genügte, das Niveau des deutschen Spiels nach dem Seitenwechsel abnahm. Einstellung, Positionsspiel, Zweikampfstärke stimmten vom Anpfiff weg beim DFB-TEAM. Im Spiel nach vorne zeigte es mitunter längst verloren geglaubte Stärken. Das Löw-team agierte kreativ, konzentriert und zielstrebig, spielerisch überzeugend. Die Dominanz bei mehr als 80 Prozent Ballbesitz war übermächtig, die 2:0-Pausenführung die logische Folge. In der zweiten Halbzeit verfiel die Mannschaft phasenweise in alte Muster, verschleppte das Tempo, spielte zu viel quer und zurück. Der deutsche Motor stotterte, was dem Bundestrainer nicht gefiel. „Wir müssen die Vorstellung der ersten Halbzeit über 90 Minuten zeigen. Daran arbeiten wir.“
Die Perspektive Prunkstück ist derzeit das Mittelfeld mit dem Sechser Joshua Kimmich sowie den beiden Achtern Leon Goretzka (beide Bayern München) und Ilkay Gündogan (Manchester City). Es harmonierte auch ohne den verletzten Ballverteiler Toni Kroos prächtig. Und doch: An Kroos führt laut Bundestrainer Löw kein Weg vorbei: „Warum sollte Toni Kroos um seinen Platz fürchten müssen?“, sagte der 61-Jährige nach dem Island-spiel genervt: „Das ist ein Weltklassespieler!“Sollte Löw tatsächlich Bayern-star Thomas Müller für die EM im Sommer zurückholen, hätte der Bundestrainer ein Luxusproblem.
Top besetzt ist die DFB-ELF auch auf Außen. Serge Gnabry und Leroy Sane (beide FC Bayern) sind individuell herausragend und an guten Tagen kaum zu verteidigen. Knackpunkt bleibt die Abwehr, die gegen Island nicht wirklich gefordert wurde. Eine Rückkehr von Weltmeister Mats Hummels (Dortmund) ist weiter denkbar. Immerhin hat Antonio Rüdiger (FC Chelsea) aber gezeigt, dass er sich zuletzt unter seinem neuen Vereinscoach Thomas Tuchel weiterentwickelt hat und derzeit vor Selbstbewusstsein nur so strotzt.
Wir haben eine große Reichweite – und können die nutzen.
Leon Goretzka
Nationalspieler
Warum sollte Toni Kroos um seinen Platz fürchten müssen? Das ist ein Weltklassespieler! Joachim Löw
Bundestrainer