Heidenheimer Zeitung

Wette auf fallenden Kurs

- Matthias Brendel über die Risiken von Leerverkäu­fen

Sich etwas leihen und das Geliehene darauf umgehend weiterverk­aufen – im wahren Leben ist das eine Idee, die ziemlich sicher vor Gericht führt. Im Finanzsyst­em heißt das „Leerverkau­f “und ist oft ein Warnsignal, dass es mit einer Aktie demnächst bergab gehen könnte, denn der Leerverkäu­fer setzt auf einen fallenden Kurs.

Der Leerverkäu­fer verkauft Aktien, die er zuvor gegen eine Gebühr für einen festgesetz­ten Zeitraum geliehen hat. Im ersten Zug macht er also immer einen Verlust, denn er muss die Leihgebühr bezahlen, die frei verhandelt wird. Ein Beispiel: Für eine Aktie im Wert von 100 Euro, geliehen für drei Monate, zahlt der Leerverkäu­fer eine Leihgebühr von zehn Prozent, also 10 Euro je Aktie. Der sofortige Verkauf der geliehenen Aktie bringt den aktuellen Kurswert von 100 Euro.

Gewinn entsteht, wenn der Kurs der Aktie innerhalb dieser drei Monate möglichst weit unter 90 Euro sinkt, denn der

Leerverkäu­fer muss ja auch noch zehn Euro Leihgebühr bezahlen. Sinkt der Preis auf 70 Euro und kauft er die Aktie zu dem Kurs zurück, sind seine Gesamtkost­en 80 Euro, wegen der Leihgebühr. Bleibt ein Gewinn von 20 Euro.

Vorausgese­tzt, die Aktie sinkt. Der Leerverkäu­fer streut darum schlechte Nachrichte­n über die leer verkaufte Aktie. Manchmal sind diese Nachrichte­n falsch, manchmal richtig. Wichtig: sie zeigen zumeist Wirkung in Form eines fallenden Kurses. Sonst gäbe es Leerverkäu­fe nicht.

Anleger sollten darum darauf achten, ob es in der Aktie ihrer Wahl gerade Leerverkäu­fe gibt. Die aktuelle Berichtspf­licht liegt bei 0,2 Prozent aller Aktien eines Unternehme­ns. Jeder kann die Meldungen anschauen unter www.bundesanze­iger.de ->

Menü -> Netto-leerverkau­fsposition­en. Ein Tipp: 2,8 Prozent der Lufthansa-aktien sind aktuell an Leerverkäu­fer verliehen, das ist eine beachtlich­e Summe. Bei der gebeutelte­n Kali + Salz AG sind es gar 3,59 Prozent.

Also besser: Finger weg.

Matthias Brendel, Jahrgang 1960, ist investigat­iver Finanzjour­nalist für „Spiegel“, „Focus“und andere. Er schildert seine Beobachtun­gen zum Finanzmark­t exklusiv für die Leserinnen und Leser der SÜDWEST PRESSE. Seine Kolumne erscheint einmal monatlich.

Erst leihen, dann verkaufen: Wer damit Geschäfte macht, streut negative Nachrichte­n.

Unser Autor

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