Wette auf fallenden Kurs
Sich etwas leihen und das Geliehene darauf umgehend weiterverkaufen – im wahren Leben ist das eine Idee, die ziemlich sicher vor Gericht führt. Im Finanzsystem heißt das „Leerverkauf “und ist oft ein Warnsignal, dass es mit einer Aktie demnächst bergab gehen könnte, denn der Leerverkäufer setzt auf einen fallenden Kurs.
Der Leerverkäufer verkauft Aktien, die er zuvor gegen eine Gebühr für einen festgesetzten Zeitraum geliehen hat. Im ersten Zug macht er also immer einen Verlust, denn er muss die Leihgebühr bezahlen, die frei verhandelt wird. Ein Beispiel: Für eine Aktie im Wert von 100 Euro, geliehen für drei Monate, zahlt der Leerverkäufer eine Leihgebühr von zehn Prozent, also 10 Euro je Aktie. Der sofortige Verkauf der geliehenen Aktie bringt den aktuellen Kurswert von 100 Euro.
Gewinn entsteht, wenn der Kurs der Aktie innerhalb dieser drei Monate möglichst weit unter 90 Euro sinkt, denn der
Leerverkäufer muss ja auch noch zehn Euro Leihgebühr bezahlen. Sinkt der Preis auf 70 Euro und kauft er die Aktie zu dem Kurs zurück, sind seine Gesamtkosten 80 Euro, wegen der Leihgebühr. Bleibt ein Gewinn von 20 Euro.
Vorausgesetzt, die Aktie sinkt. Der Leerverkäufer streut darum schlechte Nachrichten über die leer verkaufte Aktie. Manchmal sind diese Nachrichten falsch, manchmal richtig. Wichtig: sie zeigen zumeist Wirkung in Form eines fallenden Kurses. Sonst gäbe es Leerverkäufe nicht.
Anleger sollten darum darauf achten, ob es in der Aktie ihrer Wahl gerade Leerverkäufe gibt. Die aktuelle Berichtspflicht liegt bei 0,2 Prozent aller Aktien eines Unternehmens. Jeder kann die Meldungen anschauen unter www.bundesanzeiger.de ->
Menü -> Netto-leerverkaufspositionen. Ein Tipp: 2,8 Prozent der Lufthansa-aktien sind aktuell an Leerverkäufer verliehen, das ist eine beachtliche Summe. Bei der gebeutelten Kali + Salz AG sind es gar 3,59 Prozent.
Also besser: Finger weg.
Matthias Brendel, Jahrgang 1960, ist investigativer Finanzjournalist für „Spiegel“, „Focus“und andere. Er schildert seine Beobachtungen zum Finanzmarkt exklusiv für die Leserinnen und Leser der SÜDWEST PRESSE. Seine Kolumne erscheint einmal monatlich.
Erst leihen, dann verkaufen: Wer damit Geschäfte macht, streut negative Nachrichten.
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