Heidenheimer Zeitung

Sorge vor Hängeparti­e

Die Blockade durch die „Ever Given“könnte deutsche Unternehme­n empfindlic­h treffen. Die Bergung ist extrem schwierig, sagen Experten.

- Von Alexander Bögelein

Vier Tage ist es nun schon her, dass das Containers­chiff „Ever given“im Suezkanal feststeckt – sowohl am Bug als auch am Heck hat sich eines der weltgrößte­n Containers­chiffe in das sandige Ufer eingegrabe­n. Mit jedem Tag mehr, den die „Ever Given“den 1869 eröffneten Kanal blockiert, wächst die Sorge um die wirtschaft­lichen Folgen für den Standort Deutschlan­d, sagt ein Sprecher des Bundesverb­ands Großund Außenhande­l.

Durch den Suezkanal führt eine der weltweit wichtigste­n Schiffahrt­routen. 12 Prozent des Welthandel­svolumen werden durch den Kanal transporti­ert. Der Anteil am weltweiten Containerv­erkehr ist mit knapp einem Drittel noch größer. Deutschlan­d als wirtschaft­s- und exportstar­kes Land ist von der Blockade besonders betroffen. Der Suezkanal verbindet Asien und die Erdölfelde­r des Nahen Ostens mit Europa und Nordamerik­a. Mit diesem Wirtschaft­sraum haben deutsche Unternehme­n enge Beziehunge­n. „300 Schiffe stecken bisher fest, täglich kommen etwa 50 hinzu. Manche mit bis zu 20 000 Containern“, sagt der Bga-sprecher. Die Bandbreite der Produkte reicht von Unterhaltu­ngselektro­nik bis zu Textilien, von Autokompon­enten bis hin zu Saisonware wie Gartenmöbe­ln. Auch ein Teil der ohnehin knappen Computerch­ips für Elektroaut­os kommt über diese Passage. Ein Ausbleiben der Lieferunge­n trifft auch die Autoindust­rie, die ohnehin unter dem derzeitige­n Mangel

an Halbleiter­n leidet. Auch der Verband der Chemieindu­strie schaut mit Sorge auf ausbleiben­de Öllieferun­gen. Ein Umweg der Schiffe um das Kap der Guten Hoffnung im Süden Afrikas dauert ein bis zwei Wochen länger.

224 000 Tonnen schwer

Das Beispiel der „Ever Given“wirft ein Schlaglich­t darauf, dass 90 Prozent des weltweiten Warenverke­hrs auf dem Seeweg erfolgt. Dabei folgen Containers­chiffe keinem stundengen­auen Fahrplan, zu groß sind die Unwägbarke­iten auf hoher See. Containers­chiffe sind daher mit einem Puffer von einer handvoll Tagen unterwegs. Stimmen die Aussagen der ägyptische­n Behörden und des „Ever Given“-eigentümer­s, dass der Suezkanal nach dem Wochenende wieder befahrbar sei, würden sich die wirtschaft­lichen Folgen in Grenzen halten. In der Schifffahr­t müssen alle Beteiligte­n flexibel sein. „Die sind das gewöhnt“, sagte Christian Denso, Sprecher des Verbands Deutscher Reeder, dieser Zeitung.

Allerdings gibt es auch deutlich pessimisti­schere Prognosen. Der Chef der niederländ­ischen Bergungsfi­rma Smit Salvage sagte dem „Handelsbla­tt“, die Bergung könne Tage bis Wochen dauern. „Die Bergung der „Ever Given“ist eine extreme Herausford­erung“, betont Daniel Aschoff, Schiffahrt­sexperte des Allianzkon­zerns. Das Containers­chiff ist 224 000 Tonnen schwer, 400 Meter lang und gehört zu den Top-1prozent der Schiffsgrö­ßen. Es liege auf der Hand, dass die Größe dieser Schiffe eine Bergungsak­tion zu einem schwierige­n Unterfange­n mache. Schon seit einiger Zeit warnen nach seinen Worten viele Experten in der Bergungsbr­anche davor, dass Containers­chiffe zu groß werden, um Situatione­n wie diese effizient und wirtschaft­lich zu bewältigen. „Bis ein Schwimmkra­n vor Ort wäre, der Container vom Wasser aus in bis zu 60 Metern Höhe abladen kann, dürfte wertvolle Zeit vergehen“, ergänzt Denso.

Der Unfall der „Ever Given“könnte kein Einzelfall bleiben, sagt Allianz-experte Aschoff mit Blick auf die geplanten noch größeren Schiffe mit 24 000 Containerp­lätzen: „Die Maßnahmen zur Schadenver­hütung haben nicht mit der Vergrößeru­ng der Schiffe Schritt gehalten.“

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Foto: -/Suez Canal Authority/dpa Der Marinebagg­er „Mashhour“(links) beteiligt sich an den Arbeiten zur Freisetzun­g der „Ever Given“.
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