Sorge vor Hängepartie
Die Blockade durch die „Ever Given“könnte deutsche Unternehmen empfindlich treffen. Die Bergung ist extrem schwierig, sagen Experten.
Vier Tage ist es nun schon her, dass das Containerschiff „Ever given“im Suezkanal feststeckt – sowohl am Bug als auch am Heck hat sich eines der weltgrößten Containerschiffe in das sandige Ufer eingegraben. Mit jedem Tag mehr, den die „Ever Given“den 1869 eröffneten Kanal blockiert, wächst die Sorge um die wirtschaftlichen Folgen für den Standort Deutschland, sagt ein Sprecher des Bundesverbands Großund Außenhandel.
Durch den Suezkanal führt eine der weltweit wichtigsten Schiffahrtrouten. 12 Prozent des Welthandelsvolumen werden durch den Kanal transportiert. Der Anteil am weltweiten Containerverkehr ist mit knapp einem Drittel noch größer. Deutschland als wirtschafts- und exportstarkes Land ist von der Blockade besonders betroffen. Der Suezkanal verbindet Asien und die Erdölfelder des Nahen Ostens mit Europa und Nordamerika. Mit diesem Wirtschaftsraum haben deutsche Unternehmen enge Beziehungen. „300 Schiffe stecken bisher fest, täglich kommen etwa 50 hinzu. Manche mit bis zu 20 000 Containern“, sagt der Bga-sprecher. Die Bandbreite der Produkte reicht von Unterhaltungselektronik bis zu Textilien, von Autokomponenten bis hin zu Saisonware wie Gartenmöbeln. Auch ein Teil der ohnehin knappen Computerchips für Elektroautos kommt über diese Passage. Ein Ausbleiben der Lieferungen trifft auch die Autoindustrie, die ohnehin unter dem derzeitigen Mangel
an Halbleitern leidet. Auch der Verband der Chemieindustrie schaut mit Sorge auf ausbleibende Öllieferungen. Ein Umweg der Schiffe um das Kap der Guten Hoffnung im Süden Afrikas dauert ein bis zwei Wochen länger.
224 000 Tonnen schwer
Das Beispiel der „Ever Given“wirft ein Schlaglicht darauf, dass 90 Prozent des weltweiten Warenverkehrs auf dem Seeweg erfolgt. Dabei folgen Containerschiffe keinem stundengenauen Fahrplan, zu groß sind die Unwägbarkeiten auf hoher See. Containerschiffe sind daher mit einem Puffer von einer handvoll Tagen unterwegs. Stimmen die Aussagen der ägyptischen Behörden und des „Ever Given“-eigentümers, dass der Suezkanal nach dem Wochenende wieder befahrbar sei, würden sich die wirtschaftlichen Folgen in Grenzen halten. In der Schifffahrt müssen alle Beteiligten flexibel sein. „Die sind das gewöhnt“, sagte Christian Denso, Sprecher des Verbands Deutscher Reeder, dieser Zeitung.
Allerdings gibt es auch deutlich pessimistischere Prognosen. Der Chef der niederländischen Bergungsfirma Smit Salvage sagte dem „Handelsblatt“, die Bergung könne Tage bis Wochen dauern. „Die Bergung der „Ever Given“ist eine extreme Herausforderung“, betont Daniel Aschoff, Schiffahrtsexperte des Allianzkonzerns. Das Containerschiff ist 224 000 Tonnen schwer, 400 Meter lang und gehört zu den Top-1prozent der Schiffsgrößen. Es liege auf der Hand, dass die Größe dieser Schiffe eine Bergungsaktion zu einem schwierigen Unterfangen mache. Schon seit einiger Zeit warnen nach seinen Worten viele Experten in der Bergungsbranche davor, dass Containerschiffe zu groß werden, um Situationen wie diese effizient und wirtschaftlich zu bewältigen. „Bis ein Schwimmkran vor Ort wäre, der Container vom Wasser aus in bis zu 60 Metern Höhe abladen kann, dürfte wertvolle Zeit vergehen“, ergänzt Denso.
Der Unfall der „Ever Given“könnte kein Einzelfall bleiben, sagt Allianz-experte Aschoff mit Blick auf die geplanten noch größeren Schiffe mit 24 000 Containerplätzen: „Die Maßnahmen zur Schadenverhütung haben nicht mit der Vergrößerung der Schiffe Schritt gehalten.“