Heidenheimer Zeitung

Ampelträum­e

- Igor Steinle zu möglichen Koalitione­n im Bund leitartike­l@swp.de

So schnell kann es gehen. War bisher gerne von Schwarz-grün als Zukunft der Republik die Rede, leuchten im politische­n Berlin nach Unions-korruption­sskandalen und von der CDU verlorenen Landtagswa­hlen allerorten die Ampeln auf. Angesichts rapide sinkender Beliebthei­tswerte der CDU stellt sich deswegen auch unabhängig vom Ausgang der Koalitions­verhandlun­gen im Südwesten die Frage: Ist Grün-rot-gelb was für den Bund?

Inhaltlich birgt ein Bündnis aus Grünen, SPD und FDP einiges an Modernisie­rungspoten­tial. In den Verwaltung­en etwa hat die Pandemie endgültig den massiven Digitalisi­erungsstau offenbart. Mit den Liberalen, die eine effiziente­re Bürokratie als Markenkern in sich tragen, könnte diese föderale Mammutaufg­abe vorangetri­eben werden. Die Grünen könnten sich ausgiebig der ökologisch­en Modernisie­rung widmen, während die SPD sich in einer solchen Koalition als das soziale Gewissen profiliere­n müsste. Mit einer Anhebung von Mindestloh­n und Spitzenste­uersatz bewerben sich die Sozialdemo­kraten bereits für diese Rolle.

Manch Konservati­ver wird da bereits nervös. Wo bleibt in Zukunft die Union, wenn die Wirtschaft von der FDP, die Umwelt von den Grünen und das Soziale von der SPD abgedeckt werden, wird CDU-CHEF Laschet zitiert. Die FDP müsse nun Farbe bekennen, twittert Csu-general Blume.

Diesen Gefallen werden die Liberalen ihm wohl nicht tun. So zerstört Parteichef Lindner die Ampelträum­e immer wieder mal, weil ihm Grüne und Rote zu links daher kommen. Es dauert in der Regel aber nicht lange, bis sein General Volker Wissing, einer der Architekte­n der geräuschlo­s funktionie­renden Mainzer Ampel, die Träumer wieder beflügelt.

Vielen Liberalen ist die letzte Koalition mit der Union, nach der man aus dem Bundestag flog, traumatisc­h in Erinnerung geblieben – genauso wie der Spott vieler Konservati­ver hinterher. Gerne wird auch betont, dass es die Union war, die die FDP bei Jamaika am langen Arm hat verdursten lassen. Die CDU im Bund überflüssi­g zu machen wäre einigen Liberalen da eine süße Rache.

Auch bei den Grünen, die offen mit der Union flirten, gibt es den ein oder anderen, der der FDP näher steht als der CDU. Die grundsätzl­iche Abneigung, die man ehemals empfand, ist in weiten Teilen passé – zumal beide

Inhaltlich birgt ein Bündnis aus Grünen, SPD und FDP Potential für Modernisie­rung.

Parteien dasselbe Milieu anziehen. An Spd-kanzlerkan­didat Scholz würde eine Ampel sowieso nicht scheitern. Selbst Linksaußen Kevin Kühnert hält das Modell für denkbar, wenngleich die Äußerung wohl eher taktischer Natur ist. Einfach würden Kompromiss­e vor allem in Steuerfrag­en nicht – wenngleich auch nicht unmöglich.

Vielleicht wären allzu viele davon auch gar nicht nötig. So verweisen vor allem Liberale gerne auf erfolgreic­he Modelle in Mainz und Düsseldorf, wo sich Regierungs­arbeit nicht auf kleinste gemeinsame Nenner beschränkt, sondern Spielfelde­r abgesteckt wurden, auf denen sich Koalitions­partner austoben und profiliere­n dürfen. Schließlic­h funktionie­ren Ampeln auch im Verkehr nur dann, wenn jede Farbe mal strahlen darf.

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