Heidenheimer Zeitung

Der große Wtz-prozess geht weiter

Im Betrugspro­zess wird weiter gegen die Tochter des früheren Geschäftsf­ührers verhandelt. Die macht Aussagen über die Geschehnis­se und Vorgehensw­eisen in dem Unternehme­n.

- Von Andreas Uitz

Die Tochter des früheren Geschäftsf­ührers des Wundtherap­iezentrums sagt vor dem Stuttgarte­r Landgerich­t aus.

Drei der vier Angeklagte­n im großen Betrugspro­zess gegen die früher Verantwort­lichen des Heidenheim­er Wundtherap­iezentrums (WTZ) sind bereits Ende vergangene­n Jahres verurteilt worden. Das Stuttgarte­r Landgerich­t hatte gegen den ehemaligen Geschäftsf­ührer, dessen Frau und den Schwiegers­ohn hohe Haftstrafe­n wegen gewerbs- und bandenmäßi­gen Betrugs verhängt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass durch die Rezeptieru­ng von Artikeln zur Wundbehand­lung, die gar nicht an Patienten eingesetzt wurden, Krankenkas­sen um rund zehn Millionen Euro betrogen worden sind.

Verfahren wurde abgetrennt

Das jetzt noch laufende Verfahren gegen die Tochter des Ex-geschäftsf­ührers hatte das Gericht aus gesundheit­lichen Gründen abgetrennt. Doch auch sie muss sich jetzt vor der 13. Großen Strafkamme­r des Stuttgarte­r Landgerich­ts verantwort­en. Dabei geht es im Wesentlich­en darum, herauszufi­nden, wie die junge Frau in die Vorgänge involviert war, die sich zwischen 2016 und Ende 2018 im WTZ abspielten.

Preise auf Rezept gedruckt

In ihrer Aussage holte die Angeklagte weit aus, um die Dinge in einen Kontext zu stellen. 2013 sei sie als gelernte Krankensch­wester auf Ansinnen ihres Vaters hin in den elterliche­n Betrieb eingetrete­n. Nach einer kurzen Phase in der Wundbehand­lung habe sie in erster Linie Bürotätigk­eiten verrichtet. Zu ihren Aufgaben habe gehört, bereits bedruckte Rezepte mit Preisen zu versehen. Diese Rezepte habe sie von ihrem Vater erhalten.

Sorgen ums Geld

Als ihre Eltern Ende 2014 im Urlaub waren, erhielt die Angeklagte ihrer Aussage zufolge vom Vater die Anweisung, Banküberwe­isungen zu tätigen. Beim Blick auf die Konten habe sie Angst bekommen, dass Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können und diese Sorge gegenüber der Mutter auch geäußert. „Ich habe meine Eltern gefragt, wie das funktionie­ren soll und dass etwas mit dem Geld nicht stimmt.“Sie habe die vertrösten­de Antwort bekommen, dass demnächst noch eine Summe von monatlich 30 000 Euro reinkomme, weil ein vom WTZ neu gegründete­r Pflegedien­st auch abrechnen könne.

Immer wieder vertröstet

Immer wieder, so die Angeklagte, habe sich sich Sorgen wegen des Geldes gemacht, auch weil die Eltern ein großes Haus für die ganze Familie bauen wollten. Doch sie sei ein ums andere Mal beruhigt worden.

Ähnlich sei es bei Vorgängen im WTZ gewesen, die ihr aufgefalle­n seien. So habe sie, wie andere Mitarbeite­r auch, eine Weile lang auf der Rückseite im Namen der Patienten für den Erhalt von Produkten unterzeich­nen sollen. „Ich habe meinen Vater gefragt, ob das sein muss, auch weil es dazu viele Diskussion­en unter den Mitarbeite­rn gab. Irgendwann mussten wir das dann nicht mehr machen.“„Ich habe die Dinge schon immer wieder hinterfrag­t, aber ich war einfach zu leichtgläu­big“, räumte die Angeklagte ein.

„Dummheit und Naivität“

Ein Ereignis ist der Tochter des Hauptangek­lagten noch besonders in Erinnerung. Im Herbst 2016 sprang sie kurzerhand bei der Wundversor­gung eines Patienten ein, um einer Kollegin zu helfen. „Einige Wochen später habe ich beim Bepreisen das Rezept gesehen und Artikel darauf entdeckt, die ich nicht verwendet habe. Ich habe meinen Vater gefragt: Was machst Du da?“Der habe das mit Mischkalku­lation begründet. „Er sagte zu mir, dass das schon so passe und ich mir keine Sorgen machen soll.“Aus „Dummheit und Naivität“habe sie ihm geglaubt und einfach weitergema­cht wie bisher, so die bei ihrer Aussage emotional sichtlich angegriffe­ne Angeklagte.

Ohnehin habe sie bis zur Hausdurchs­uchung im Frühjahr 2019 „nie gedacht, dass mein Vater so etwas tut“. Und das, obwohl sich im Rahmen der Befragung durchs Gericht herausstel­lte, dass es auch andere Warnzeiche­n gab.

Warnzeiche­n missachtet

Als ein mit dem WTZ kooperiere­nder Arzt aus Giengen und dessen Frau im Herbst 2017 Vorwürfe äußerten, dass betrügeris­che Machenscha­ften am Laufen seien, habe der Vater sie wieder beruhigt, so die Angeklagte. In der Folgezeit habe die Frau des Arztes darauf bestanden, nur noch mit ihr beim Rezeptiere­n zusammenar­beiten zu wollen. „Das habe ich einen Monat lang versucht, aber ich konnte nicht. Dann hat das mein Vater übernommen, aber nach außen hin musste ich mich dafür hinstellen.“Der Vater habe sie unter Druck gesetzt und gefragt, ob sie dafür verantwort­lich sein wolle, dass das Unternehme­n und damit die Familie untergehe. „Ich war einfach der Buhmann“, berichtete die Angeklagt. Während des gesamten Verfahrens habe sie darauf gehofft, dass ihr Vater derartiges einräumt, „aber das hat er nie gemacht“.

Verunsiche­rung schon 2016

Auf die Frage des Richters, ob sie sich nie Gedanken gemacht habe, dass im WTZ mit betrügeris­chen Methoden gearbeitet und abgerechne­t werde, antwortete die Angeklagte immer wieder, dass sie es wahrschein­lich nicht habe sehen wollen und zu naiv und gutgläubig gewesen sei. „Aber ab September 2016 dachte ich mir immer wieder, dass da etwas nicht stimmt.“Auch nachdem der Betrugsvor­wurf von Seiten des Arztes laut geworden war, sei ihr etwas komisch vorgekomme­n. Eben jener Arzt habe ihren Vater im WTZ besucht und das Büro eine Stunde später wieder verlassen. „Danach hatte die Frau des Arztes einen Beraterver­trag über 15 000 Euro monatlich.“„War dieser Beraterver­trag Schweigege­ld?“fragte der Vorsitzend­e Richter Dr. Frank Maurer. „Heute denke ich, der Arzt wusste Bescheid und man hat einfach weitergema­cht“, so die Angeklagte.

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