Der große Wtz-prozess geht weiter
Im Betrugsprozess wird weiter gegen die Tochter des früheren Geschäftsführers verhandelt. Die macht Aussagen über die Geschehnisse und Vorgehensweisen in dem Unternehmen.
Die Tochter des früheren Geschäftsführers des Wundtherapiezentrums sagt vor dem Stuttgarter Landgericht aus.
Drei der vier Angeklagten im großen Betrugsprozess gegen die früher Verantwortlichen des Heidenheimer Wundtherapiezentrums (WTZ) sind bereits Ende vergangenen Jahres verurteilt worden. Das Stuttgarter Landgericht hatte gegen den ehemaligen Geschäftsführer, dessen Frau und den Schwiegersohn hohe Haftstrafen wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs verhängt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass durch die Rezeptierung von Artikeln zur Wundbehandlung, die gar nicht an Patienten eingesetzt wurden, Krankenkassen um rund zehn Millionen Euro betrogen worden sind.
Verfahren wurde abgetrennt
Das jetzt noch laufende Verfahren gegen die Tochter des Ex-geschäftsführers hatte das Gericht aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt. Doch auch sie muss sich jetzt vor der 13. Großen Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts verantworten. Dabei geht es im Wesentlichen darum, herauszufinden, wie die junge Frau in die Vorgänge involviert war, die sich zwischen 2016 und Ende 2018 im WTZ abspielten.
Preise auf Rezept gedruckt
In ihrer Aussage holte die Angeklagte weit aus, um die Dinge in einen Kontext zu stellen. 2013 sei sie als gelernte Krankenschwester auf Ansinnen ihres Vaters hin in den elterlichen Betrieb eingetreten. Nach einer kurzen Phase in der Wundbehandlung habe sie in erster Linie Bürotätigkeiten verrichtet. Zu ihren Aufgaben habe gehört, bereits bedruckte Rezepte mit Preisen zu versehen. Diese Rezepte habe sie von ihrem Vater erhalten.
Sorgen ums Geld
Als ihre Eltern Ende 2014 im Urlaub waren, erhielt die Angeklagte ihrer Aussage zufolge vom Vater die Anweisung, Banküberweisungen zu tätigen. Beim Blick auf die Konten habe sie Angst bekommen, dass Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können und diese Sorge gegenüber der Mutter auch geäußert. „Ich habe meine Eltern gefragt, wie das funktionieren soll und dass etwas mit dem Geld nicht stimmt.“Sie habe die vertröstende Antwort bekommen, dass demnächst noch eine Summe von monatlich 30 000 Euro reinkomme, weil ein vom WTZ neu gegründeter Pflegedienst auch abrechnen könne.
Immer wieder vertröstet
Immer wieder, so die Angeklagte, habe sich sich Sorgen wegen des Geldes gemacht, auch weil die Eltern ein großes Haus für die ganze Familie bauen wollten. Doch sie sei ein ums andere Mal beruhigt worden.
Ähnlich sei es bei Vorgängen im WTZ gewesen, die ihr aufgefallen seien. So habe sie, wie andere Mitarbeiter auch, eine Weile lang auf der Rückseite im Namen der Patienten für den Erhalt von Produkten unterzeichnen sollen. „Ich habe meinen Vater gefragt, ob das sein muss, auch weil es dazu viele Diskussionen unter den Mitarbeitern gab. Irgendwann mussten wir das dann nicht mehr machen.“„Ich habe die Dinge schon immer wieder hinterfragt, aber ich war einfach zu leichtgläubig“, räumte die Angeklagte ein.
„Dummheit und Naivität“
Ein Ereignis ist der Tochter des Hauptangeklagten noch besonders in Erinnerung. Im Herbst 2016 sprang sie kurzerhand bei der Wundversorgung eines Patienten ein, um einer Kollegin zu helfen. „Einige Wochen später habe ich beim Bepreisen das Rezept gesehen und Artikel darauf entdeckt, die ich nicht verwendet habe. Ich habe meinen Vater gefragt: Was machst Du da?“Der habe das mit Mischkalkulation begründet. „Er sagte zu mir, dass das schon so passe und ich mir keine Sorgen machen soll.“Aus „Dummheit und Naivität“habe sie ihm geglaubt und einfach weitergemacht wie bisher, so die bei ihrer Aussage emotional sichtlich angegriffene Angeklagte.
Ohnehin habe sie bis zur Hausdurchsuchung im Frühjahr 2019 „nie gedacht, dass mein Vater so etwas tut“. Und das, obwohl sich im Rahmen der Befragung durchs Gericht herausstellte, dass es auch andere Warnzeichen gab.
Warnzeichen missachtet
Als ein mit dem WTZ kooperierender Arzt aus Giengen und dessen Frau im Herbst 2017 Vorwürfe äußerten, dass betrügerische Machenschaften am Laufen seien, habe der Vater sie wieder beruhigt, so die Angeklagte. In der Folgezeit habe die Frau des Arztes darauf bestanden, nur noch mit ihr beim Rezeptieren zusammenarbeiten zu wollen. „Das habe ich einen Monat lang versucht, aber ich konnte nicht. Dann hat das mein Vater übernommen, aber nach außen hin musste ich mich dafür hinstellen.“Der Vater habe sie unter Druck gesetzt und gefragt, ob sie dafür verantwortlich sein wolle, dass das Unternehmen und damit die Familie untergehe. „Ich war einfach der Buhmann“, berichtete die Angeklagt. Während des gesamten Verfahrens habe sie darauf gehofft, dass ihr Vater derartiges einräumt, „aber das hat er nie gemacht“.
Verunsicherung schon 2016
Auf die Frage des Richters, ob sie sich nie Gedanken gemacht habe, dass im WTZ mit betrügerischen Methoden gearbeitet und abgerechnet werde, antwortete die Angeklagte immer wieder, dass sie es wahrscheinlich nicht habe sehen wollen und zu naiv und gutgläubig gewesen sei. „Aber ab September 2016 dachte ich mir immer wieder, dass da etwas nicht stimmt.“Auch nachdem der Betrugsvorwurf von Seiten des Arztes laut geworden war, sei ihr etwas komisch vorgekommen. Eben jener Arzt habe ihren Vater im WTZ besucht und das Büro eine Stunde später wieder verlassen. „Danach hatte die Frau des Arztes einen Beratervertrag über 15 000 Euro monatlich.“„War dieser Beratervertrag Schweigegeld?“fragte der Vorsitzende Richter Dr. Frank Maurer. „Heute denke ich, der Arzt wusste Bescheid und man hat einfach weitergemacht“, so die Angeklagte.