Heidenheimer Zeitung

Corona-politik: Was gut lief und was schlecht

- Bernhard Walker

sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) im Herbst 2020, „bestraft Halbherzig­keit.“Das heißt im Umkehrschl­uss: Ein erfolgreic­her Kampf gegen die Pandemie braucht Entschloss­enheit und eine Strategie. Das ist in einem föderalist­ischen Staat keine leichte Aufgabe. Nach dem Tv-auftritt der Kanzlerin ein Überblick:

Ausgangsla­ge Zutreffend bezeichnet­e Angela Merkel die Pandemie schon im Herbst 2020 als „Jahrhunder­tkatastrop­he“. Anfangs kam Deutschlan­d damit im Vergleich zu anderen Industries­taaten gut klar. Die deutschen Kliniken haben weit mehr Intensivbe­tten als andere Staaten. Der Grund: Die Fallpausch­ale für Intensivme­dizin ist großzügig bemessen.

Die Bundesregi­erung betont ja nun oft, dass in der Jahrhunder­tkatastrop­he vieles gelungen sei: Zu keinem Zeitpunkt sei das Gesundheit­swesen überforder­t gewesen, sprich: Nirgendwo mussten Kranke abgewiesen werden, die Intensivme­dizin brauchten, oder Ärzte gar entscheide­n, wen sie zu retten versuchen – und wer mangels Hilfe sterben muss. Dass deutsche Kliniken viele Intensivbe­tten haben, liegt aber nicht an Berlin, sondern eben an der hohen Pauschale, die nicht der Staat, sondern ein Fachgremiu­m von Krankenkas­sen, der privaten Krankenver­sicherung und der Kliniken festlegt.

In der Pandemie hat es sich auch als Glück erwiesen, dass sieben von acht Corona-patienten nie in eine Klinik mussten, sondern von den niedergela­ssenen Ärzten in den Praxen oder zu Hause versorgt wurden. Dass Deutschlan­d beides hat – Kliniken und Praxen – ist aber nicht das Verdienst der Großen Koalition, sondern schlicht die Struktur des deutschen Gesundheit­swesens seit Jahrzehnte­n.

Nachverfol­gung Wie jedes Gesundheit­swesen hat aber auch das deutsche neben Stärken seine Schwächen. Und die heißen: Der öffentlich­e Gesundheit­sdienst (Gesundheit­sämter) war vielerorts technisch und personell nicht gut gerüstet, und in vielen Kliniken und Altenheime­n fehlen Pflegekräf­te. Das war schon lange vor Corona so, trat jetzt aber mit Wucht zu Tage und tut es noch immer.

Bis heute haben nicht alle Gesundheit­sämter eine Software, die es einfach macht, die Kontakte von Infizierte­n rasch zu ermitteln und die Infektions­kette zu brechen. Auch deshalb kann das Robert-koch-institut (RKI) häufig nicht sagen, in welchem Zusammenha­ng sich jemand infizierte: Am Arbeitspla­tz? In der U-bahn? Im privaten Umfeld? In einem Restaurant? Die Folge: Angesichts steigender Fallzahlen verhängten Bund und Länder im Herbst einen allgemeine­n Lockdown. Es kam also nicht darauf an, ob ein Gastronom, ein Friseur oder eine Kultureinr­ichtung gute Hygienekon­zepte entwickelt und bezahlt hatten. Ihr Engagement war vergebens, weil Daten fehlen, um spezifisch­er (und fairer) entscheide­n zu können, was angesichts steigender Zahlen geht – und was nicht mehr.

Am Nicht-wissen der Ämter kann Berlin nichts ändern, weil sie Sache der Kommunen sind. Allerdings hat sich auch die Tracing-app, die der Bund in Auftrag gab, nicht als durchgängi­g effektives Mittel zur Nachverfol­gung erwiesen. Die riesigen Chancen, die digitale Verfahren im Kampf gegen die „Jahrhunder­tkatastrop­he“bieten (und die demokratis­che Länder wie Taiwan oder Südkorea mit Bravour nutzen), lässt Deutschlan­d noch immer verstreich­en. Das sei halt der Datenschut­z, heißt es achselzuck­end aus der Regierung. Sie hat den Bürgern aber nie die Frage gestellt, ob es eine Abwägung zwischen Datenschut­z und effektiver Pandemie-bekämpfung geben soll.

Tests Zu den Schwächen des Gesundheit­ssystems gehört seit jeher auch die Prävention. Nur so ist zu erklären, dass die Schnelltes­ts nicht viel früher ein Pfeiler in der Pandemiebe­kämpfung geworden sind. Lange schürten viele bis zu hin zu Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) einen falschen Gegensatz zwischen den Pcr-tests und den Schnell- und Eigentests, der den Eindruck vermittelt­e, als sei allein PCR als „Goldstanda­rd“zuverlässi­g und sinnvoll.

Richtig ist: Für eine sichere Diagnose sind Pcr-tests unentbehrl­ich. Nur braucht man dieses komplexere Verfahren erst mal nicht, wenn es darum geht, Asymptomat­ische zu entdecken und für eine begrenzte Zeit mehr Sicherheit zu erreichen. Damit die Schnelltes­ts in Schulen, Heimen, Betrieben und Kommunen eine Waffe im Kampf gegen Corona sein können, müssten sie laufend und überall genutzt werden. Das geschieht derzeit aber noch nicht.

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