„Rechtsfeindschaft“oder der Geist der Großmutter
Richter befragt Angeklagten zu möglichen Beweggründen für Brandanschläge in Marbach.
Heilbronn. Irgendwann muss ihm der Kragen geplatzt sein. In jener Nacht vielleicht oder schon einige Tage vor den Brandanschlägen, die die Marbacher Feuerwehr im vergangenen Oktober in Atem gehalten haben. Der 42-Jährige läuft zur Tankstelle, füllt 15 Liter Benzin ab und kippt einen großen Teil in seiner Wohnung aus. Mit zwei Litern bastelt er die Molotow-cocktails, die er kurz nach dem Brand in seinem Haus im Oktober vergangenen Jahres gegen die Türen einer Kirche und eines Polizeireviers in Marbach (Kreis Ludwigsburg) werfen wird. Aus dem Flammenmeer können alle
Bewohner des Wohnhauses gerettet werden. Mehrere Nachbarn, zwei Passanten und zwei Polizisten erleiden Rauchvergiftungen. Seit Montag wird dem Mann am Landgericht Heilbronn unter anderem versuchter Mord vorgeworfen.
Das Motiv? Der Auslöser? Zu Beginn des Prozesses unklar. Er sei mit dem politischen System unzufrieden gewesen, antwortet der arbeitslose Automechaniker dem Richter Roland Kleinschroth, der gauf der Suche nach einem Motiv geduldig gräbt.
Steuern? „Sind Schutzgeld an das System“, murmelt der Deutsche,
Marbach am Neckar: So bekämpften die Feuerwehrleute im Oktober die Flammen.
der in Rumänien geboren wurde. Das Grundgesetz? „Ein Märchenbuch.“Die schlafenden Nachbarn, die er mitten in der Nacht dem Tod aussetzt? „Die haben Feuermelder. Ich nehme doch nicht bewusst den Tod anderer Menschen in Kauf.“Und die sogenannten Reichsbürger, die den deutschen Staat, sein Rechtssystem, Regierungen und die Polizei ablehnen? „Bin ich nicht bei. Finde es aber schlüssig, was die so sagen“, sagt er. „Rechtsfeindschaft, ja Rechtsfeindschaft“könne ihn zur Tat getrieben haben.
Laut Staatsanwaltschaft könnte der Mann geglaubt haben, mit dem Feuer den Geist seiner toten Großmutter aus der gemeinsamen Wohnung zu vertreiben. Dieser habe ihn nach seiner eigenen Beschreibung gequält, sagte die Staatsanwältin. Im Dialog mit Richter Kleinschroth geht der Angeklagte, der im Gästezimmer der Wohnung seiner Verwandten wohnte, aber nicht näher darauf ein.
Zwei Sachverständige sollen nun beurteilen, ob der Marbacher während der Taten uneingeschränkt schuldfähig war. Er selbst ist sich sicher: „Ich bin klipp und klar im Kopf.“