Showdown in Alabama
In einem Logistikzentrum des Online-konzerns in Bessemer könnte erstmals eine Gewerkschaft Fuß fassen.
Bessemer. Der weltgrößte Online-händler Amazon gerät wegen seiner Arbeitsbedingungen in die Kritik der Gewerkschaften, in Europa ist das Verhältnis deshalb entsprechend angespannt. In den USA hingegen haben Gewerkschaften im Konzern des reichsten Menschen der Welt, Jeff Bezos, bislang gar nichts zu melden.
Amazon ist zwar nach Walmart der zweitgrößte Arbeitgeber im Land, doch eine gewerkschaftliche Vertretung gibt es nicht. Das könnte sich jedoch in wenigen Tagen ändern.
Seit fast zwei Monaten stimmen die rund 6000 Beschäftigten eines Logistiklagers in Bessemer (Us-bundesstaat Alabama) über eine Arbeitnehmervertretung ab. Es ist eine historische Wahl, die den Weg für die erste Us-gewerkschaft bei Amazon in der rund 27-jährigen Geschichte des Konzerns ebnen könnte.
Kein Wunder, dass das Votum landesweit großes Interesse auf sich zieht. Im Wahlkampf erhielt die Gewerkschaft Unterstützung von Spitzenpolitikern bis hin zu Präsident Joe Biden und etlichen anderen Prominenten.
Nun steht der Show-down unmittelbar bevor: Die Mitarbeiter können bis zum Fristende am Montag entscheiden, ob sie für den Anschluss an die Us-handelsgewerkschaft RWDSU sind.
Dass die Abstimmung so lange dauert, liegt am Briefwahlverfahren wegen der Pandemie. Amazon hatte versucht, das Votum zu verzögern, war jedoch mit einem
Einspruch bei der Arbeitnehmerschutzbehörde National Labor Relations Board abgeblitzt.
Die Initiative der Gewerkschaft will sicherere Arbeitsbedingungen und faire Löhne erstreiten. Amazon ist der Ansicht, all dies bereits zu bieten.
Der Konzern brüstet sich in einer Stellungnahme mit einem der im Branchenschnitt höchsten Löhne, umfassenden Nebenleistungen ab dem ersten Tag sowie Karrieremöglichkeiten und einem sicheren und modernen Arbeitsumfeld. Tatsächlich hat Amazon seine Bezahlung in den USA deutlich angehoben, doch gerade in den Logistikzentren klagen Beschäftigte immer wieder über das hohe Arbeitspensum sowie über Überwachung.
Gewerkschaftsaktivist in Bessemer.
Einer Analyse der Washingtoner Denkfabrik Brookings zufolge geht es in Bessemer um mehr als Arbeitsbedingungen. Sollten sich die Mitarbeiter der RWDSU anschließen, wäre das „einer der größten Siege der Gewerkschaften im Süden seit Jahrzehnten, der die Arbeiterbewegung wachrütteln und weit über Alabama hinaus inspirieren könnte.“
Die Abstimmung drehe sich auch stark um Würde und Gleichberechtigung, heißt es in der Studie. Bei Amazon in Bessemer seien geschätzte 85 Prozent der Mitarbeiter Schwarze, die in den USA ohnehin einen überproportionalen Anteil der „Frontline Worker“ausmachten, die gesellschaftlich wichtige Jobs im Niedriglohnsektor ausführten.