Leipzigs Last mit Richard Wagner
Das Denkmal für den Komponisten wurde in den 30ern nicht realisiert – und ist doch Stein des Anstoßes.
Leipzig. Helmut Loos steht im Gut Ermlitz bei Leipzig vor einem steinernen Relief und legt den Kopf schräg. „Das ist keine erste Qualität“, sagt er und deutet auf löchrige Stellen im Kalkstein. Auch die Figuren, die eine Szene aus der Wagner-oper „Walküre“zeigen, seien doch recht plump geraten. Trotzdem ist sich Loos, Chef des Richard-wagner-verbands Leipzig, vollkommen bewusst, dass das etwa ein mal zwei Meter große Relief eine Provokation ist.
Eigentlich hätten die Steinplatten nämlich schon vor rund 80 Jahren in der Stadt aufgestellt werden sollen – als Teil eines monumentalen, von Adolf Hitler geförderten „Nationaldenkmals des Deutschen Volkes“für den Komponisten Richard Wagner (18131883). Entworfen hat das Denkmal der Stuttgarter Bildhauer Emil Hipp. Der Zweite Weltkrieg verzögerte die Fertigstellung, die steinernen Elemente gerieten verstreut in Privatbesitz. Dass der Wagner-verband und das Stadtmuseum nun zwei Reliefs angekauft haben, sorgt für Diskussionen über den richtigen Umgang mit einem schwierigen Erbe.
In Leipzig habe es schon seit dem Tod Richard Wagners die Idee gegeben, ihm in seiner Geburtsstadt ein Denkmal zu setzen, erzählt Loos. Den ersten Anlauf unternahm der Künstler Max Klinger. Doch als er 1920 starb, war er über einen Sockel nicht hinausgekommen. 1931 wurden die Bemühungen wieder aufgenommen. 1933 wurde der Entwurf von Emil Hipp ausgewählt. „Aus der Grundsteinlegung 1934 hat Hitler dann ein großes nationalsozialistisches Event gemacht“, sagt Loos. Hipp sei kein „Nazikünstler“gewesen, habe aber nach dem Zuschlag für das Leipziger Prestigeprojekt sehr wohl für das Ns-regime gearbeitet.
Loos sagt, ihn treibe die Frage an, welche Form des Erinnerns an Wagner und das Denkmal aus den 1930er Jahren die angemessene sei. „Einfach das Label ‚Nazikunst‘ drauflegen und sagen: ‚Weg damit!‘ – das finde ich nicht richtig“, sagt der Musikwissenschaftler. Der Wagner-verband stehe auch für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Komponisten, der ein prägender Künstler und Antisemit zugleich gewesen sei.