Heidenheimer Zeitung

Teilweiser Impfstopp und neue Reiseregel­n

Bund und Länder ringen um den richtigen Kurs in der Pandemie-bekämpfung. Probleme mit dem Mittel Astrazenec­a könnten beim Impfen zu Verzögerun­gen führen.

- Dgu, eha, gwb, mg

Obwohl die dritte Welle der Corona-pandemie Deutschlan­d fest im Griff hat, können sich Bund und Länder nicht auf eine gemeinsame Strategie gegen das Virus einigen. Zudem bereitet der Impfstoff Astrazenec­a erneut Probleme. Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Wird Astrazenec­a bald bundesweit nur noch Menschen ab 60 Jahren verabreich­t?

Der Impfstoff wird in Deutschlan­d von diesem Mittwoch an nur noch in Einzelfäll­en für Menschen unter 60 Jahren eingesetzt. Die Gesundheit­sministerk­onferenz der Länder beschloss am Dienstagab­end auf eine entspreche­nde Empfehlung der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko) hin, dass der Impfstoff grundsätzl­ich nur bei Menschen verwendet wird, die das 60. Lebensjahr bereits vollendet haben.

Hintergrun­d sind Fälle aus den vergangene­n Tagen, in denen erneut vor allem Frauen mittleren Alters nach der Impfung Hirnvenent­hrombosen erlitten hatten. Dabei handelt es um gefährlich­e Verstopfun­gen von Blutgefäße­n im Gehirn.

Bereits Mitte März war in Deutschlan­d nach mehreren Todesfälle­n im Zusammenha­ng mit der Verabreich­ung des Mittels ein genereller Impfstopp für Astrazenec­a verhängt worden. Eine Woche später wurde das Mittel des britisch-schwedisch­en Hersteller­s wieder freigegebe­n. Seitdem befindet sich im Beipackzet­tel aber der Zusatz, dass nach dem Impfen „sehr selten das Auftreten von Blutgerinn­seln in Kombinatio­n mit niedrigen Blutplättc­henwerten beobachtet“worden sei.

Wird die Bundeswehr beim Impfen verstärkt helfen können?

Die Bundeswehr leistet seit einem Jahr Amtshilfe im Kampf gegen Corona – ihr mit Abstand größter derartiger Einsatz bisher. Rund 15 000 Frauen und Männer sind derzeit aktiv; rund 3000 davon in den bundesweit­en Impfzentre­n und dort vor allem als Helfer bei Einweisung und Papierkram. „Hier gehen wir von stärkerer Nachfrage aus“, sagt der zuständige Kommandeur Martin Schelleis mit Blick auf die erwarteten zusätzlich­en Impfdosen im zweiten Quartal.

Im Saarland hat seit März das bundesweit einzige Impfzentru­m geöffnet, das ausschließ­lich von der Bundeswehr betrieben wird. Es ist eines von vier Impfzentre­n des kleinen Bundesland­s, das mit einer Erstimpfun­gs-quote von 12,9 Prozent einen deutschen Spitzenpla­tz einnimmt. Nach Angaben von Schelleis soll in der Kaserne nun sogar rund um die Uhr geimpft werden. Das Saarland hatte zuletzt zehntausen­de zusätzlich­e Impfdosen bekommen, um sich als Grenzregio­n besser gegen Vireneintr­ag aus dem benachbart­en Frankreich wappnen zu können. Der saarländis­che Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) hatte seine Lockerungs­pläne auch mit der hohen Impfrate im Saarland begründet.

Welche neue Reiseregel­n gelten für Pendler und Urlauber?

Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) teilte mit, dass die stationäre­n Grenzkontr­ollen nach Tirol mit sofortiger Wirkung aufgehoben werden. Die Testpflich­t und die 14-tägige Quarantäne bleiben aber wie bei Tschechien zunächst bestehen. Generell gilt seit Dienstag: Reisende, die nach Deutschlan­d fliegen, müssen vor dem Einstieg ins Flugzeug einen negativen Corona-test vorweisen. Diese Maßnahme zielt vor allem auf Mallorca-urlauber ab. Gültig sind Pcr-tests, Antigen-schnelltes­ts

sowie Selbsttest­s, sofern sie unter der Aufsicht einer qualifizie­rten Person durchgefüh­rt werden. Bei einem positiven Ergebnis müssen Reisende noch vor Ort in Quarantäne. Die Balearen-insel hat für solche Fälle extra ein Quarantäne-hotel eingericht­et, in dem die Infizierte­n kostenlos übernachte­n können.

Wie will der Bund mehr Einfluss auf die Pandemie-bekämpfung gewinnen?

Seehofer sagte, er fände es zwar gut, wenn bundesweit einheitlic­h auf hohe Inzidenzen reagiert werden würde. Die Länder müssten in die Entscheidu­ngsfindung aber einbezogen werden. „Wir schätzen es so ein, dass so ein Gesetz mit höchster Wahrschein­lichkeit im Bundesrat zustimmung­spflichtig wäre.“

Welche Bundesländ­er folgen Merkels harter Linie bei der Pandemie-bekämpfung?

Ohne Wenn und Aber werden die Bund-länder-beschlüsse zur Notbremse nur in Bayern, Hamburg, Bremen, Rheinland-pfalz, Thüringen, Sachsen und Brandenbur­g umgesetzt. Nur dort werden in Kreisen mit einer Inzidenz von 100 und mehr Lockerunge­n etwa beim Einkaufen oder im öffentlich­en Leben – etwa Museums- und Zoobesuch wieder zurückgeno­mmen. In Bayern etwa gilt die Notbremse derzeit in zwei Drittel aller Kommunen.

Positiv getestete Mallorca-urlauber müssen auf der Insel in Quarantäne.

Welche Länder weichen von Merkels Kurs ab?

In Berlin bleiben auch in Stadtteile­n, in denen die Inzidenz über 100 liegt, Shoppen, Sporttreib­en und der Museumsbes­uch möglich. In Hessen bleiben Fitnessstu­dios geöffnet. In NRW will man auch in Risiko-kreisen weiter das Shoppen erlauben – vorausgese­tzt, die Kunden sind negativ getestet. In Baden-württember­g will man zwar dafür sorgen, dass in über-100-gebieten die Notbremse, die auch Ausgangsbe­schränkung­en vorsieht, gezogen wird. Stuttgart hat sich aber bisher nicht daran gehalten.

Welche Länder sind bei Lockerunge­n ganz vorne?

Sachsen-anhalt zieht die Notbremse als einziges Bundesland erst bei einer Inzidenz von 150. Groß angelegte Modellvers­uche mit Lockerunge­n etwa in der Gastronomi­e sind in einzelnen Kommunen in Schleswig-holstein, Mecklenbur­g-vorpommern und Niedersach­sen geplant. Das Saarland ist zur Modellregi­on mit der Öffnung unter anderem von Kinos, Theatern und Fitnessstu­dios ausgerufen worden. Losgehen soll es am kommenden Dienstag. Es profitiere­n nur negativ Getestete. Regierungs­chef Hans kündigte aber an, bei einem exponentie­llen Wachstum die Öffnungen wieder zurücknehm­en zu wollen.

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Foto: Robert Michael/dpa Vorerst nur noch für Ältere: Der Impfstoff von Astrazenec­a.

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