Statussymbol Rad
Durchschnittsnote 3,9. Mit diesem Ergebnis ist wohl kein Schüler zufrieden. Es reicht zum Bestehen, aber da ist noch Luft nach oben. Der Schüler ist in dem Fall der Radverkehr in Deutschland. Groß- und Kleinstädter gaben beim Fahrradklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) an, wie fahrradfreundlich sie ihre Städte finden. Es kam ein knappes „befriedigend“raus. Dass so viel Verbesserungspotenzial besteht, hat mit einer jahrzehntelangen Bevorzugung des Autos zu tun. Damit muss endlich Schluss sein.
Deutschland, Land der Autofahrer – nirgendwo ist das Auto so sehr in die DNA einer Nation eingebrannt und hat einen so hohen Status. Nirgendwo wird so emotional über Parkplätze, Tempolimits und Stickoxid-grenzwerte debattiert. Nirgendwo wird einer Industrie, die betrogen hat, so freimütig verziehen und fleißig weiter gekauft. Jetzt holt das Fahrrad auf. Die Umsätze von Händlern gehen durch die Decke. Werkstätten können sich vor Aufträgen nicht mehr retten. Die Bundesregierung investiert so viel in die Infrastruktur wie noch nie. Die Pandemie hat den Trend zum Rad befördert. Das Rad ist zu einem Statussymbol geworden.
Doch wie können Rad und Auto gleichberechtigt nebeneinander existieren? Jahrelang wurden Straßen für Autos gebaut. Straßen sind für Radfahrer eine einzige Gefahrenzone. Das Baustellenmanagement ist häufig katastrophal und Wege sind zu schmal oder zugewuchert. Die Lösung bislang: dann passt halt auf. Diese Denkweise ändert sich jetzt. Die Bundesregierung hat die Straßenverkehrsordnung neu ausgearbeitet, die die Rechte von Radfahrern stärkt und sie besser schützt. Metropolen haben mit temporären Radwegen experimentiert, indem sie dem Auto Platz wegnahmen. In Universitätsseminaren werden Rad und Fußgänger in der Verkehrsplanung mitgedacht. Die Stadt soll dem Menschen gehören, nicht dem Auto.
Dass das vielen Autofahrern nicht gefällt, ist verständlich. Deshalb muss es dafür Lösungen geben. Die Digitalisierung kann helfen. Automatisierte Systeme können dabei unterstützen, schnell einen Parkplatz zu finden. So wird Park-suchverkehr eingespart. Sharing- und Pooling-dienste auch für Kleinstädte, die ländliche Regionen einbinden, können Fahrten sparen. Ein günstiges und zuverlässiges
Das Auto wird viel Platz aufgeben müssen für eine moderne und umweltfreundliche Mobilität.
Bus- und Bahnnetz gehört ebenfalls zu einer modernen Mobilität. Lieferdienste könnten von Lkw auf Lastenräder umsteigen. Doch: Das Auto wird Platz aufgeben müssen für eine umweltfreundlichere Mobilität.
Die Politik sollte den Übergang zu einer neuen Verkehrswelt deshalb behutsam gestalten. Sie sollte die Bürger in die Planungsprozesse einbeziehen. Es macht keinen Sinn, Parkplätze zu liquidieren, wenn es noch kein Konzept für den Platz gibt. Es hat auch keine Effekte, Autofahren teurer zu machen, wenn Bus und Bahn unzuverlässig sind. Radwege sollten nur dann gebaut werden, wenn sie Sinn machen. Das Wichtigste ist jedoch: Autound Radfahrer sowie Radfahrer und Fußgänger sollten aufhören, sich als Feinde der Straße zu betrachten.