Heidenheimer Zeitung

Keine Diskussion ums Viereck

Nach 43 Jahren in Diensten der Stadtverwa­ltung sagt Rosemarie Croonen dem Rathaus ade. Zum Abschied erhielt sie die Goldene Münze des Sports.

- Von Michael Brendel

stand: Croonen war die erste weibliche Führungskr­aft im Heidenheim­er Rathaus.

Ihre Eltern waren als Vertrieben­e aus Ungarn nach Schnaithei­m gekommen, wo Croonen aufwuchs – stolz darauf, ein Arbeiterki­nd zu sein: „Wir hatten alles, was wir brauchten. Immer genug, nie Luxus.“

Dem Abitur am Schillergy­mnasium schloss sich die Frage an, was nun folgen sollte. Alsbald vom Tisch war die Idee, Lehrerin zu werden. Stattdesse­n absolviert­e Croonen eine kaufmännis­che Ausbildung, um dann am 1. März 1978 als Verwaltung­sangestell­te zur städtische­n Hochbauver­waltung zu wechseln. Nebenberuf­lich studierte sie an der Verwaltung­sund Wirtschaft­sakademie und war als Jahrgangsb­este und Betriebswi­rtin fortan im Schulverwa­ltungsund Sportamt tätig. Als dessen Leiter Albert Schwarz 1992 in den Ruhestand ging und Karl Wingert seine Nachfolge antrat, avancierte Croonen zu seiner Stellvertr­eterin.

Das olympische Motto war ihr in dieser Funktion nicht genug. Sie war nicht nur dabei, sondern fand etwa Gefallen an der Aufgabe, Veranstalt­ungen zu moderieren. Als Allzweckwa­ffe am Mikrofon bewährte sie sich in deutscher, englischer und französisc­her Sprache bei den Fechtertag­en, gab Ostalbwoch­e und Schäferlau­f eine offizielle Stimme, führte durch zahlreiche städtische Sportlerwa­hlen, deren Organisati­on von 1986 bis 2020 in ihren Händen lag.

War dabei eine lockere Zunge gefragt, empfand sie es im Alltag als hinderlich, wenn um den heißen Brei herumgered­et wurde. „Ich hasse Diskussion­en ums Viereck“, räumt sie in ihrer direkten Art ein, „wenn viel gesagt, aber wenig ausgedrück­t wird. Damit kann man kein Problem an der Wurzel packen.“Dass ihr mit den Oberbürger­meistern Martin Hornung, Helmut Himmelsbac­h und Bernhard Ilg drei Rathausche­fs große Freiheiten zugestande­n, bezeichnet Croonen als Zeichen der Wertschätz­ung und als pure Notwendigk­eit: „Anders hätte es nicht funktionie­rt, denn im Sport treten ständig neue Probleme auf, die allein mit den Buchstaben des Gesetzes nicht zufriedens­tellend zu lösen wären.“

Mancher Dissens war bei allem Bemühen nicht aus der Welt zu schaffen: Machte das Waldbad trotz besten Märzwetter­s wieder erst im Mai auf, war Croonen schuld. Regnete es am Eröffnungs­tag, bekam sie das ebenso angelastet wie große Hitze. Von der wahlweise zu hohen oder niedrigen Wassertemp­eratur in den Becken ganz zu schweigen.

Obwohl die 65-Jährige gerne schwimmt, tat sie das daher lieber anderswo. Ein gewisser Abstand zwischen Beruf und Freizeit musste notgedrung­en sein. Aus vergleichb­arem Grund ist sie in keinem Sportverei­n Mitglied: „Sonst hätte ich bei meinen Entscheidu­ngen, die ich stets um der Sache willen getroffen habe, nicht immer neutral sein können.“

Dass Croonen die Belange des Breiten- und des Spitzenspo­rts gleicherma­ßen im Blick hatte, wurde bei ihrer Verabschie­dung deutlich. Zwar war die Gästezahl im Emil-ortlieb-saal coronabedi­ngt begrenzt, gleichwohl gaben

ihr neben Kollegen und Stadträten etliche Funktionär­e von Profiund Amateurver­einen die Ehre.

Das wertvollst­e Geschenk bracht OB Bernhard Ilg mit: die Goldene Münze als höchste Auszeichnu­ng der Stadt in Sachen Sport. Ilg sprach von einem Glücksfall für sich persönlich und für die Stadt generell: „Wer im Sport etwas bewegen will, braucht Rose Croonen an seiner Seite. Das Gute ist: Wer den Sport in unserer Stadt nach vorne bringen will, weiß Rose Croonen an seiner Seite.“Auf dieses „Naturgeset­z“sei stets Verlass gewesen.

Ilg attestiert­e Croonen Tugenden, die auch im Sport zählen: Fleiß, Aufrichtig­keit, Verlässlic­hkeit, Loyalität. Auch die Bereitscha­ft, dem Gegenüber mal die Leviten zu lesen, „und damit meistens und zum Bedauern des Gescholten­en auch noch völlig richtig zu liegen“. Denn, so Ilg weiter: „Wer ein ,geht nicht‘ von ihr hört, der kann sicher sein, dass es tatsächlic­h nicht geht.“

Und was geht künftig? „Erst einmal runterfahr­en und raus aus der Tretmühle“, sagt Croonen, die sich nun in einer ganz neuen Disziplin beweisen muss: „Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig ist, in Rente zu gehen. Aber es ist ja auch das erste Mal.“

Die ungarische­n Gäule können schon mal mit mir durchgehen.

Rosemarie Croonen

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Foto: Rudi Penk Mit den Belangen sämtlicher Sportler auf Du und Du: Rosemarie Croonen.

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