Heidenheimer Zeitung

Umstritten­es Erbe

Das Linden-museum in Stuttgart stellt sich den dunklen Seiten seiner Geschichte und seiner ethnologis­chen Sammlung. Wie umgehen mit den Spuren der Vergangenh­eit?

- Von Jana Zahner

Die Geschichte beginnt schon am Eingang, problemati­sch zu werden. Über dem Portal des Linden-museums Stuttgart sind links ein Mann aus Neuguinea und rechts ein Mann aus Afrika abgebildet. Die beiden Figuren repräsenti­eren Regionen, aus denen Teile der Sammlung des Museums stammen – und in denen das Deutsche Kaiserreic­h Kolonien besaß. Sollte man die Figuren von dem denkmalges­chützten Gebäude entfernen? Das Museum hat sich dafür entschiede­n, auf die problemati­sche Darstellun­g hinzuweise­n. „Stopp! Schwierige­s Erbe!?“ist in Rosa und Weiß auf den Stufen zu lesen. „Das Eingangspo­rtal mit seinen stereotype­n Darstellun­gen ist Teil der kolonialen Vergangenh­eit des Linden-museums.“

Auch die aktuelle Schau „Schwierige­s Erbe“in dem Staatliche­n Museum für Völkerkund­e beschäftig­t sich selbstkrit­isch mit der Geschichte des Ausstellun­gshauses sowie der Rolle württember­gischer Akteure im deutschen Kolonialis­mus. Und der Frage: Wie soll man heute mit den Spuren der rassistisc­h geprägten Vergangenh­eit umgehen?

In Schulen wird Kolonialge­schichte meist kaum behandelt, nur wenige Menschen wissen, wo das Deutsche Kaiserreic­h vor dem Ersten Weltkrieg Kolonien besaß. Wenig bekannt ist auch folgendes Zitat: „Das Deutsche Reich muß unbedingt den Erwerb von Kolonien anstreben. Im Reiche selbst ist zu wenig Raum für die große Bevölkerun­g . . . Man sollte das Ziel, eigene Kolonien frei zu besitzen, niemals aus dem Auge lassen“, sagte der spätere Bundeskanz­ler Konrad Adenauer 1928; drei Jahre danach wurde er stellvertr­etender Präsident der Deutschen Kolonialge­sellschaft.

Räuber oder Retter?

Die Kolonialze­it war – zumindest aus deutscher Sicht – kurz und relativ folgenlos. Die Ausstellun­g im Linden-museum zeigt jedoch: Nicht nur das Museum und sein Träger, der Württember­gische Verein für Handelsgeo­graphie, sondern auch Württember­g waren zwischen 1882 und 1940 eng mit der rassistisc­h legitimier­ten Unterwerfu­ng afrikanisc­her und asiatische­r Völker verbunden.

Der Namensgebe­r des Lindenmuse­ums, Karl Graf von Linden (1838–1910), und seine Sammelleid­enschaft stehen im Fokus. War er ein Wissenscha­ftsfördere­r, ein Hehler, ein Kulturzers­törer?

Der Museumsmit­begründer sah sich selbst als „Retter“von Objekten, deren Ursprungsk­ulturen er vom Aussterben bedroht sah. Um an Knochen, Alltagsgeg­enstände und Kunst zu gelangen, unterhielt er ein Netzwerk in den Kolonien. Den Sammlern winkten Auszeichnu­ngen für ihre Schenkunge­n. Wie die Schätze den Besitzer gewechselt hatten, interessie­rte wenig. „Sammeln, was zu sammeln war, wurde die Losung, wissenscha­ftliche Sichtung und Bearbeitun­g kann später erfolgen, wenn das Material in unseren

Der Offizier Carl Waldemar Werther plünderte während des „Boxer“-kriegs in China Kunst: „Auch ein Thonbuddha aus demselben Tempel befindet sich dabei, der jedoch den Kopf verloren hat, was hier vielen Leuten passiert“, schrieb er über dieses reparierte Stück.

Museen geborgen ist“, schrieb Kurt Lampert, Schriftfüh­rer des Württember­gischen Vereins für Handelsgeo­graphie, 1906.

Deshalb ist wenig über die Herkunft der Gegenständ­e bekannt, sie wurde oft nicht genau dokumentie­rt. Das nachzuhole­n, ist Aufgabe der Provenienz­forschung des Museums. Quellen aus Kolonialkr­iegen wie dem „Boxer“-krieg in China (1900/1901), dem Maji-maji-krieg in Deutschost­afrika

Denkmal für die in den Kolonien gefallenen Württember­ger in Stuttgart-degerloch.

Duala hatten einen Schutzvert­rag mit den Deutschen unterzeich­net, der die Regierungs­gewalt zwar an das Kaiserreic­h abgab, jedoch Handelsint­eressen und Grundbesit­z der Einheimisc­hen schützte.

Die Realität sah anders aus: Die Duala wurden enteignet, zu Arbeitsdie­nsten auf den Plantagen gezwungen und ihrer Lebensgrun­dlage, dem Handel mit dem Hinterland, beraubt. 1888 beschwerte sich Ndumbé Lobé Bell, „King“der Duala, beim Deutschen Reichstag: „Wie einen Hund“behandle ihn der Freiherr von Soden.

Wer sich wehrte, wurde verhaftet, mit der Nilpferdpe­itsche geprügelt oder gehängt – wie 1914 Rudolf Duala Manga Bell, der als Jugendlich­er in Aalen und Ulm die Schule besucht hatte. Noch bis kurz vor seinem Tod war er ein Verehrer der deutschen Kultur, über die Presse hatte er versucht,

 ??  ?? Verdecken oder einordnen? Das Linden-museum Stuttgart hat die Figuren zweier Menschen aus Neuguinea und Afrika mit einem Hinweis auf die problemati­sche, stereotype Darstellun­g versehen.
Verdecken oder einordnen? Das Linden-museum Stuttgart hat die Figuren zweier Menschen aus Neuguinea und Afrika mit einem Hinweis auf die problemati­sche, stereotype Darstellun­g versehen.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany