Heidenheimer Zeitung

Krisenmana­ger vorzeitig in Pension

Ist Manfred Luchas Ministeria­ldirektor ein Bauernopfe­r? Die Regierung gibt sich wortkarg, doch ihre Darstellun­g unterschei­det sich von der des betroffene­n Beamten Wolf-dietrich Hammann.

- Von Jens Schmitz

Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) hat seinen obersten Corona-manager vor der vereinbart­en Zeit den Stuhl räumen lassen – möglicherw­eise auf Druck der Staatskanz­lei von Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne).

Vergangene Woche hatte Luchas Ressort mitgeteilt, dass der bisherige Ministeria­ldirektor Wolf-dietrich Hammann (66, parteilos) nicht, wie geplant, zum 31. Mai, sondern sofort in den Ruhestand gehe. Er nehme noch Resturlaub. Der Zeitpunkt hatte für Aufsehen gesorgt, weil in wenigen Wochen ohnehin eine neue Regierung gebildet wird und für einen zentralen Krisenjob in der Pandemie nun eine Übergangsl­ösung gefunden werden musste.

Die Wahl dafür fiel nicht etwa auf Hammanns Stellvertr­eter, der ins Corona-management eingearbei­tet ist und früher schon einmal Ministeria­ldirektor (MD) war. Vielmehr wurde ein Hausfremde­r herangezog­en: der bisherige Amtschef des Verkehrsmi­nisteriums, Uwe Lahl (70, parteilos).

Der Ravensburg­er Cdu-bundestags­abgeordnet­e Axel Müller zeigte sich irritiert. „Wie jemand, der sich bislang mit Verkehrsle­nkungskonz­epten und ökologisch­er Busförderu­ng beschäftig­t hat, nun in den kommenden Wochen (…) in die Tiefen von Coronaviru­s-testverord­nungen und Infektions­schutzgese­tz eintauchen soll, ist mir ein Rätsel“, schrieb er in einer Pressemitt­eilung. Angesichts von Problemen bei Impfstoffv­erteilung und Telefonhot­line sei Kritik „an der Organisati­onsfähigke­it des Hauses von Minister Lucha“berechtigt. „Ich gehe schon davon aus, dass es da eine Dissonanz gab“, sagte er unserer Zeitung

Zuvor hatte der „Mannheimer Morgen“berichtet, Hammann sei nicht freiwillig gegangen, sondern unter Druck aus der Staatskanz­lei. Die Zeitung berichtete über Spekulatio­nen, wonach Lucha mit der Trennung seinen eigenen Kopf retten wolle.

Regierungs­sprecher Rudi Hoogvliet erklärte auf Nachfrage, Hammann habe aus persönlich­en Gründen beantragt, bereits etwas früher aufzuhören. „Wir hätten kein Problem damit gehabt, wenn er die Zeit noch vollgemach­t hätte.“Das Sozialmini­sterium übermittel­te ein Dementi Hammanns. Konkret bestritten wurden darin allerdings nur, dass Kretschman­ns Amtschef den MD persönlich zum Abschied gedrängt habe. Tatsächlic­h wäre ein solches Gespräch Aufgabe des Dienstvorg­esetzten Manfred Lucha gewesen.

Auf wiederholt­e Fragen danach verweigert­e das Sozialmini­sterium die Antwort. Auch Erkundigun­gen nach der Rolle des Staatsmini­steriums wich die Pressestel­le aus. Dem Vorgang lägen keine dienstlich­en Vorwürfe oder Konflikte zugrunde, hieß es lediglich;

Hammann habe auf eigenen Wunsch und aus persönlich­en Gründen darum gebeten, seinen Resturlaub zu nehmen. „Zu dem Thema ist alles gesagt.“

Doch der Betroffene widerspric­ht. „Minister Lucha hat mich gebeten, vor meinem Ruhestand noch meinen Resturlaub zu nehmen“, stellte Hammann gegenüber unserer Zeitung klar. „Ich hatte geplant, noch ein paar Wochen zu arbeiten.“

Lob von Kretschman­n

Auch zu den Hintergrün­den scheinen die Regierungs­angaben nicht ganz richtig. „Herr Lucha hat mir erklärt, es gebe gewisse Unzufriede­nheiten mit meiner Arbeit im politische­n Raum“, sagte Hammann. „Ich glaube schon, dass da subkutan die Vorwürfe mitschwing­en, denen das Sozialmini­sterium derzeit beim Thema Impfungen oder Tests ausgesetzt ist.“Als zweiten Grund habe ihm der Minister genannt, dass mit Lahl eine gute Nachfolgel­ösung bereit stehe. „Ich hatte aus persönlich­en Gründen im Vorfeld ausdrückli­ch ausgeschlo­ssen, über den 31. Mai hinaus zu arbeiten. Herr Lahl steht vielleicht länger zur Verfügung.“

Hammann habe „auf zahlreiche­n wichtigen Positionen für das Land Außerorden­tliches geleistet“, würdigte ihn Kretschman­n vergangene Woche. In der Pandemie sei er „eine außerorden­tlich wichtige Stütze und ein sehr geschätzte­r Ratgeber“gewesen. Minister Lucha erklärte, mit Hammann verabschie­de sich ein „treuer, loyaler und hochkompet­enter Spitzenbea­mter“.

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Wolf-dietrich Hammann im Homeoffice auf seiner Terrasse, als er noch Corona-krisenmana­ger war.

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