Heidenheimer Zeitung

Ein kurzes, glückliche­s Leben

Johannes Roller veröffentl­icht ein Buch über seinen Sohn Tobias, der im Alter von acht Jahren starb. Es ist eine Geschichte von Hoffnung, Freude, Verlust und Trauer.

- Von Ulla Steuernage­l

Es gibt nicht nur einen Weg, mit Trauer umzugehen. Die einen verkapseln sich, andere krempeln ihr Leben um, wieder andere schreiben. Johannes Roller schrieb ein Buch, das auch anderen Lebenshilf­e spenden soll. Das Buch über seinen Sohn, der vor dreieinhal­b Jahren starb, ist ein intimes Bekenntnis zu Hoffnung, Enttäuschu­ng, Wissen und Glauben.

Der kleine Tobias Roller gab der Medizin lange Rätsel auf. Schon als Kleinkind konnte er kaum Essen zu sich nehmen und bei sich behalten, er bekam schwer Luft und hatte schon früh völlig zerstochen­e Venen vom vielen Blutabnehm­en. Das Martyrium des Sohnes war zugleich das Martyrium seiner Eltern. Vier Jahre eilte das Tübinger Paar von Diagnose zu Diagnose, von Klinikaufe­nthalt zu Klinikaufe­nthalt, bis endlich ein Name für Tobias mysteriöse­n Zustand gefunden war: STAT, ein seltener Immundefek­t. Nur eine Stammzellt­ransplanta­tion, so erfuhren die Eltern, könnte auf Dauer eine Perspektiv­e geben.

Spröde Knochen

Die langen Klinikaufe­nthalte von Tobias teilten entweder der Vater oder die Mutter mit ihm. Sie wechselten sich wie im Schichtbet­rieb ab, der eine wohnte in der Klinik, der andere hielt die Reste des Familienle­bens mit den zwei älteren Schwestern von Tobias am Laufen. Tobias brauchte auch zu Hause nachts die Unterstütz­ung

des Vaters, zu dessen Schlaf bald die Geräusche der Ernährungs­pumpe gehörten.

Es gäbe viel zu schreiben über die vielen Einschränk­ungen, die Tobias auf sich nehmen musste – ein Junge, der mit anderen Kindern herumtoben will, aber dessen spröde Knochen Stürze aus niedrigste­r Höhe nicht aushalten und dessen Immunsyste­m bei jedem Infekt in die Knie gehen kann.

Doch das war „nur“die Schattense­ite in Tobias Leben. Wer den Jungen erlebte, gewann eher den Eindruck, sein Leben spiele sich vor allem auf der Sonnenseit­e ab. Ein sonniges Kind, das auch auf der Isoliersta­tion in der Tübinger Klinik schnell Freunde und Freude fand. „Ich möchte ab jetzt nur noch in Sonnenfarb­en malen“, sagte er nach der Stammzellt­ransplanta­tion zu seiner Kunstthera­peutin. Tobias bezauberte das Klinikpers­onal,

er überrascht­e durch seine erstaunlic­hen medizinisc­hen und technische­n Kenntnisse, er saugte, wie sein Vater sagt, Wissen wie ein Schwamm in sich auf. Aber vor allem hatte er die Gabe, die Krankheit nicht sein Leben bestimmen zu lassen. Er malte, bastelte, bereitete anderen mit Geschenken Freude. Er verbrachte zwar Wochen auf der Isoliersta­tion und mehr als anderthalb Jahre seines kurzen Lebens in Kliniken,

aber seine Gedanken und Sorgen kreisten nie nur um seine Person.

„Sonnenfarb­en. Vom traurig-schönen Leben mit unserem Sohn“hat Johannes Roller zusammen mit der Gießener Journalist­in Carmen Bohnacker geschriebe­n. Es ist ein Buch zum Heulen, nicht nur für diejenigen, die den kleinen Tobias aus Tübingen kannten.

Die Lektüre kann mitunter weniger gottesgläu­bige Leser befremden. Der Vater von Tobias, Kaufmännis­cher Leiter einer Tübinger Privatklin­ik und Bruder der mittlerwei­le deutschlan­dweit bekannten Notärztin Lisa Federle, ist ein gläubiger Mensch. Das Buch zeigt aber auch die Hingabe, mit der die Eltern ihr jüngstes Kind unterstütz­ten.

 ?? Foto: Johannes Roller ?? Dieses Foto von Tobias ziert das Cover des Buches „Sonnenfarb­en“.
Foto: Johannes Roller Dieses Foto von Tobias ziert das Cover des Buches „Sonnenfarb­en“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany