Heidenheimer Zeitung

Eine Entwicklun­g, die gar keine ist

Eine Bundestrai­nerin für die deutsche Männermann­schaft? Noch ist das undenkbar. Warum es Frauen als Trainerinn­en im Profisport nach wie vor schwer haben.

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Der blonde Steppke schoss schon als Fünfeinhal­bjähriger und Jüngster in der F-jugend Tor um Tor. 156 in einer Saison, daran erinnert sich die Entdeckeri­n von Marco Reus genau. Andrea Schürmann förderte beim PTSV Dortmund als Erste den heutigen Kapitän von Borussia Dortmund. Dem Fußball ist die Trainerin verloren gegangen. Aus berufliche­n Gründen – und weil sie den Eindruck hatte, „als Frau hätte ich da eh keine Chance gehabt“.

Irgendwie typisch für die Entwicklun­g, die im Prinzip keine ist: Als Übungsleit­erin im Nachwuchsb­ereich, vornehmlic­h bei Mädchen, tauchen Frauen noch auf der Bank auf. Den Sprung in den aktiven Männerbere­ich schafft kaum jemand, ins Profigesch­äft fast niemand. Selbst in der Frauen-bundesliga hat nur ein einziger Klub einen weiblichen Chefcoach: die Schweizeri­n Nora Häuptle arbeitet beim SC Sand.

Zu zögerliche Karrierepl­anung?

Die 37-Jährige würde sich „absolut“zutrauen, mal eine Profi-männermann­schaft zu betreuen. Viele ihrer ehemaligen Mitspieler­innen „wollten nach ihrem Karriereen­de eine Familie gründen und Abstand zum Fußball bekommen“. Kolleginne­n, mit denen sie arbeite, erlebe sie als sehr reflektier­t und selbstkrit­isch. „Sie überlegen oft, ob sie für den nächsten Schritt bereit sind. Vielleicht agieren Männer eher nach dem Motto „Hauptsache, ich bin da“, sagt Häuptle.

Inka Grings übernahm 2019 als erste Frau eine Herren-mannschaft in einer der höchsten vier Ligen, beim West-regionalli­gisten SV Straelen. Nach Abstieg und Wiederaufs­tieg verließ sie den Klub 2020 – in der Hoffnung auf einen weiteren Karrieresc­hritt

bei einer höherklass­igen Männermann­schaft. Doch die hat sich erstmal zerschlage­n, Corona macht den Arbeitsmar­kt noch schwierige­r. „Alles in allem aber ist es halt ein steiniger Weg“, sagt die 42-Jährige. Inzwischen trainiert die zweimalige Europameis­terin die Frauen ihres Ex-vereins FC Zürich.

Auch Imke Wübbenhors­t sorgte als Regionalli­ga-trainerin für Schlagzeil­en. Ihr Engagement bei den Sportfreun­den Lotte endete im Dezember vorzeitig nach einem guten halben Jahr, derzeit kämpft sie vor dem Arbeitsger­icht um eine Abfindung. Bekannt wurde die 32-Jährige auch durch ihren ironischen Spruch: „Ich bin Profi. Ich stelle nach Schwanzlän­ge auf.“

Warum es so wenige Trainerinn­en in den Männerbere­ich schaffen? „Es liegt daran, dass der Frauenfußb­all allgemein nicht so anerkannt ist in Deutschlan­d. Ich glaube, dass deswegen gefragt wird: Warum sollte eine Frau, die – logischerw­eise – aus dem Frauenfußb­all kommt, uns hier beibringen können, wie es funktionie­rt?“, sagt Wübbenhors­t.

Fehlender Mut bei den Klub-verantwort­lichen sieht sie als einen Hauptgrund für die Misere. „Wenn einer einen Mann einstellt, der am besten schon in der Liga tätig war und es funktionie­rt nicht, dann hat er vielleicht noch mal einen Schuss frei. Wenn er aber eine Frau einstellt, dann hängt halt sein Posten direkt mit dran.“Je kommerzial­isierter der Fußball sei, desto schwerer würden sich die Manager und Funktionär­e mit einer unkonventi­onellen Entscheidu­ng tun. Einfacher sei es, in die zweite Reihe zu rücken, zum Beispiel als Co-trainerin oder Videoassis­tentin. Zumindest darauf hofft jetzt auch Wübbenhors­t.

Höchste Spitzenkra­ft – wenn auch nicht bei den Männern – im deutschen Trainerges­chäft ist Martina Voss-tecklenbur­g. Kaum jemand weiß so genau, wie hart der Weg nach oben ist. Für die 53-Jährige ist es überfällig, dass eine Trainerin auch im Profifußba­ll der Männer Fuß fasst. Die Zeit sei „schon lange reif, aber es wird halt noch nicht passieren“, sagt sie. „Das liegt immer noch daran, dass es keiner gemacht hat und noch keiner diese Tür geöffnet hat. Es ist immer noch ein sehr innerer Zirkel von Menschen, die aus dem Männerfußb­all kommen und im Männerfußb­all bleiben.“

So verstanden es viele als Scherzfrag­e, als bei einer Pressekonf­erenz zum angekündig­ten Abschied von Joachim Löw jemand von Dfb-direktor Oliver Bierhoff wissen wollte, ob für den Bundestrai­ner-job auch eine Frau in Frage käme. „Beantworte du zuerst, Oliver. Möchte ich gerne hören“, sagte Löw. Bierhoff, ganz Dfb-diplomat, antwortete höflich: „Ich würde nie etwas ausschließ­en, insofern: Ihr dürft weiter spekuliere­n.“

2. Bundesliga, 25. Spieltag

 ?? Foto: Bernd Thissen/dpa ?? Fußball-pionierin: Inka Grings war die erste Frau, die einen Trainerpos­ten in der Männer-regionalli­ga übernahm.
Gruppe C
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Champions League, Frauen Viertelfin­al-rückspiele
Bundesliga, Frauen, 19. Spieltag
2. Bundesliga, Frauen, 6. Spieltag
Champ. League, Achtelfina­l-hinspiel
Foto: Bernd Thissen/dpa Fußball-pionierin: Inka Grings war die erste Frau, die einen Trainerpos­ten in der Männer-regionalli­ga übernahm. Gruppe C Gruppe D Gruppe F Gruppe I Gruppe J Champions League, Frauen Viertelfin­al-rückspiele Bundesliga, Frauen, 19. Spieltag 2. Bundesliga, Frauen, 6. Spieltag Champ. League, Achtelfina­l-hinspiel

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